Franz Beckenbauer:Kaiser der Werbung

Tütensuppe, Weißbier, russisches Gas: Seit 46 Jahren schwört die Werbeindustrie auf Franz Beckenbauer. Dabei verstößt er gegen die goldene Regel der Branche.

Uwe Ritzer und Angelika Slavik

Am Anfang hieß er "Franz", dann "Beckenbauer" und seit 1998 "Kaiser 5". De facto ist es derselbe Fußballschuh geblieben, optisch jedenfalls. Keiner dieser modernen Treter aus grell gefärbtem Kunststoff, sondern ein ganz konservatives Teil: Schwarzes, robustes Kunstleder mit drei weißen Streifen am Schaft. Die Sohle ist weiß, die Nocken sind schwarz. Der "Kaiser" ist eines der ältesten Fußballschuhmodelle des Sportartikelherstellers Adidas. Es gibt ihn seit Jahrzehnten - und er verkauft sich noch immer ziemlich gut.

Noch besser verkauft sich der Mann, der dem Schuh seinen Namen gab: Franz Beckenbauer, 66, ehemaliger Weltfußballer, Weltmeister als Spieler und Trainer, "Lichtgestalt", Medien- und Werbefigur. Vor allem aber ist der Mann seit Jahrzehnten seine eigene Marke. Nicht erst seit er seine Karrieren als Spieler und Trainer beendet hat, ist der Sohn eines Oberpostsekretärs aus München-Giesing Deutschlands Werbe-Ikone schlechthin.

Beckenbauer ist eine Werbemaschinerie

Bei Adidas, dem Hersteller des Fußballschuhs "Kaiser", nahmen sie den jungen Beckenbauer bereits Mitte der sechziger Jahre unter Vertrag. Auch für Erdinger Weißbier wirbt er schon lange. Neulich erst war er für die Brauerei spektakulär unterwegs: Beckenbauer besuchte die Familie Ruppert aus Erlangen-Hüttendorf und schaute mit ihr und deren Freunden das Spiel der Deutschen gegen die Dänen. Zwischendurch schrieb er Autogramme, posierte für Fotos, aß fränkische Bratwürste und trank alkoholfreies Weißbier der Marke, die im Rahmen eines Gewinnspiels die ganze Aktion initiiert hatte. Die Familie Ruppert aus Erlangen-Hüttendorf hatte gewonnen. Und Franz Beckenbauer aus München-Giesing, der auch. Es war mal wieder ein guter Tag für die Werbemaschinerie Beckenbauer.

Die Partner im Leben des Franz Beckenbauer kommen und gehen: Aral, Mitsubishi, Mercedes-Benz, Deutsche Post, Erdinger, E-Plus, O2. Das sind nur einige der Marken, denen Beckenbauer schon sein Gesicht geliehen hat. Dabei gibt es in der Werbebranche eine goldene Regel: Drei Marken pro Promi, maximal. Wirbt eine Persönlichkeit, und sei sie noch so bekannt und beliebt, für mehr als drei verschiedene Produkte, ginge die Werbewirkung verloren, heißt es. Die Menschen könnten sich mehr als drei Marken zum gleichen Gesicht nicht merken, sagt die Werbeforschung, zudem wären sie irgendwann genervt von soviel Präsenz.

Aber das sind die Regeln für andere. Für normale Promis. Drei Werbeverträge, nicht mehr. Beckenbauer? Für den gelten solche Regeln nicht. Zwischenzeitlich soll er sieben Verträge gleichzeitig gehabt haben. "Der Franz kann nicht Nein sagen", erzählt einer, der ihn lange und gut kennt. Und die Werbeindustrie, die kann nicht Nein zu ihm sagen.

"Er strahlt Glaubwürdigkeit aus"

Dabei ist so ein Beckenbauer eine teure Angelegenheit. Für Auftritte in nennenswertem Umfang - "unter einer siebenstelligen Summe wird da nichts zu machen sein", sagt Peter Ehm, Marketingexperte aus München. Zumal Franz Beckenbauer ein Naturtalent in Sachen Werbung sei. "Er strahlt eine ungeheuere Glaubwürdigkeit aus und ist keine Kunstfigur", sagt Ehm.

46 Jahre geht das jetzt schon so. Dabei wurde er am Anfang noch verlacht und verspottet. 1966 war das und der junge Beckenbauer schickte sich an, einer der Stars der Fußballweltmeisterschaft im gleichen Jahr zu werden. Da kam die Fleischklößchensuppe von Knorr auf den Tisch. "Kraft auf den Teller, Knorr auf den Tisch", sprach Beckenbauer in die Schwarz-Weiß-Kameras. Gedreht wurde in seinem eigenen Wohnzimmer, ein paar Durchläufe, das war's. 12.000 D-Mark Gage bekam er damals dafür und ein bisschen Häme: Als "Suppenkaspar" wurde er verspottet.

"Mister 20 Prozent"

Robert Schwan ließ sich von alledem nicht irritieren. Er war väterlicher Freund und geschäftstüchtiger Manager zugleich - letzteres sowohl von Bayern München, als auch von Beckenbauer persönlich. Eine heutzutage undenkbare Doppelfunktion. Die Boulevardpresse nannte Schwan "Mister 20 Prozent" in Anspielung auf seine kolportierte Provision an Beckenbauers Verträgen.

Bei Bayern München sah man die vielfältigen Engagements des Spielers, Trainers, Präsidenten und heutigen Ehrenpräsidenten nicht immer mit Freude. Denn bisweilen kamen sich die Werbepartner des Vereins mit denen ihres berühmtesten Aushängeschildes Beckenbauer in die Quere. Der warb für Mitsubishi und Mercedes, während der FC Bayern hoch dotierte Verträge mit Opel und Audi abschloss. Die Spieler warben für Paulaner, Beckenbauer gab das Erdinger-Testimonial. Die Sponsoren des FC Bayern mussten mehr als einmal schlucken, dass "der Kaiser" mal eben kühl lächelnd bei der Konkurrenz unterschrieb.

Nicht alle fanden das lustig, auch nicht beim Verein selbst - Uli Hoeneß etwa, der frühere Manager und heutige Vereinspräsident soll über Beckenbauers Aktivitäten verärgert gewesen sein. Dessen Auftritte für Mobilfunkunternehmen brachten gleich doppelt Zoff: Erst mit dem FC Bayern, dessen Trikotsponsor die Deutsche Telekom war. Und dann durch Beckenbauers Wechsel: Er warb erst jahrelang für E-Plus - und dann, plötzlich, für die Konkurrenz von O2. Sogar den Werbeslogan nahm er einfach mit: "Ja is' denn heut' scho' Weihnachten?" Das gab Ärger zwischen den beiden Firmen - aber Beckenbauer? An ihm perlte alles ab, wie immer. "Teflon-Franz" nennt ihn ein Werber. "Der kann machen, was er will, die Leute glauben ihm alles."

Beckenbauer verkörpert, wonach sich alle sehnen

Robert Schwan starb 2002. Für Franz Beckenbauer ein schwerer persönlicher Schlag. Geschäftlich nahm alsbald Marcus Höfl die Zügel in die Hand, seit gut einem Jahr Ehemann der Ski-Rennläuferin Maria Riesch-Höfl. Angeblich wurden die beiden von Beckenbauer verkuppelt. Der kennt Marcus Höfl seit dessen Kindertagen. Auf der Homepage seiner in Kitzbühel angesiedelten Agentur verweist Höfl darauf, dass er "das exklusive Management und der alleinige Rechteinhaber" auch der Marke Franz Beckenbauer sei.

Und dafür, für die Marke Beckenbauer, zahlt nun auch die russische Gasgesellschaft RGO, die eng verwoben ist mit dem umstrittenen Gazprom-Konzern. Beckenbauer soll das Image der russischen Gasindustrie aufpolieren. Kann das funktionieren? Jochen Rädeker, der Chef des Kreativverbands ADC, glaubt daran: "Franz Beckenbauer ist wie kein anderer ein nationales Idol. Er verkörpert Erfolg und Lockerheit, also das, wonach sich alle sehnen." Deshalb kauft Deutschland, was er sagt. Und das seit 46 Jahren.

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