Frankreich:Siemens kann später bei Alstom einsteigen

Die EU-Kommission will privaten Wettbewerbern wie dem Siemens-Konzern den Einstieg beim angeschlagenen französischen Alstom-Konzern ermöglichen.

Von Alexander Hagelüken und Gerhard Bläske

Der französische Mischkonzern Alstom mit mehr als 100.000 Mitarbeitern steckt seit längerem in finanziellen Schwierigkeiten. EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti wird womöglich bereits an diesem Montag über eine Finanzhilfe von 3,2 Milliarden Euro entscheiden, die dem Bahntechnik-, Energie- und Werftunternehmen auf die Beine helfen soll.

Die Genehmigung des Rettungsplans steht außer Zweifel. Dabei wird Monti nach Informationen der Süddeutschen Zeitung Auflagen zur Bedingung machen, die der französischen Regierung nicht gefallen dürften.

So muss sich Alstom im Laufe der nächsten zwei bis drei Jahre industrielle Partner suchen, um seine Überlebensfähigkeit zu sichern. Diese Partner sollen "Technik und Geld liefern", berichten Verhandlungskreise. Damit ist der Weg für den Einstieg von privaten Wettbewerbern wie dem Münchner Siemens-Konzern frei.

Minister Sarkozy verärgert

Ausdrücklich will Monti festschreiben, dass die industriellen Partner keine Staatsunternehmen sein dürfen.

Das durchkreuzt den Wunsch der Regierung in Paris, Alstom als rein nationales Unternehmen zu erhalten, etwa durch den Einstieg des staatlichen Nuklearkonzerns Areva.

Der französische Finanzminister Nicolas Sarkozy soll über das Verbot einer staatlichen Lösung verärgert sein, ist zu hören.

Der Siemens-Konzern ist vor allem am Gasturbinen-Geschäft von Alstom interessiert. Eine Beteiligung soll helfen, zum Marktführer General Electric aufzuschließen.

Zeitungsberichte, wonach Siemens die komplette Verkehrstechniksparte inklusive der TGV-Schnellzüge kaufen wolle, wurden am Wochenende dementiert. "Das ist absoluter Quatsch", hieß es in Siemens-Kreisen. "Eine solche Übernahme würde die EU-Kommission aus Wettbewerbsgründen niemals genehmigen".

Siemens hat mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof gedroht, falls Monti das Sanierungspaket für Alstom ohne scharfe Auflagen genehmigt.

Auch Mitsubishi und GE sollen Interessen haben

Ob das Münchner Unternehmen bei dem französischen Konzern zum Zug kommt, muss sich erst zeigen. Wettbewerbskommissar Monti wird in seiner Entscheidung, die am Mittwoch die ganze 20köpfige Kommissionsspitze absegnen muss, keine Namen einzelner Wettbewerber nennen, die sich an Alstom beteiligen sollen.

Ihm geht es nur darum, Nachteile für Konkurrenzunternehmen durch die Finanzspritzen für Alstom zu vermeiden.

Somit bleibt es dem Unternehmen und dem französischen Staat als Anteilseigner überlassen, eine zukunftsfähige Lösung für den Konzern zu finden. Interesse an Unternehmensteilen wird auch Mitsubishi oder General Electric nachgesagt.

Monti erwartet offenbar, dass sich Alstom nicht nur einen industriellen Partner sucht. Selbst der Areva-Konzern könnte wieder ins Spiel kommen, wenn er privatisiert wird. Die derzeitige Unternehmenschefin wehrte sich allerdings gegen den Plan der Regierung in Paris, Areva solle Alstom ganz übernehmen.

Als erste Bedingung für den Rettungsplan wird Monti fordern, dass Alstom Aktivitäten mit einem Umfang von 1,5 bis zwei Milliarden Euro abstößt. Die genaue Summe ist noch strittig, sie hängt davon ab, an welchem Geschäftsjahr sich die Entscheidung orientiert.

Wie viele Aktivitäten genau abgestoßen werden müssen, war am Wochenende zwischen Brüssel und Paris noch strittig. Dieser Teil der Entscheidung gilt aber als wenig problematisch, weil er keine Zerschlagung des Konzerns bedeutet. Stattdessen muss das Unternehmen nur Randaktivitäten etwa aus dem Bahntechnik-Bereich abgeben.

In Brüssel gibt es nach einem Bericht des Magazins Focus Befürchtungen, dass der französische Staat trotz der Auflagen eine stärkere Rolle bei Alstom spielen könnte als erwünscht.

Als Eigentümer von 20 Prozent der Anteile (ab Herbst) könnte der Staat demnach ständig Kapital in das Unternehmen pumpen, so die Sorge, ohne dass Brüssel einschreiten könne, wenn Paris die anderen Anteilseigner zu einem ähnlichen Vorgehen überreden könne.

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