Investitionen in den USA:Vom "achten Weltwunder" bleibt nur Enttäuschung

FILE PHOTO: Trump visits Foxconn in Wisconsin

Wisconsins Gouverneur Scott Walker, US-Präsident Donald Trump und Foxconn-Manager Terry Gou (von links) beim Spatenstich für die neue Fabrik.

(Foto: REUTERS)
  • Es war ein grßes Versprechen: Zehn Milliarden Dollar wollte der taiwanische Technik-Konzern Foxconn in eine Fabrik in der US-Kleinstadt Mount Pleasant investieren.
  • Doch seit dem großen Spatenstich, zu dem auch US-Präsident Donald Trump anreiste, ist wenig passiert. Das stürzt eine ganze Region in Ungewissheit.

Von Claus Hulverscheidt, New York

Wie er das gelobte Land einmal nennen würde, wusste Dave DeGroot schon, als es am Dorfrand nicht mehr zu sehen gab als Wiesen und Äcker: Wisconn Valley - frei nach dem kalifornischen Silicon Valley mit seinen weltberühmten Tech-Konzernen, nur halt nicht 3000 Kilometer entfernt, sondern hier, in den Weiten Wisconsins. Man wäre Ortsvorsteher DeGroot damals, Mitte 2017, wohl nicht zu nahegetreten, hätte man Mount Pleasant mit seinen 26 000 Einwohnern als ein wenig verschnarcht bezeichnet. Doch nun plötzlich leuchtete die Zukunft in den buntesten Farben: Foxconn, der taiwanische Auftragsfabrikant für Apple, Amazon und Sony, der Erbauer von iPhone, Kindle und Playstation, suchte einen Ort in den USA, an dem er zehn Milliarden Dollar investieren, 13 000 Stellen schaffen und vier Milliarden Dollar Subventionen kassieren kann, und er entschied sich für - Mount Pleasant.

Gerade 18 Monate ist der Beschluss nun alt, und in dieser kurzen Spanne haben die Bürger der Kleinstadt bei Milwaukee alle Höhen und Tiefen erlebt, die mit Vorhaben dieser Größe gern einhergehen: die Hoffnung auf gut bezahlte Jobs und explodierende Steuereinnahmen, der Zwangsabriss von Häusern und die Angst vor Identitätsverlust, die Spaltung der Gemeinde in fanatische Befürworter und erbitterte Gegner des Projekts. Doch über allem schwebt ein anderes Gefühl: Ungewissheit. Denn niemand kann derzeit sagen, ob Foxconn in Mount Pleasant tatsächlich jemals in großem Stil LCD-Fernsehbildschirme bauen wird oder ob sich das Vorhaben nicht doch als politischer PR-Trick und dreister Abkassierversuch erweisen wird. Zuletzt hat der Konzern das Chaos mit sich widersprechenden Aussagen noch vergrößert.

Die Suche großer Firmen nach dem idealen Produktionsort und der stete Wunsch regionaler Politiker nach mehr Jobs haben in den USA wie anderswo auf der Welt immer wieder zu vermeintlichen Liebesehen geführt, die sich rasch als Joch erwiesen. Weltkonzerne trafen auf überforderte Bürgermeister, gutgläubige Gemeinden auf treulose Manager, die es nur auf die Millionen der Steuerzahler abgesehen hatten. Nach einer Studie des Upjohn-Instituts für Arbeitsmarktforschung gaben die Bundesstaaten und Kommunen in den USA allein 2015 rund 45 Milliarden Dollar dafür aus, um Firmen dazu zu bewegen, sich anzusiedeln, nicht wegzuziehen oder neue Stellen zu schaffen. In vielen Fällen, so das Institut, waren die Anreize "extrem teuer und brachten nicht die gewünschten Effekte".

Die Sensibilität ist deshalb gewachsen, etwa in New York, wo der Protest gegen die Baupläne des Handelsriesen Amazon immer lauter wird. Anwohner und Bezirkspolitiker befürchten Verkehrschaos und Mieterhöhungen, andere stört, dass ein so großer Konzern drei Milliarden Dollar an Subventionen geschenkt bekommen soll. Andernorts erinnert der Standortwettbewerb der Kommunen gar an einen Schildbürgerstreich: In Kansas City etwa, das halb im Bundesstaat Kansas und halb in Missouri liegt, jagen sich die beiden Stadtteile seit Jahren mit immer groteskeren Vergünstigungen gegenseitig die Investoren ab. Manche Firmen sind schon mehrfach über den Missouri River hin- und hergezogen.

Tom Stringer, Experte für Standortsuche bei der Unternehmungsberatung BDO in New York, hat die Erfahrung gemacht, dass in 90 Prozent der Fälle alle Beteiligten am Ende mit dem Projekt zufrieden sind. Die übrigen zehn Prozent jedoch, so Stringer, seien die, die - zu Recht - Schlagzeilen machten und die auch ihn selbst ärgerten: "Diese Fälle machen für uns, wie auch für die Kommunen, die Arbeit schwerer."

Trump reiste zum Spatenstich nach Wisconsin

Der Kreis Racine, in dem Mount Pleasant liegt, war über Jahrzehnte ein kleiner, feiner Industriestandort gewesen, die Lollipop-Maschine wurde hier erfunden, angeblich auch der Handstaubsauger. Doch nach und nach verschwanden die Fabriken und mit ihnen die Jobs. Kein Wunder also, dass Donald Trump persönlich 2017 den Foxconn-Zuschlag für den Ort bekannt gab und eilends nach Wisconsin aufbrach. Die neue Fabrik, tönte er beim Spatenstich, werde sich als "achtes Weltwunder" erweisen. Sie belege zudem seine, Trumps, Fähigkeit, verloren gegangene Industrien in die USA zurückzuholen. "Wäre ich nicht Präsident geworden, wäre das alles nicht passiert", so der Staatslenker in der ihm eigenen Bescheidenheit. Dass der Konzern in China, wo er überwiegend fertigt, vor allem wegen seiner miserablen Arbeitsbedingungen bekannt ist, erwähnte er nicht.

Mancher Bürger von Mount Pleasant wünscht sich mittlerweile, dass das tatsächlich alles nicht passiert wäre, viele fühlen sich von Foxconn an der Nase herumgeführt. Schon im vergangenen Mai hieß es plötzlich, die Fabrik werde doch nicht so groß, zudem würden statt Fernseh- kleinere Handy-Displays gebaut. Im August verlautete, man wolle zwar 13 000 Menschen einstellen, statt 10 000 würden aber nur etwa 1300 einfache Fabrikarbeiter benötigt. An ihrer Stelle brauche man Tausende Ingenieure für ein Forschungszentrum - Ingenieure, die es in der dünn besiedelten Gegend gar nicht gibt. Und dann, im Januar, erklärte die Firma, man werde gar nichts bauen in Wisconsin, sondern nur forschen, weil - Überraschung - die Lohnkosten für einfache Arbeiter zu hoch seien. Zwar kassierte Konzernchef Terry Gou die Aussage nach einem wohl wenig erfreulichen Telefonat mit Trump wieder ein und sagte, es bleibe, irgendwie, beim eigentlichen Plan. Glauben aber mögen ihm viele nicht mehr.

Zuletzt beschäftigte Foxconn in einer kleinen Testfabrik am Rande der Baustelle in Mount Pleasant ganze 178 Vollzeitkräfte - viel weniger als für Ende 2018 zugesagt. Zwar sparte sich die öffentliche Hand wegen des Vertragsverstoßes ein paar Millionen Dollar an Steuernachlässen, das heißt aber nicht, dass Mount Pleasant, der Kreis Racine und der Bundesstaat Wisconsin keine Kosten gehabt hätten. Im Gegenteil: Insgesamt stellten sie bisher rund 250 Millionen Dollar bereit, etwa für den Kauf von Land und den Ausbau von Straßen.

Der Unternehmensberater ärgert sich über die Naivität der Lokalpolitiker

Schon im Idealfall hätte es nach Berechnungen der Fiskalbehörde von Wisconsin mindestens 25 Jahre gedauert, bis die öffentliche Hand von dem Geschäft profitiert. Grund sind die vier Milliarden Dollar an Subventionen - eine Summe, die Fachleuten zufolge zehn Mal so hoch ist wie in solchen Fällen meist üblich. Doch nicht einmal nach 2042 werden aus den roten Zahlen schwarze werden, sollten Kritiker recht haben, die glauben, dass Foxconn Wisconsin ohnehin weniger aus wirtschaftlichen Gründen erwählte, sondern dass das Projekt ein politisches ist: Trump, so könnte das Kalkül lauten, werde im Handelsstreit mit China kaum ein Unternehmen mit Zöllen belasten, bei dessen Spatenstich er erst jüngst zugegen war. Und tatsächlich: Bislang sind Apple und Foxconn in dem Konflikt ungeschoren davongekommen.

Unternehmensberater Stringer ärgert sich bis heute über die Naivität der Lokal- und Landespolitiker in Wisconsin. "Der gesamte Deal ergab von Anfang an mathematisch keinen Sinn", sagt er. Das gelte umso mehr, als Gou und sein Unternehmen weltweit für übertriebene Ankündigungen und gescheiterte Projekte berüchtigt seien - von Indien über Indonesien und Vietnam bis Brasilien. Dazu passt, dass die Konzernführung in Taipeh die Bitte der SZ, sich zu diesem und allen anderen Vorwürfen zu äußern, schlichtweg ignorierte. "Foxconn", so Stringer, "das ist rund um den Erdball eine Geschichte gebrochener Versprechen."

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