Frankreich:Sex gegen Hilfe

Frankreich: Gérald Darmanin, Jungstar der Regierung Macron gibt sich gern seriös.

Gérald Darmanin, Jungstar der Regierung Macron gibt sich gern seriös.

(Foto: Francois Mori/AP)

Frankreichs Budgetminister Gérald Darmanin bestreitet den Vergewaltigungsvorwurf und bangt um seinen Posten.

Von Leo Klimm, Paris

Der Mann verkörpert Seriosität. Er ist Frankreichs oberster Haushälter. Der Minister, der die Neuverschuldung unter den EU-Grenzwert von drei Prozent der Wirtschaftsleistung gedrückt hat. Doch nun gerät Gérald Darmanin, der fleißige und eloquente Budgetminister von Präsident Emmanuel Macron, in ziemlich schiefes Licht: Eine Frau bezichtigt ihn, sie 2009 vergewaltigt zu haben. Auf einmal steht der Minister im Mittelpunkt einer schmutzigen Affäre um sexuelle Gewalt, Call-Girls und Swinger-Clubs.

Darmanin zeigt sich entrüstet, spricht von Verleumdung. Der erst 35-jährige Jungstar der Regierung, der aus einfachsten Verhältnissen aufgestiegen ist, muss um seinen Posten bangen. Noch stützt ihn Macron, ungeachtet der in Frankreich heftig geführten Me Too-Debatte um sexuellen Machtmissbrauch. Und der Premierminister beteuert "volles Vertrauen". Er verweist auf die Regel, der zufolge Minister erst zurücktreten müssen, wenn sie formal eines Vergehens beschuldigt werden.

Sollte Darmanin über die brisanten Vorwürfe stolpern, wäre er als Person zwar leicht zu ersetzen. Er mag für den Kern von Macrons Wirtschaftspolitik stehen, für Steuersenkungen und Schuldenbekämpfung. Die präzisen Vorgaben des Präsidenten können andere aber genauso gut umsetzen. Politisch wäre ein Rücktritt Darmanins dennoch eine schwere Niederlage für Macron: Der Budgetminister ist eines von drei Regierungsmitgliedern, die der Staatschef nach seiner Wahl Mitte 2017 bei den oppositionellen Konservativen abwerben konnte. Eine politische Trophäe.

Worum geht es in der Darmanin-Affäre, die fatal an den Fall eines anderen französischen Finanzpolitikers erinnert, des Ex-Chefs des Internationalen Währungsfonds Dominique Strauss-Kahn?

Es ist März 2009, als Sophie Spatz - die zu diesem Zeitpunkt ihr früheres Leben als Prostituierte schon hinter sich gelassen hat und verheiratet ist - die damalige Regierungspartei UMP um Hilfe in einem Rechtsstreit bittet. Einige Jahre zuvor war sie zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Spatz erträgt diese Verurteilung nicht, wie sie nun in Le Monde schildert, und wendet sich an die UMP. In der Hoffnung, die Konservativen würden in ihrem Sinn bei der Justiz intervenieren. Bei der UMP nimmt sich der junge Darmanin der Sache an. Aus den Unterlagen, die Spatz ihm überlässt, geht ihr Ex-Job hervor.

"Er hat mir gesagt, dass er helfen würde", erzählt Spatz heute. Darmanin dringt schnell auf ein gemeinsames Abendessen, bei dem er ihrer Darstellung zufolge klar macht, dass er sexuelle Gefälligkeiten erwartet: "Sie werden mir auch helfen müssen!", soll Darmanin flüstern. Nach dem Essen soll er sie dann erst zum Besuch des "libertinären" Pariser Clubs Chandelles drängen und dann zu einer gemeinsamen Nacht im Hotel. "Ich war eine Geisel", sagt Spatz. "Ich hab mir gedacht, dass ich das machen muss." Ihrer Aussage nach hat sie vergeblich deutlich gemacht, dass sie eigentlich keinen Sex mit Darmanin möchte. Auch ein SMS-Wechsel, der ihre nun erstattete Anzeige stützt, soll ihren Widerwillen beweisen. Darin erklärt sie in drastischer Sprache, wie viel Überwindung sie der Beischlaf gekostet habe und dass sie das nur erduldet habe, damit er ihr helfe. "Du hast recht, ich bin zweifellos ein dreckiger Idiot", lautet Darmanins SMS-Antwort.

Der Minister bestreitet die Vorwürfe nun vehement. Er gesteht nur ein, dass er gegenüber Frauen "etwas leichtfüßig" sei und "etwas plumpe SMS verschickt" hat. Mit einer Verleumdungsklage geht er zum Gegenangriff über. Seine Anwälte ziehen Spatz' Glaubwürdigkeit in Zweifel, indem sie auf ihre Verurteilung wegen Erpressung verweisen. Politische Freunde Darmanins unterstellen der 46-jährigen Frau gar, sie sei Teil einer Kampagne, mit der sich die Bürgerlichen dafür rächen, dass der Jungpolitiker zu Macron übergelaufen ist. Sicher ist: Die Konservativen fordern Darmanins Rücktritt. Genau wie feministische Bewegungen, die eine Online-Petition gestartet haben. Sie erinnern Macron an sein Versprechen, den Kampf gegen sexuelle Gewalt zur Priorität zu machen.

Über Darmanins Schicksal dürften aber die Ermittler entscheiden: Vorausgesetzt, Darmanin hält dem wachsenden politischen Druck stand, kann er wohl weiter über Frankreichs Finanzen wachen, solange er nicht wegen Vergewaltigung beschuldigt wird. Dazu müssen die Ermittler es für plausibel halten, dass der Geschlechtsverkehr in jener Nacht im März 2009 nicht einvernehmlich war. In einem schwachen Moment hat Darmanin schon gesagt, was er tut, sollte seine politische Blitzkarriere jäh abbrechen: Er will dann eine Weinbar in der Toskana aufmachen.

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