Süddeutsche Zeitung

Franken:Schlecht für die Schweiz, gut für die Nachbarn

Von Pia Ratzesberger und Benjamin Romberg

Warum hatte die Schweizer Notenbank den Kurs festgesetzt?

Im September 2011 sah sich die Zentralbank zum Handeln gezwungen. Bei den Anlegern war der Schweizer Franken als Fluchtwährung sehr gefragt, die Euro-Krise machte viele andere Investments unattraktiv. So wurde die Schweizer Währung immer teurer - zum Schaden der Schweizer Wirtschaft, deren Exporte sich damit verteuerten. Die Notenbank legte sich auf einen Mindestkurs von 1,20 Franken je Euro fest, der nicht überschritten werden sollte. In den folgenden dreieinhalb Jahren verteidigte sie diese Marke mit Devisenkäufen.

Warum steigt die Notenbank jetzt wieder aus?

Durch den dauerhaften Eingriff am Devisenmarkt blähte sich die Bilanz der Notenbank auf. Über die Jahre waren die Währungsreserven auf 500 Milliarden Franken angewachsen - ein potenzielles Risiko, das aus Sicht der Notenbank wohl noch wesentlich größer geworden wäre. Warum sie so überraschend handelt, und was die Europäische Zentralbank mit der Entscheidung zu tun hat, lesen Sie in dieser Analyse.

Wie reagieren die Finanzmärkte?

Die Entscheidung sorgte für Turbulenzen an den Finanzmärkten. "Die Aufhebung des Mindestkurses kommt sehr überraschend", sagte ein Analyst. Der Franken stieg zwischenzeitlich um ein knappes Drittel gegenüber dem Euro an Wert. Die Gemeinschaftswährung sackte zwischenzeitlich auf 1,1575 US-Dollar und damit auf den tiefsten Stand seit November 2003 ab. Die Aktienindizes Dax und EuroStoxx rutschten 1,8 und 2,2 Prozent ins Minus, grenzten ihre Verluste bis zum Mittag aber wieder ein. Der Leitindex der Schweizer Börse SMI brach in der Spitze um fast 14 Prozent ein.

Welche Auswirkungen hat das für die Schweiz?

Wenn der Schweizer Franken im Verhältnis zum Euro im Wert steigt, wird es für Firmen im Land teurer, ihre Produkte in die Euro-Zone zu verkaufen - denn die ausländischen Abnehmer müssen aufgrund des veränderten Wechselkurses mehr für die gleichen Produkte zahlen. Die Firmen in der Schweiz bekommen weniger Aufträge und machen weniger Umsatz. Sobald Firmen weniger einnehmen, haben sie auch weniger Geld für Investitionen zur Verfügung - die sind jedoch wichtig für das Wirtschaftswachstum. Höhere Arbeitslosigkeit und damit auch weniger privater Konsum können die Folge sein. Außerdem verschreckt der teure Franken wohl auch Touristen: Wenn eine Woche Urlaub in der Schweiz so viel kostet wie andernorts mehrere Wochen, fahren die meisten lieber woanders hin.

Wer profitiert vom teuren Franken?

Wenn die Schweizer Wirtschaft weniger exportiert, profitiert die Konkurrenz: die Exportindustrie anderer Länder. Außerdem können Firmen und kleine Betriebe, die in den Grenzgebieten zur Schweiz angesiedelt sind, sich über einen teuren Franken freuen. Wenn Produktpreise innerhalb der Schweiz hoch liegen, ist so manchem für den Einkauf eine Fahrt über die Grenze wert. Peter Herrmann, Manager im Einkaufszentrum Lago in Konstanz, rechnet bereits für dieses Wochenende mit einer massiven Zunahme an Schweizer Kunden: "Wir erwarten bei den Kunden ein Plus von zehn Prozent."

Mit Material der Nachrichtenagenturen

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