Süddeutsche Zeitung

Frankreich: Lagardère und Forêt:Der Manager und das Model

Frankreichs wichtigster Medienmanager Arnaud Lagardère zelebriert seine Liebe mit der 30 Jahre jüngeren Jade Forêt öffentlich: Sie knutschen bei den French Open und stellen ein Liebesvideo ins Internet. In Frankreich fragt man sich, ob so ein Turteltäubchen einen Großkonzern leiten kann - und Anteile am Rüstungsunternehmen EADS halten sollte.

Michael Kläsgen

Ach, Arnaud, musste das sein, dieses Video? Hohn und Spott ergießen sich nun über den Firmenerben, dem die Liebe augenscheinlich den Verstand raubte. Offen diskutieren Mitarbeiter, Aktionäre und Kommentatoren die Frage, ob Arnaud Lagardère, 50, Frankreichs größten Medienkonzern mit fast 30.000 Beschäftigten noch führt, geschweige denn führen kann oder sollte.

Auch Deutschland geht das insofern an, als Lagardère - neben Daimler - der größte private Aktionär des deutsch-französischen Luftfahrtkonzerns EADS ist. Also führt er noch? Ein ranghoher Mitarbeiter in Paris behauptet: "Seit sechs Monaten ist die Gruppe außer Betrieb. Arnaud sagt alle Termine ab oder verschiebt sie."

Es handelt sich um genau jene Monate, von denen Lagardère in dem Video schwärmt. Es ist die Antwort auf die Frage, warum dieses dreiminütige Filmchen überhaupt gedreht wird. "Um uns zu bekennen und zu zeigen, dass es ernst ist", säuselt Lagardère in die Kamera und gibt der schönen jungen Frau neben ihm einen Kuss, dem gleich der nächste folgt. Jade Forêt, das belgische Fotomodel, hat den Manager sichtlich betört.

Sie ist 30 Jahre jünger als er, dafür aber fast einen Kopf größer, zumindest wenn sie, wie oft, auf turmhohen Absätzen steht. Ihre Beine sind noch viel, viel länger als ihr Haar, und ihr Dekolleté lässt bisweilen sehr tief blicken. Das war vor wenigen Wochen auch beim French- Open-Tennisturnier Roland Garros zu besichtigen, wo das Paar heftig turtelnd in den ersten Rängen saß.

Im Konzern sind viele konsterniert. "Alle sagen, Liliane Bettencourt gehört unter Vormundschaft. Und Arnaud Lagardère? L'Oréal wird wenigstens noch geführt", ätzt ein Manager in der französischen Presse in Anspielung auf die greise Erbin des Kosmetikkonzerns, die seit Jahren für Wirbel sorgt. Der Süddeutschen Zeitung verrät ein anderer: "Lagardère wird ohnehin seit Jahren im Prinzip von Dominique D'Hinnin geleitet." Das heißt, vom treuen Finanzchef, der noch vor dem plötzlichen Tod von Jean-Luc Lagardère zum Konzern kam.

Der Alte hatte alles aufgebaut, quasi aus dem Nichts. Noch acht Jahre nach seinem Tod lebt der Mythos vom erfolgreichen Selfmademan Jean-Luc Lagardère fort. Für den Sohn war er stets ein Übervater und die Legende von seinen Großtaten eine Last. Des einen Erfolg war des anderen Bürde. Dort das Genie, hier der Dilettant. Für die Luftfahrt, gar die Rüstung, aber auch die Zeitschriften und Zeitungen aus seinem Haus konnte Arnaud sich nie begeistern. Er erweckte auch nie den Anschein, gern Chef zu sein.

Er wollte immer anders sein als der Rest

Ihn interessieren vor allem der Sport und neue Technologien. Aus EADS wäre er längst ausgestiegen, wenn dies nicht so kompliziert wäre. Er muss sich mit Daimler abstimmen, beide wiederum müssen auf die Politik hören. Sie sind einem Aktionärspakt verpflichtet. Freilich lässt das Video auch bei EADS kaum jemanden kalt. "Er wird einfach nicht erwachsen", klagt ein Mitarbeiter.

Besonders schroff reagierte der franko-amerikanische Aktionär Guy Wyser-Pratte. Der Firmenjäger hatte voriges Jahr vergeblich versucht, die Rechtsform des Lagardère-Konzerns zu sprengen, die dem Erben die Kontrolle sichert. Das Video ist ein gefundenes Fressen für ihn. "Er macht sich lächerlich. Er ist nicht auf der Höhe, er verhält sich wie ein Narr", sagte er der Zeitung Le Monde.

Lagardère wollte immer anders sein als der Rest der Patrons, die alle dieselben Pariser Eliteschulen besucht haben. Aber diese Art des Andersseins gereicht ihm kaum zum Vorteil. Ein verhängnisvoller Satz wird nun gern zitiert: Er fiel, als Lagardère gefragt wurde, ob er als Verwaltungsrat von den Verzögerungen beim Bau des Großflugzeugs A380 wusste: "Ich habe die Wahl, für einen unehrlichen oder für einen inkompetenten Manager gehalten zu werden, der nicht weiß, was in seinen Fabriken vor sich geht. Ich stehe zu Letzterem."

An der Fähigkeit, Frankreichs größten Medienkonzern zu leiten, wird jetzt offen gezweifelt. Doch Lagardère scheint das nicht zu scheren. Er schweigt zu dem Geraune. Dafür meldete sich seine Freundin zu Wort: "Das Video ist tatsächlich kitschig. Als wir es entdeckten, mussten wir sehr lachen, so lächerlich wirken wir." Immerhin.

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Quelle:
SZ vom 27.07.2011/jab
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