Frankreich:Plötzlich recht freundlich

Macron trifft Gewerkschaftsvertreter

Emmanuel Macron (hinten Mitte) spricht mit Gewerkschaftsvertretern über anstehende Sozialreformen und die Armutsbekämpfung.

(Foto: Jean-Francois Badias/dpa)

Präsident Emmanuel Macron sucht den Dialog mit den Gewerkschaften und den Arbeitgebervertretern. Er braucht sie.

Von Leo Klimm, Paris

Alleingänge im Höchsttempo waren bisher Emmanuel Macrons liebste Art, Wirtschafts- und Sozialpolitik zu machen. Frankreichs Präsident entschied, das Parlament folgte. Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände waren höchstens Statisten.

Nun vollzieht der junge Staatschef eine kleine, aber bemerkenswerte Korrektur: Zu Beginn der nächsten Serie von Reformen, die Macron im zweiten Amtsjahr plant, will er die Gewerkschaften und Verbände stärker einbinden. Der Präsident bemüht sich, die Sozialpartner in Frankreich wieder aufzuwerten, für die er bisher eher wenig Hochschätzung zeigte.

So jedenfalls deuten acht Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände ein Spitzentreffen, zu dem sie Macron am Dienstag einlud - und im Élysée-Palast widerspricht man dieser Deutung nicht. Macron selbst äußerte sich nach dem Treffen nicht, hatte die Begegnung aber vergangene Woche als Ausgangspunkt für einen "neuen Sozialvertrag" angekündigt, mit dem er Frankreichs Wohlfahrtsstaat modernisieren wolle. Inhaltlich lässt der veränderte Umgang mit den Sozialpartnern allerdings keine Abkehr vom liberalen Kurs erkennen - wenngleich der Präsident den Schwerpunkt in seinem zweiten Amtsjahr auf die Sozialpolitik legen möchte.

"Allein kommt man vielleicht schneller voran, aber dafür kommt man längst nicht so weit", stichelte Laurent Berger, der Chef der größten französischen Gewerkschaft CFDT, am Dienstag gegen Macron. Berger gilt eigentlich als reformfreundlich, zeigte sich zuletzt aber enttäuscht über den schwierigen Austausch mit Macron und seiner Regierung. Auch der neue Präsident des Arbeitgeberverbands Medef, Geoffroy Roux de Bézieux, übt Kritik: "Diese Regierung geht hohes Tempo, unterbreitet enorm viele Reformen. Wir kommen nicht mehr mit", klagte Roux de Bézieux kurz vor dem Treffen mit dem Staatschef.

Während der anschließenden Begegnung bezeugte der Präsident offensichtlich seinen ernst gemeinten Willen zur Zusammenarbeit. Denn Gewerkschaften wie Arbeitgeber äußerten sich danach überwiegend versöhnlich. "Wir haben bei Macron einen Willen gespürt, zum Dialog zurückzukehren", sagte Gewerkschafter Berger. Die Arbeitgeber sprachen gar von einer "echten Wende".

Es sind vor allem die Gewerkschaften, die seit Macrons Amtsantritt einstecken mussten: Selbst mit massiven Streiks konnten sie ihm keine Zugeständnisse bei der Reform der Bahn SNCF abtrotzen, mit der das Staatsunternehmen auf Wettbewerb im Schienenverkehr vorbereitet wird. Auch bei einer Ausbildungsreform und bei der Lockerung des Arbeitsrechts, die Betrieben mehr Freiheiten einräumt, wurden sie kaum gehört.

Nun bereitet Macron allerdings Reformen vor, die politisch noch heikler sind - und gegen die sich schnell breiterer Widerstand in der Bevölkerung regen könnte. Sowohl eine Rentenreform, mit der die Ruhestandsbezüge anders errechnet werden sollen, als auch der angekündigte Stellenabbau im Staatsdienst könnten erhebliche Proteste hervorrufen. Auch das dürfte für Macron ein Motiv sein, das Verhältnis zumindest zu den gemäßigten Arbeitnehmervertretern zu verbessern.

Seinem Wunsch zufolge sollen Gewerkschaften und Arbeitgeber in diesem Herbst außerdem neue Regeln für die Arbeitslosenversicherung aushandeln. Der Präsident wolle, heißt es im Élysée, stärkere Anreize für Arbeitslose, Jobs anzunehmen. Zugleich wolle er die weit verbreitete Praxis von Unternehmen beschränken, Mitarbeiter mit sehr kurz laufenden befristeten Kettenverträgen zu beschäftigen. Die Regierung droht den Arbeitgebern deshalb mit Sanktionen - was ihre Lobbyisten unbedingt abwenden wollen. Um Arbeitslosigkeit und prekäre Beschäftigung zu bekämpfen, versucht Macron nicht zuletzt, große Unternehmen direkt in die Pflicht zu nehmen. So traf er am Dienstag die Vertreter von etwa 100 großen Unternehmen, denen er Anreize bieten will, verstärkt in ländlichen und strukturschwachen Gebieten Jobs zu schaffen.

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