Frankreich ermittelt:Verdacht der Steuerflucht nach Liechtenstein

Nicht nur Privatanleger haben in Liechtenstein Steuern gespart, nun ermittelt die französische Justiz auch gegen drei große Konzerne - darunter Adidas.

M. Kläsgen u. U. Ritzer

Unmittelbar vor dem G-20-Gipfel in London, der sich mit dem Kampf gegen Steueroasen beschäftigen wird, gerät Liechtenstein abermals ins Blickfeld internationaler Ermittler. Die Justiz in Frankreich geht dem Verdacht nach, dass drei Konzerne, darunter der deutsche Sportartikelhersteller Adidas, mehrere Millionen Euro Steuern vor dem Fiskus in Liechtenstein versteckt zu haben. Als Vehikel sollen schwarze Kassen bei der Liechtensteiner Fürstenbank LGT gedient haben. Die Justiz in Paris bestätigte am Dienstag einen Bericht der Boulevardzeitung Le Parisien, wonach sie Vorermittlungen gegen den Reifenfabrikanten Michelin, den Erdölkonzern Total und Adidas einleiteten will.

Adidas, Reuters

Adidas bekommt Ärger mit der französischen Justiz.

(Foto: Foto: Reuters)

Der Sportartikelkonzern aus dem fränkischen Herzogenaurach reagierte überrascht. Bislang liege "weder der Adidas AG noch unserer französischen Tochtergesellschaft" eine Anfrage der französischen Justiz vor, sagte eine Sprecherin. Im übrigen weise man "jegliche Spekulationen in diesem Zusammenhang entschieden von uns." Von Seiten der Pariser Justiz hieß es, es handele sich um sechs Liechtensteiner Privatstiftungen, die in Verbindung mit Adidas stehen sollen. Bei einer soll es konkrete Spuren zu einem früheren Geschäftsführer des Unternehmens geben.

Die Ermittlungen gehen auf eine Anzeige des Pariser Wirtschafts- und Finanzministerium zurück. Nach Angaben der Pariser Staatsanwaltschaft geht es um einen "erheblichen Teil" jener einen Milliarde Euro, nach der französische Ermittler seit mehr als einem Jahr fahnden. Von insgesamt 200 mutmaßlichen Steuerhinterziehern sprach Haushaltsminister Eric Woerth Anfang 2008. Damals war die Affäre um den ehemaligen deutschen Postchef Klaus Zumwinkel aufgeflogen. Ermittler waren auf ihn aufmerksam geworden, nachdem ein LGT-Mitarbeiter Zumwinkels Kontodaten gestohlen und an den Bundesnachrichtendienst (BND) verkauft hatte. Aus diesem Bestand soll sich auch der Verdacht gegen Michelin, Adidas und Total ablesen lassen.

Total: Nur Tankstellen in Liechtenstein

Am Dienstag sagte Woerth, 64 der 200 Fälle seien bis heute untersucht worden. Die meisten davon beträfen Familienunternehmen, die bis zu 30 Jahre lang Konten bei der LGT geführt hätten. Die Hälfte der Inhaber seien inzwischen verstorben oder keine französischen Staatsbürger, weshalb die Steuerfahnder die Fälle nicht weiterverfolgten. Von der verbleibenden Hälfte hätten zwei Drittel ihre Steuerschuld inklusive Zinsen inzwischen beglichen und ein Bußgeld gezahlt.

Drei schwierige Fälle, die die Kompetenz der Steuerfahnder überschritten, habe er Mitte Dezember vergangenen Jahres der Staatsanwaltschaft übergeben, so der Minister. Die Ermittlungen werden durch das strenge Liechtensteiner Bankgeheimnis erschwert. Frankreich will nun den Druck auf das Fürstentum verstärken. Erst vor wenigen Tagen hat Liechtenstein angekündigt, künftig die OECD-Standards zu übernehmen und auch bei Steuerhinterziehung dem Ausland Amts- und Rechtshilfe zu leisten.

Der Total-Konzern wies die Anschuldigungen zurück. "Wir haben in Liechtenstein keine Aktivitäten außer zwei Tankstellen", sagte ein Sprecher. Betroffen soll die Elf Trading SA sein, ein Überbleibsel des französischen Ölkonzerns Elf Aquitaine. Dieser stand im Zusammenhang mit der Leuna-Raffinerie lange in Verdacht, Parteien und Gewerkschaften in Deutschland geschmiert zu haben. Total übernahm Elf im März 2000. Der Sprecher ergänzte, "eine Elf Trading SA genannte Gesellschaft nicht zu kennen". Ähnlich reagierte Michelin. Der Reifenhersteller soll über die Stiftung Copa Millionen am Fiskus vorbeigeschleust haben, ein Sprecher sagte jedoch: "Keiner im Haus kennt eine Stiftung namens Copa"

Total wies inzwischen einen Bericht zurück, wonach der Konzern in Liechtenstein eine Stiftung unterhalte, über die Gelder am Staat vorbei geschleust würden. Ein Sprecher sagte, das Unternehmen betreibe in dem Fürstentum lediglich zwei Tankstellen. Michelin teilte mit, man habe kein einziges Konto in Liechtenstein.

Auch Adidas dementiert: "Weder der Adidas AG noch unserer französischen Tochtergesellschaft liegt eine Anfrage der französischen Staatsanwaltschaft wegen Ermittlungen in Sachen Steuerhinterziehung vor. Wir weisen jegliche Spekulationen in diesem Zusammenhang entschieden von uns", sagte eine Konzernsprecherin auf Anfrage von sueddeutsche.de.

Laut Woerth hat sich der französische Staat mit einer Reihe von Unternehmen in der Affäre schon gütlich geeinigt. 16 von 64 Familienunternehmen, die des Steuerbetrugs über Liechtenstein verdächtigt worden seien, hätten ihre Steuerschuld einschließlich Zinsen beglichen.

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