Frankreich:Prognose runter, Schlupflöcher zu

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Aufschwung? Nicht in Frankreich. Die Regierung um Präsident Nicolas Sarkozy will deshalb die Ausgaben kürzen - um weitere zehn Milliarden Euro.

Michael Kläsgen

Sie sahen eher nach Urlaub aus, als sie am Freitagvormittag das Fort de Brégançon am Mittelmeer betraten. Frankreichs Premierminister François Fillon trug beige Freizeithosen und Wirtschaftsministerin Christine Lagarde ein kleines braunes Täschchen, in das kein DIN-A-4-Blatt passte. Nicolas Sarkozy grüßte Schaulustige per Handschlag, bevor er hinauf in die Sommerresidenz der französischen Präsidenten stieg. Er hatte von allen Teilnehmern den kürzesten Weg, da er noch bis Dienstag in der Villa seiner Frau nebenan am Cap Nègre urlaubt.

Nicolas Sarkozy muss deutlich sparen - zehn Milliarden sollen es sein. (Foto: AP)

Doch was die Regierung nach zweieinhalbstündiger Sitzung entschied, entsprach nicht der sommerlichen Idylle: Sie will im Haushalt 2011 zusätzliche zehn Milliarden Euro einsparen. Steuerfreibeträge für bestimmte Vermögensanlagen wie Lebensversicherungen werde man kappen, kündigte der Elysée-Palast in Paris nach der Sitzung an, und andere der knapp 500 Steuerschlupflöcher in Frankreich ganz streichen. Die Staatsausgaben würden in den kommenden drei Jahren, die Gehälter der knapp fünf Millionen Beamten im Jahr 2011 eingefroren.

Die Prognose für das Wirtschaftswachstum 2011 schraubte der "Kriegsrat", wie französische Medien das Treffen auf der Trutzburg nannten, von 2,5 auf zwei Prozent nach unten. Und dies ist mehr als nur Makulatur. Nach Angaben der Regierung bedeutet ein Sinken des Wachstums um 0,1 Prozentpunkte Steuermindereinnahmen von etwa einer Milliarde Euro. Damit Frankreich sein Haushaltsdefizit von in diesem Jahr geschätzten acht Prozent auf sechs Prozent 2011 herunterfahren kann, sind daher weitere Einsparungen erforderlich. Noch hat Frankreich keine Schwierigkeiten, sich zum Abbau seiner Schulden Geld auf dem Kapitalmarkt zu günstigen Bedingungen zu besorgen. Doch die Ratingagentur Moody's hatte am Dienstag angedeutet, dass Frankreich wie auch Deutschland und die USA zusätzliche Sparbemühungen unternehmen müssten, damit sie sich der Bestnote AAA sicher sein könnten.

Frankreich hat im Vergleich etwa zu Deutschland das Problem, dass sein Wachstum nicht in gleichem Maße anzieht. Im zurückliegenden Quartal stieg es um 0,6, in Deutschland um 2,2 Prozent. Experten erwarten vorerst keine grundlegende Verbesserung. In diesem Jahr soll das Plus bei 1,4 Prozent liegen. Dieses Wachstum halten Ökonomen für zu gering, um Arbeitsplätze in nennenswerter Menge zu schaffen. Verharrt die Beschäftigtenzahl jedoch auf niedrigem Niveau, nimmt der Staat weniger Steuern ein. Andererseits will Sarkozy, um das Defizit wie geplant bis 2013 auf den in der EU erlaubten Wert von drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu verringern, keinesfalls die Steuern erhöhen. Auch das teilte der Elysée ausdrücklich mit. Frankreich wartet also bis auf weiteres auf den Aufschwung.

Aufmerksam verfolgten französische Medien, dass Deutschland wegen des starken Wachstums womöglich schon ein Jahr früher als gedacht das Maastrichter Defizit-Kriterium einhalten könnte. Um über die jeweiligen Sparkurse und Budgets für 2011 zu beraten, will Frankreichs Haushaltsminister François Baroin, der in Brégançon ebenfalls zugegen war, am Dienstag in Berlin Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) besuchen.

© SZ vom 21./22.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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