Frankreichs Bonität:Sarkozy schaltet in Krisenmodus

Die Zweifel an Frankreichs Bonität wachsen. Eigentlich wollte Nicolas Sarkozy den Urlaub genießen - jetzt eilt er zurück nach Paris. Um die Märkte zu beruhigen, will der Präsident eisern sparen. Und könnte sich so reichlich Probleme einhandeln.

Michael Kläsgen, Paris

Das hat es in der Geschichte der fünften Republik noch nicht gegeben: Der Staatspräsident musste seinen Urlaub abbrechen - wegen der Schuldenkrise. Nicolas Sarkozy eilte nach Paris, weil Frankreich fürchten muss, die Bestnote für seine Kreditwürdigkeit zu verlieren, so wie es vorige Woche die USA erleiden musste.

Nicolas Sarkozy

Nicolas Sarkozy beim Fahrradausflug in der Nähe von Cavaliere sur Mer. Jetzt hat er seinen Urlaub vorzeitig abgebrochen und in den Krisenmodus geschaltet.

(Foto: AP)

Die Weltwirtschaft kühlt ab, und daher schwächelt auch die französische Konjunktur. Ohne Wachstum wird es aber viel schwieriger, wie beabsichtigt zu sparen. Die Regierung will deswegen noch härter die Ausgaben kürzen, und das neun Monate vor den Wahlen.

Man kann es drehen und wenden, wie man will, aber am Ende waren es die Finanzmärkte, die Sarkozy zurückbeorderten in den Elysée-Palast. Sie waren es auch, die ihn zuvor davon abgehalten hatten, früher zurück nach Paris zu kommen, so stellt es jedenfalls der Elysée-Palast dar.

Sarkozy habe keine Panik verbreiten wollen mit einer hastigen Rückkehr, hieß es. Und als er schließlich da war in Paris, gab der Elysée erst dann bekannt, dass es eine Krisensitzung gibt, als die Börsen in Europa am Mittwoch schon geöffnet hatten.

Wer hier inzwischen das Sagen hat, steht damit fest: die großen internationalen Anleger, Pensionsfonds und Staatsanleihenhändler. Sie wollen von Frankreich eine klare Ansage darüber, wie das Land den Schuldenberg wieder abtragen will.

Sarkozy reagierte auf diesen Druck, wie man es von ihm kennt: Er trommelte in einer Nacht- und Nebelaktion seine wichtigsten Minister zusammen. Er zitierte nicht nur den Finanzminister und die Haushaltsministerin herbei. Anreisen mussten, woher auch immer, ebenso der Premierminister, der Außenminister, der Europaminister und obendrein der Notenbankchef.

Sarkozy selbst war am späten Dienstagabend von Cap Nègre am Mittelmeer aufgebrochen, wo er eigentlich in der Residenz seiner Schwiegereltern die Ferien mit seiner schwangeren Frau Carla Bruni genießen wollte.

Die "Arbeitssitzung" dauerte schließlich mehr als zwei Stunden und damit wesentlich länger als geplant, was den Krisencharakter weiter unterstrich. Keiner der Strategen im Elysée-Palast hatte noch vor wenigen Tagen mit seiner solchen Zuspitzung der Lage gerechnet. Sonst wären die Baugerüste ringsum im Innenhof des Palasts Ende Juli nicht aufgestellt worden.

Warum der Sparkurs Sarkozy schaden könnte

Finanzminister François Baroin wirkte etwas verloren, als er nach der Sitzung zwischen den hohen Stangen der Gerüste stehend eine kurze Erklärung abgab. Sie war klar an die Märkte gerichtet: "Der Staatschef hat in Erinnerung gerufen, dass das Engagement zur Defizit-Reduzierung der öffentlichen Haushalte unantastbar ist und unabhängig von der wirtschaftlichen Lage gehalten wird", sagte er und zitierte damit den entscheidenden Satz aus einem Kommuniqué, das der Elysée anschließend veröffentlichte. "Definitive Entscheidungen", also ein konkretes Sparprogramm, will die Regierung in zwei Wochen vorlegen.

Am Mittwoch kommender Woche tagt die nächste Krisenrunde, um die Beschlüsse vorzubereiten. Den Worten von Haushaltsministerin Valérie Pécresse war zu entnehmen, dass es sich vor allem um das Stopfen von Steuerschlupflöchern drehen wird. Die anstehende Aufstellung des Haushalts für das Wahljahr 2012 wird ihr zufolge zur Quadratur des Kreises.

Frankreich muss demnach Ausgaben kürzen und das Defizit herunterfahren, um die Märkte und auch seine europäischen Partner zu beruhigen. Es will aber auch vermeiden, dem äußerst schwachen Wirtschaftswachstum den Garaus zu machen. Der Regierung ist zudem klar, dass der politische Preis für eine rigorose Sparpolitik hoch sein könnte.

Potentielle Profiteure eines Kahlschlags lauern schon. Kurz nach Sarkozy kehrte Marine Le Pen, die Kandidatin der rechtsextremen Front National, vorzeitig aus den Ferien zurück, um an diesem Donnerstag ihre Meinung zur Krise kundzutun. Für Sarkozy werden die Monate bis zur Wahl eine Gratwanderung werden.

Zumindest die Sozialisten, seine größten Widersacher, scheinen aber in die Falle zu tappen, die er ihnen aufstellte. Sarkozy will noch vor den Wahlen eine Einigung darüber erzielen, eine Schuldenbremse nach deutschem Vorbild in der Verfassung zu verankern.

Dazu ist die Zustimmung der Sozialisten erforderlich. Die sechs Kandidaten der PS, die sich einer parteiinternen Vorwahl stellen, sind sich keineswegs einig, wie sie reagieren sollen. Stimmen sie zu, degradieren sie sich zu Erfüllungsgehilfen Sarkozys. Verweigern sie sich, gelten sie als unsichere Kantonisten.

Jetzt streiten sie, ganz so wie Sarkozy sich das vorstellte.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: