Süddeutsche Zeitung

Gleichstellung:14 staatliche Firmen haben gar keine Frau im Aufsichtsrat

Die Politik fordert von der Wirtschaft mehr Frauen in wichtigen Positionen. Aber auch bei den öffentlichen Unternehmen sieht die Bilanz düster aus.

Von Helena Ott

Der Anteil von Frauen in Führung bei großen öffentlichen Unternehmen kommt nur sehr langsam voran. Knapp fünf Jahre nach dem Führungspositionengesetz, das börsennotierte und voll mitbestimmungspflichtige Unternehmen zu einem Frauenanteil bei Aufsichtsratsposten von 30 Prozent verpflichtet, ist der öffentliche Sektor, also beispielsweise Verkehrsbetriebe, Strom- und Wasseranbieter oder Landesbanken, von Parität weit entfernt. Im Vergleich zum Vorjahr sind nur sehr wenige Frauen bei öffentlichen Betrieben in die Aufsichtsräte vorgerückt. Um einen knappen Prozentpunkt hat sich die Beteiligung von Frauen dort gesteigert. Der Anteil liegt damit 2020 bei 32 Prozent und so gleich auf mit der Privatwirtschaft.

Das zeigt der Public Women-on-Board-Index, eine repräsentative Untersuchung von 262 Betrieben, an denen Bund, Land oder Kommunen beteiligt sind. Der Frauenanteil in deren Vorständen und Top-Managementpositionen stieg zwar im Vergleich zum Vorjahr um vier Prozentpunkte, liegt damit aber immer noch bei 22 Prozent.

Die öffentliche Hand habe bei der Gleichberechtigung eine Vorbildfunktion, sagt Monika Schulz-Strelow "entsprechend liegt die Messlatte höher". Schulz-Strelow ist Präsidentin der Fidar, einer Initiative für mehr Frauen in Aufsichtsräten, die seit sieben Jahren den Public Wob-Index (Woman on Board) erstellt. Bund und Ländern müssen nach Ansicht der Fidar endlich handeln. Es sei ein "Armutszeugnis", wenn es Unternehmen mit staatlicher Beteiligung nicht schaffen, für ihre Aufsichtsgremien einen Frauenanteil von einem Drittel zu erreichen.

Interessant ist, welche Unternehmen die Liste der hohen Frauenanteile anführen. Es sind beispielsweise die Berliner Verkehrsbetriebe, die Deutsche Bahn oder staatliche Betriebe aus Forschung und Kultur mit Frauenanteilen von 50 bis 70 Prozent. Bei den Berliner Wasserbetrieben sind zum Beispiel zehn von 16 Aufsichtsratsmitgliedern weiblich. Jene Betriebe, die das Ranking anführen, sind Unternehmen mit großer öffentlicher Beteiligung, Unternehmen die per Gesetz zu Zielgrößen verpflichtet sind oder stark im öffentlichen Fokus stehen. Im unteren Teil der Liste finden sich 14 Unternehmen mit komplett frauenfreien Aufsichtsräten, wie die Mitteldeutsche Flughafen AG, die Schenker AG und der Flughafen Kassel.

Etwa die Hälfte der mehr als 262 befragten Unternehmen sind börsennotiert oder haben eine so hohe staatliche Beteiligung, dass sie dazu verpflichtet sind, Zielgrößen anzugeben. Der WOB-Index zeigt aber, dass fast 40 Prozent dieser Unternehmen nicht die erforderlichen Zielgrößen für die Steigerung der Beteiligung von Frauen in ihren Aufsichtsräten festgelegt und transparent gemacht haben.

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) zufolge ist es nicht hinnehmbar, dass so viele öffentliche Unternehmen "keine oder kaum ambitionierte Zielgrößen veröffentlichen". Die Familienministerin kündigt an, dass die Regierung den Druck künftig erhöhen werde. Unternehmen, die keine Zielgrößen für mehr Frauen in Führungspositionen vorlegen, sollten mit schärferen Sanktionen als bisher belegt werden.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5025747
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 10.09.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.