Frankfurt:Frankfurt, eine Stadt im Brexit-Rausch

Aufseher veröffentlichen Ergebnisse von Banken-Krisentest

Kleine Stadt mit hohen Häusern: Frankfurt wäre gerne Weltmetropole. Nach dem Brexit-Votum wittert die Stadt ihre Chance.

(Foto: Arne Dedert/dpa)

Die Stadt am Main wäre gerne Weltmetropole und legt sich mächtig ins Zeug, um die Banker dieser Welt bei sich zu versammeln. Aber ist Frankfurt dafür cool genug?

Von Thorsten Schmitz

Alle Welt war entsetzt, als die Briten im Juni beschlossen, sich von der Europäischen Union zu trennen. Alle Welt? Nein. Frankfurt, die Stadt der 182 Banken und nur 725 000 Einwohner, würde gerne Tausende Brexit-Flüchtlinge von der Themse bei sich aufnehmen. Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) fährt in ein paar Tagen nach London, um für seine Stadt zu werben, über die das Online-Blatt Huffington Post kürzlich lästerte: Frankfurt ist "öde" und "tot". Hilfreich sind solche Adjektive nicht gerade.

Die kleine Stadt mit den höchsten Häusern Deutschlands legt sich mächtig ins Zeug, um die Vorstandschefs der Londoner Bankfilialen für Frankfurt zu gewinnen. 1,3 Millionen Quadratmeter Büroflächen stehen in der Stadt am Main leer, problemlos ließen sich Tausende Investmentbanker und IT-Techniker dort unterbringen. Allerdings entspricht der Standard vieler Büros nicht mehr dem heutigen Bedürfnis. Der Banker von Welt möchte bodentiefe Fenster und Klimaanlage. Viele Büros, die in Frankfurt verwaisen, haben jedoch Fenster, die man zum Lüften kippen muss.

In Frankfurt kann man im Bankenviertel vom Fußboden essen, so sauber ist die Stadt, so geleckt. Da stimmt das Klischee. Aber weil man Kreative und Großstadtmenschen aus London anlocken möchte, die den Hyde Park gewohnt sind und das In-Viertel Brick Lane, schwärmen jetzt alle vom schmuddeligen Bahnhofsviertel, in dem es Bars gibt und die besten Pastramisandwiches. Sogar die New York Times gab dem Viertel kürzlich das Prädikat "cool". Verschwiegen aber wird bei aller Schwärmerei gerne, dass das Viertel aus nur vier Straßenzügen besteht. Ob das reicht als Ersatzheimat für Notting Hill?

"Die Stadt ist schon sehr clean und relativ nüchtern"

Wenn die Frankfurter über ihre Stadt ins Schwärmen geraten, reden alle, aber auch wirklich alle davon, wie schnell man per Flugzeug oder Bahn in die Stadt hineinkommt - aber auch, wie schnell wieder aus ihr herauskommt.

Kommt es zum Brexit, müssen sich die Banken in London, die bislang vom EU-Pass profitiert haben, entscheiden: Ziehen wir nach Luxemburg, Dublin, Paris oder soll es doch Frankfurt sein? Gertrud Traud, Chefvolkswirtin der Helaba-Bank und Deutschlands einzige Frau auf diesem prestigeträchtigen Posten einer Bank, findet: "Frankfurt kann ruhig etwas selbstbewusster auftreten, unter den Bankenstädten ist es noch immer der Underdog." Marcus Mornhart vom Immobilienberatungsunternehmen Savills sagt: "Die Stadt ist schon sehr clean und relativ nüchtern." Sie müsse sich schon noch ein bisschen mehr einfallen lassen, um ihre Attraktivität für Kreative und für Großstadtmenschen zu steigern.

Es ist ja nicht so, dass die Stadt sich nicht bemühen würde. Ost- und Westhafen werden mit schicken Wohnungen bebaut, den Main hat man renaturiert, und der elegante neue Taunustower beherbergt nicht nur Büros, sondern für die kommenden zehn Jahre mietfrei auch eine Dependance des Museums für Moderne Kunst. Den Ruf loszuwerden, nur ein glattes Banker-Refugium zu sein, lässt sich die Stadt zusammen mit dem Land Hessen jetzt 170 Millionen Euro kosten. Auf dem Römerberg entsteht gerade das Dom-Römer-Quartier. Bald sieht es da aus wie vor 200 Jahren. Es gebe einfach, sagt der Oberbürgermeister, in Zeiten wie diesen "einen Bedarf an Behaglichkeit".

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