Frauen:Dreifach benachteiligt

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Sie arbeiten mehr als Männer, sie verdienen weniger, tragen aber gleichzeitig immer mehr Geld zum Nettoeinkommen im Haushalt von Paaren oder Familien bei. Sie sind gefangen von einer Familienpolitik, die auf Bismarck zurückgeht.

Von Ulrike Heidenreich

Frauen zählen zur Hochrisikogruppe für Altersarmut. Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung bestätigt das (siehe Bericht links). Der Anteil von Frauen in Altersarmut wird demnach von heute etwa 16 auf knapp 28 Prozent im Jahr 2036 ansteigen.

Diese dramatische Steigerung passt zu zwei widersprüchlichen Befunden aus dem deutschen Familienleben. Der aktuellen Gleichstellungsbericht, den Bundesfamilienministerin Katarina Barley (SPD) vorige Woche veröffentlicht hat, zeigt eine große Unwucht zwischen den Geschlechtern. Frauen tragen weiter die Hauptlast der Arbeit im Haus und in der Familie. Und wenn sie ins Büro gehen, verdienen sie dort immer noch weniger als die Männer. Gleichzeitig hat das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung ermittelt, dass Frauen immer mehr Geld in die gemeinsame Haushaltskasse einzahlen. Sie bestreiten inzwischen etwa ein Drittel des Nettoeinkommens von Paarhaushalten, das ist eine rasante Steigerung. Wie passt das zusammen? Es klingt nach einem doppelten Kraftakt - den die Frauen stemmen.

Opfer einer seit Bismarck kaum veränderten Familienpolitik

Die hochgelobte Multitasking-Fähigkeit speziell von Frauen scheint hier Fluch und Segen zugleich zu sein. Die Rechnung für sie lautet ja: mehr arbeiten, weniger verdienen und trotzdem mehr zahlen. Das kann unmöglich aufgehen.

Mehr arbeiten: Für den Haushalt, die Kinder und die Pflege von Angehörigen bringen Frauen täglich 87 Minuten mehr Zeit auf als Männer.

Weniger verdienen: Zurzeit sind es 21 Prozent, die Frauen durchschnittlich weniger als Männer auf dem Lohnzettel haben.

Mehr zahlen: Frauen tragen immer stärker zum Haushaltseinkommen bei. Noch um die Jahrtausendwende schafften sie lediglich ein Viertel des Nettoeinkommens in Paarhaushalten, nun ist der Anteil auf gut ein Drittel gewachsen. Und das, so weisen die Forscher nach, gelingt ihnen auch noch unabhängig von der Kinderzahl, der besseren Betreuungsmöglichkeiten wegen. Es sind da also wahre Wunderfrauen im Hamsterrad zugange.

Bei dieser Hochleistung verwundert es nicht, dass die Burn-out-Kuren des Müttergenesungswerks gut gebucht sind. Der ökonomische Rollenwechsel kostet Kräfte. Der DGB hat untersucht, dass in jedem fünften Mehrpersonenhaushalt mittlerweile die Frauen die Haupternährerinnen sind, bedingt durch steigende Arbeitslosigkeit von Männern vor allem in Industrieberufen. Der männliche Familienernährer ist nicht mehr die Regel. Die Regel ist aber auch nicht, dass alle gemeinsam anpacken und dass es gerecht zugeht zu Hause.

Die Einschätzung von Barley trifft zu, dass die Gleichstellung ein Marathonlauf ist - und kein Sprint. Zu überwinden sind ja etwa anderthalb Jahrhunderte konservative Arbeitsmarkt- und Familienpolitik. Das setzt sich fest. So innovativ die Bismarcksche Sozialgesetzgebung einst auch war, sie sah den Mann als Alleinverdiener vor. Frauen sollten einen sozialen Beruf ergreifen, aber auch nur als Überbrückung bis zur Ehe. Soziale Berufe ergreifen Frauen weiter gerne - mit der Folge, schlechter zu verdienen. Auch dies könnte man als tradiertes Rollenverhalten bezeichnen.

Einmal pro Legislaturperiode prüft die Bundesregierung, inwieweit die per Gesetz festgelegte Gleichstellung von Männern und Frauen durchgesetzt ist. Seit der vorherigen Untersuchung hat sich wenig getan. Die Rechnung geht nicht auf. Auch bei der Rente kommt ein dickes Minus heraus für die Frauen.

© SZ vom 27.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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