Ein Beratungstermin bei der Bank oder Sparkasse soll Kundinnen und Kunden Empfehlungen liefern, die auf ihre individuellen finanziellen Bedürfnisse und Ziele abgestimmt sind – so die Erwartung. Doch was, wenn das Geschlecht Auswirkungen auf die angebotenen Finanzprodukte hat? Was, wenn Frauen schlechtere Konditionen und teurere Produkte angeboten werden? Dass diese Vorstellung Realität ist, zeigt eine Studie des Leibniz-Instituts für Finanzmarktforschung (Safe).
Demnach erhalten Frauen in Beratungsterminen weniger Rabatte auf Verkaufsgebühren als Männer. Zudem würden ihnen mit einer bis zu neun Prozent höheren Wahrscheinlichkeit teurere Finanzprodukte empfohlen. Eine Ungleichheit, die zwangsläufig zu höheren Kosten für Kundinnen führe.
Die Untersuchung wertete Daten aus 27 000 Gesprächen zwischen Finanzberatern und Kunden einer großen deutschen Bank aus den Jahren 2010 bis 2017 aus. Die Autorinnen und Autoren haben die Studie nun um weitere Befragungen von Kunden und Beratern ergänzt. Die neuen Daten beleuchten die Hintergründe der ungleichen Beratung. Ausschlaggebend seien demnach Selbstbewusstsein, Verhandlungsgeschick und finanzielle Vorkenntnisse. In allen drei Bereichen schnitten Frauen schlechter ab als Männer – und die Berater wissen das.
Frauen unterschätzten oft ihr tatsächliches Verständnis
Doch die Schlussfolgerung, dass Finanzberater Kundinnen „systematisch über den Tisch ziehen“, greift zu kurz, sagt Tabea Bucher-Koenen, Studienautorin und Leiterin des Forschungsbereichs Altersvorsorge und nachhaltige Finanzmärkte am Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Die Studie wolle nicht die Qualität und den Nutzen der Beratung infrage stellen. Im Gegenteil: Frauen würden wegen fehlender finanzieller Kenntnisse ohne eine Beratung überhaupt nicht investieren.
Warum ist das so? Eine Erklärung für das geringere Finanzwissen lautet wie folgt: Frauen würden sich weniger intensiv mit ihren Finanzen befassen als Männer. Um genau zu sein, beschäftigten sich 38 Prozent der Frauen regelmäßig mit ihren finanziellen Angelegenheiten. Bei den Männern sei es hingegen fast jeder Zweite, das geht aus einer Umfrage des Bundesverbands Deutscher Banken hervor.
Obwohl Frauen über weniger finanzielles Wissen verfügten als Männer, unterschätzten sie oft ihr tatsächliches Verständnis. Fast 40 Prozent der festgestellten Wissenslücken lassen sich demnach durch mangelndes Selbstvertrauen erklären. Diese Unsicherheit könnte auch auf die anhaltende Benachteiligung von Frauen in allen finanziellen Belangen zurückzuführen sein. Frauen verdienten nicht nur weniger, sondern könnten deshalb auch weniger für ihren Ruhestand sparen. Zudem investierten sie seltener in riskante Anlagen und hätten weltweit nicht immer Zugang zu einem eigenen Bankkonto.
Um Frauen die gleichen Chancen auf finanziellen Erfolg und Unabhängigkeit zu bieten wie Männern, sei ein schnellerer und umfassender Anpassungsprozess nötig. „Frauen könnten davon profitieren, wenn sie ihr finanzielles Wissen verbessern und selbstbewusster auftreten“, sagt Finanzexpertin Bucher-Koenen. Dadurch ließen sich gegebenenfalls auch die Ungleichheiten im Beratungsangebot ausgleichen. Im Hinblick auf das finanzielle Wissen gibt es der Bankenumfrage zufolge bereits positive Entwicklungen: Obwohl Männer immer noch optimistischer in Bezug auf ihr Finanzwissen seien, würden Frauen zunehmend an Selbstvertrauen gewinnen. Im vergangenen Jahr sei der Anteil der Frauen, die sich in finanziellen Fragen mehr zutrauen, um neun Prozentpunkte auf 52 Prozent gestiegen.