Fracking:US-Firmen wollen an Europas Gasvorräte

U.K. 'Stockbroker Belt' Said To Hold 700 Million Barrels Of Shale Oil

Ein Protestplakat in Balcombe, West Sussex, Großbritannien: In Europa wehren sich viele Bürger gegen die umstrittene Fracking-Technologie.

(Foto: Matthew Lloyd/Bloomberg)

In den USA lässt sich mit der umstrittenen Fracking-Technologie kaum noch Geld verdienen. Nun schielen die Energiefirmen auf die EU. Mit Lobbyisten und dem Freihandelsabkommen wollen sie sich gegen den Widerstand durchsetzen.

Von Michael Bauchmüller, Berlin, und Silvia Liebrich

Für die Story von der sauberen Energie ist die Sache mit Rex Tillerson wirklich zu bedauerlich. Tillerson ist Chef des Ölmultis ExxonMobil und als solcher ein glühender Befürworter der umstrittenen Fracking-Technologie, mit der Schiefergas gefördert wird. Doch auch seine Begeisterung hat offenbar Grenzen, Tillerson engagiert sich neuerdings in einer Bürgerintitative - gegen einen Wasserturm neben seiner Pferderanch bei Dallas. Dabei soll der Turm auch dem Fracking dienen, schließlich braucht es ein Hochdruckgemisch aus Wasser, Chemie und Sand, um das Schiefergas heraufzuholen. Doch direkt vor der eigenen Haustür, da mag Tillerson das dann lieber doch nicht haben.

Vor anderen Haustüren dagegen schon.

Mit einiger Verve kämpfen die großen US-Schiefergas- und Mineralölfirmen derzeit dafür, die Technologie auch in Europa einsetzen zu können. Sie klagen auf Abbaurechte, führen Hintergrundgespräche, lassen Studien fertigen. Nachdem der amerikanische Markt mittlerweile derart von dem billigem Gas überflutet wird, dass sich kaum noch Geld mit Fracking verdienen lässt, soll sich nun Europa öffnen. Auch Deutschland ist im Visier der Firmen. Dumm nur, dass die neue Energiewelt hier so gar nicht willkommen ist.

Die Firma dankt: diversen Multis und auch ExxonMobil

Am Donnerstag ist es die Beratungsfirma IHS, die neue Pro-Fracking-Argumente vorlegt. Die Berater aus Denver, Colorado, sorgen sich um die Zukunft der deutschen Energiewende. Einerseits hätten die Unternehmen hohe Stromkosten zu tragen, andererseits wachse die Konkurrenz aus Nordamerika - des Schiefergases wegen. "Das ursprüngliche Ziel der Energiewende war ein wettbewerbsfähiger Umbau zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft", sagt Daniel Yergin, Bestseller-Autor und Vize-Chef von IHS. "Aber die Welt hat sich verändert."

Die "Schiefergas-Revolution" lasse sich nicht wegdiskutieren, sie werde für hundert Jahre Nordamerika mit günstigem Gas versorgen. "Das stellt die Grundannahme der Energiewende, die Preise für fossile Energie würden immer steigen, auf den Kopf", meint Yergin. Nötig sei nun eine "wettbewerbsfähige Energiewende", mit weniger Ökostrom und, klar, mehr Schiefergas - made in Germany. Zwar pocht IHS auf seine Unabhängigkeit. Die Firma dankt aber, ganz transparent, diversen Multis und Industrieverbänden für die Unterstützung - auch ExxonMobil.

Dennoch bleiben viele Staaten Europas ein hartes Stück Arbeit für die Freunde des Frackings. Während etwa Großbritannien, Polen, Rumänien und Litauen die Technologie befürworten, haben Frankreich und Bulgarien sie verboten. Andere Staaten sind zumindest skeptisch. In Deutschland erkennt die große Koalition ein "erhebliches Risikopotential" in der neuen Technologie, und Schleswig-Holstein will über den Bundesrat den Einsatz von Chemie gleich ganz verbieten. Zuletzt hatten sich an dutzenden Orten im Land Bürgerinitiativen gegen geplante Fracking-Vorhaben gebildet - aus Angst vor Bergschäden und Verunreinigungen des Grundwassers. Der Widerstand geht quer durch alle politischen Lager.

Womöglich finden die Investoren aber bald einen neuen, stärkeren Hebel: über das geplante Freihandelsabkommen zwischen Europa und den USA, kurz TTIP. So warnen Experten vor unabsehbaren Folgen von Klauseln zum Schutz von Investoren, die in Europa ihre Claims abstecken wollen. Das geht aus einer Studie der Organisation "Corporate Europe Observatory" (CEO) hervor, die sich für Bürgerrechte einsetzt. "Das Abkommen könnte Regierungen an einer wirksamen Klimapolitik hindern - oder sie zwingen, dafür millionenschwere Entschädigungen an die Industrie zu zahlen", sagt Pia Eberhardt, Mitautorin der Untersuchung, die der SZ vorliegt und nächste Woche veröffentlicht werden soll.

Mehr Rechtssicherheit, auch beim Ausbeuten von Gasvorkommen

Ziel des Investorenschutzes ist es üblicherweise, dass Firmen im Ausland mehr Rechtssicherheit bekommen - auch beim Ausbeuten eines Gasvorkommens. Allerdings entscheiden in Streitfällen unabhängige Schiedsgerichten, nationale Gerichte der betroffenen Länder sind damit weitgehend aus dem Spiel. Solche Schiedsgerichte sind keine neue Erfindung und spielen in Handelsabkommen eine immer wichtigere Rolle. Die Zahl der Klagen ist zuletzt stark gestiegen. 2012 waren weltweit 514 Klagen anhängig, allein in diesem Jahr kamen 58 neue Klagen dazu. Gestritten wird häufig um Rohstoffe. "In mehr als einem Drittel der Fälle, die im Frühjahr/Anfang 2013 vom Schiedsgericht der Weltbank behandelt wurden, ging es um Öl, Rohstoffe oder Gas", stellt Eberhardt fest. 2000 machten solche Verfahren noch ein Viertel aus.

Der Studie zufolge haben Energiefirmen dabei gute Karten. In 31 Prozent der Fälle gewann demzufolge die Unternehmensseite. In 27 Prozent der Fälle erkämpften sich die Firmen Vergleiche, die entweder einen finanziellen Ausgleich vorsahen oder man einigte sich darauf, dass Regierungen beispielsweise strenge Umweltvorschriften wieder entschärften.

Die EU-Kommission weist die Befürchtungen zurück

Beispiel Schuepbach Energy: Im vorigen Jahr klagte die texanische Firma gegen das französische Frackingverbot und forderte eine Milliarde Euro Schadenersatz für den Verlust von Bohrlizenzen. Ein staatliches Gericht wies die Klage ab. Vor einem Schiedsgericht hätte dieser Fall ganz anders ausgehen können, warnt Eber-hardt. Das geplante Freihandelsabkommen könnte sich für die Energiekonzerne als wichtiger Türöffner erweisen, um die umstrittenen Form der Gasgewinnung in Europa gegen den Widerstand von Regierungen und Bevölkerung durchzusetzen.

Die EU-Kommission freilich weist derlei Befürchtungen energisch zurück. "Durch ein Freihandelsabkommen kann kein europäisches Gesetz 'ausgehöhlt' werden", sagt ein Sprecher von Handelskommissar Karel de Gucht. Weder lasse sich so das Fracking durchsetzen, noch der Import der in Europa ungeliebten Chlorhühnchen. TTIP, sagt er, "ist kein Wunschkonzert multinationaler Konzerne".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: