Franchiseunternehmen in Deutschland:Erfolg als Kettenreaktion

Die deutsche Franchisewirtschaft wächst rasant - doch daran verdienen auch Rechtsanwälte. Denn das System birgt Streitpotential: In der Branche wird geschätzt, hochgerechnet, gemutmaßt. Und Transparenz ist häufig ein Fremdwort.

Stefan Weber

Die Idee, Unternehmer zu werden, kam Christian Limmer vor zehn Jahren beim Besuch einer Bäckerei in Krefeld. Der kleine Laden in der Fußgängerzone war keiner dieser üblichen Verkaufsstellen für Backwaren, wo die Kunden einer Verkäuferin ihre Wünsche nennen, bezahlen und dann die verpackte Ware in Empfang nehmen. Hier herrschte Selbstbedienung: Die Kunden fischten Brot und Brötchen mit einer Zange aus einem Regal, schoben ihr Tablett zur Kasse und tüteten ihren Einkauf ein.

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"Wahnsinnig voll" sei diese Bäckerei gewesen, erinnert sich Limmer. Schnell war der promovierte Betriebswirt, der damals für die Unternehmensberatung Roland Berger arbeitete, fasziniert von dem Konzept, Backwaren in Selbstbedienung zu verkaufen. Ein Jahr später stieg er zusammen mit seinem Studienfreund Dirk Schneider bei "Backwerk" ein: So hieß die Ladenkette, die damals nur eine Handvoll Standorte besaß.

Kurze Zeit später übernahmen die beiden das Unternehmen komplett, heute dirigieren sie aus der Backwerk-Zentrale in Essen ein Netz von mehr als 260 Filialen mit einem Umsatz von gut 150 Millionen Euro. Jeden Monat kommen neue Läden dazu.

Die Leiter der Filialen sind keine Angestellten, sondern selbständige Unternehmer. Sie betreiben den Standort auf eigene Rechnung. Backwerk ist ein Franchisesystem: Die Zentrale als Franchise-Geber bietet Existenzgründern die Möglichkeit, sich mit ihrer Marke und ihrem Konzept selbständig zu machen. Dafür kassiert Backwerk Gebühren, eine fünfstellige Summe zum Einstieg und einen monatlichen Betrag, der sich am Umsatz orientiert. Die Franchisenehmer wiederum nutzen die Vorteile der großen Organisation, die sie als Einzelkämpfer nicht hätten. Etwa, indem sie vergleichsweise preiswert Ware einkaufen oder Hilfestellung beim Marketing erhalten.

Franchise ist für Unternehmen, die expandieren wollen, eine Alternative zum klassischen Filialsystem. Nur, dass sie dabei weniger ins Risiko gehen. Denn sie müssen die Läden nicht alleine finanzieren und fallen nicht so tief, wenn es schief geht. Immer mehr Firmen nutzen deshalb Franchise, um ihr Geschäftsmodell zu multiplizieren. Knapp 1000 Franchisegeber gibt es nach Angaben des Branchenverbandes DFV in Deutschland - etwa 250 mehr als vor zehn Jahren. Meist sind es Dienstleister, Händler oder Gastronomiebetriebe.

Immer öfter versuchen aber auch Handwerksbetriebe, über Franchise zu wachsen. Der Umsatz der Branche hat sich dem DFV zufolge seit 2001 fast verdreifacht, auf zuletzt gut 60 Milliarden Euro. Andere Quellen wie der Mediendienst Forum Franchise und Systeme addieren den Branchenumsatz sogar auf mehr als 77 Milliarden Euro. Solche Abweichungen erklären sich vor allem mit der noch geringen Transparenz in der Franchisewirtschaft.

Zahlen werden gern geschönt

Nicht alle Firmen lassen sich in die Karten schauen und geben bereitwillig Auskunft über Umsatz und Anzahl ihrer Partner. Auch kommt es gelegentlich vor, dass die Zahlen ein wenig geschönt werden - indem geplante Standorte bereits als Ist-Filialen gezählt werden. Oder indem Läden, die in Eigenregie betrieben werden, mit Standorten zusammen erfasst werden, die im Franchisesystem laufen.

Noch gibt es keinen Standard zur Ermittlung von Größe und Bedeutung der Branche. Es wird viel geschätzt, hochgerechnet, gemutmaßt. Aber allen Ungenauigkeiten zum Trotz ist eins sicher: Die Franchisewirtschaft wächst rasant.

"Deutschland ist eine Franchise-Nation", sagt Felix Peckert, der den Markt seit vielen Jahren beobachtet und Systeme berät. In Europa hat die Branche allenfalls in Frankreich und in der Türkei eine ähnlich große Bedeutung. Weltweit betrachtet sieht es allerdings anders aus. Da geben USA, China und Süd Korea den Ton an. In diesen Ländern versuchen jeweils mehrere tausend Firmen, mit Franchise zu wachsen - national und international.

Die Franchise-Ideen, die in Deutschland entwickelt werden, gedeihen dagegen nach Beobachtung des Branchenkenners und Beraters Knut Pauli nur selten auch jenseits der Landesgrenzen. Geklappt hat das beispielsweise bei Fressnapf, inzwischen die Nummer eins in Europa für Tiernahrung und Tierbedarf. Oder bei Vapiano, der Restaurantkette, bei der die Gäste direkt beim Koch bestellen und zuschauen, wie Pasta oder Pizza zubereitet werden.

Franchisenehmer brauchen Geld und Know-how

Natürlich kann sich ein im Franchise betriebenes Unternehmen nicht von der allgemeinen Konjunktur abkoppeln. Aber die Ausschläge nach unten fallen oft weniger stark aus. Die Franchisenehmer sind häufig sehr viel engagierter als angestellte Kräfte. Schließlich geht es um ihr eigenes Portemonnaie.

McDonald's steigert im ersten Quartal Umsatz und Ergebnis

Branchenriese: Pommes-frites-Tüten von McDonald's, einem der größten Franchise-Unternehmen der Welt.

(Foto: ddp)

Wachsen kann ein Franchise-System auf mehrere Arten: Indem die bestehenden Partner mehr Umsatz machen. Oder indem der Franchisegeber neue Partner gewinnt. Oder, indem die etablierten Partner neue, zusätzliche Standorte eröffnen.

"Die großen international agierenden Franchise-Ketten gewinnen vor allem deshalb Marktanteile, weil sie Partner haben, die selber expandieren wollen", beobachtet Peckert. Ein Beleg dafür ist die Entwicklung bei McDonald's, einem der größten Franchise-Systeme der Welt: Dort betreibt jeder Partner im Durchschnitt mehr als vier Restaurants. Vor 30 Jahren betrug die Quote erst 1,4. Der größte McDonalds-Betreiber in Deutschland hat gar 40 Restaurants.

Wenn ein Franchisenehmer selbst mehrere Filialen betreibt, entlastet das auch den Franchisegeber von Verwaltungsarbeit. Die Anzahl seiner unmittelbaren Ansprechpartner bleibt gleich, obwohl das System insgesamt wächst.

Eine solche Wachstumsstrategie verlangt freilich einen besonderen Typus von Franchisenehmer. Er muss nicht nur viel Geld mitbringen - meist einen mittleren sechsstelligen Betrag, während sonst nur eine Einstiegsgebühr zwischen 10 000 und 25.000 Euro verlangt wird. Sondern er muss auch betriebswirtschaftliches Know-how und Führungserfahrung besitzen. Und er muss Spaß daran haben, sich unter Umständen in eine für ihn völlig neue Branche einzuarbeiten.

Selten gelernte Bäcker bei Backwerk

Bei Backwerk beispielsweise bewerben sich üblicherweise Menschen als Franchisenehmer, die zuvor in allen möglichen Branchen gearbeitet haben - im Handel, in der Hotellerie. Ganz selten nur sind sie gelernte Bäcker. Viele Hoffnungen setzt die Franchisewirtschaft auf eine neue Klientel: auf die Mitarbeiter im mittleren Management, die derzeit landauf landab von großen Konzernen gegen Abfindungen aussortiert werden. Viele dürften es schwer haben, einen neuen Job zu finden und könnten deshalb eine Karriere als Franchisenehmer in Betracht ziehen.

Wer einen hohen finanziellen Einsatz leistet, wird besonders kritisch nachfragen, wie leistungs- und zukunftsfähig ein Franchisesystem ist. Und wie groß der Einsatz der Zentrale ist, einen neuen Partner zu begleiten - auch, wenn einmal wirtschaftliche Klippen zu umschiffen sind. Nicht selten kommt es zu Streitigkeiten zwischen Franchisegebern und Partnern, weil beide uneins sind, was die jeweils andere Seite versprochen hat zu leisten. Wie derzeit bei der Fast-Food-Kette Burger King. Dort hat die Deutschland-Zentrale kräftig Personal abgebaut und die Franchisenehmer sind sauer, weil sie nach ihrer Meinung zu wenig Unterstützung erfahren, ihr Geschäft anzukurbeln.

Solche und ähnliche Rechtsstreitigkeiten beschäftigen Heerscharen von Anwälten. Da kommt es vor, dass der Franchisenehmer die erste Gelegenheit nutzt, aus dem Vertrag auszusteigen, die Geschäftsidee kopiert und einen eigenen Laden aufmacht. Oder ein Franchisegeber schneidet die Vertriebsgebiete so eng, dass die Partner nicht auf die Beine kommen. Es kommt auch vor, dass die Zentrale einen Vertrag nicht verlängert, weil sie einen gut laufenden Standort selbst betreiben will.

Peckert schätzt, dass unter den knapp 1000 Franchisesystemen in Deutschland allenfalls 100 bis 150 sind, die Firmengründern eine gute Aussicht auf eine sichere Existenz bieten. Nur sie würden Firmengründer gut ausbilden, ausreichend investieren und Geld für Marketingmaßnahmen bereitstellen. Berater Pauli macht die Frage, ob ein System gut oder schlecht ist, vor allem an einem Kriterium fest: der Zukunftsfähigkeit des Geschäftsmodells. Chancen sieht er im Handel, im Handwerk und bei Dienstleistungen, die sich mit den Themen Seniorenbetreuung, Familie und Fitness beschäftigen.

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