Süddeutsche Zeitung

Foxconn-Gründer Terry Gou:Visionär mit schlechtem Ruf

Lesezeit: 4 min

Mehr als eine Million Chinesen arbeiten für den Elektronik-Konzern Foxconn. Firmengründer Terry Gou sagte einmal, er wolle Wohlstand für seine Beschäftigten schaffen. Doch Mitarbeiter nehmen sich das Leben, andere streiken oder randalieren - und Gou wird als Ausbeuter beschimpft. Da scheint etwas schiefgelaufen zu sein.

Marcel Grzanna

Drei Visionen, hat Foxconn-Gründer Terry Gou einmal bekannt, hätten ihn bei seinem rasanten Aufstieg als Unternehmer geleitet: Elektroartikel müssten so günstig sein, dass jedermann sie erwerben könne, der Produktionsprozess müsse revolutioniert werden, und schließlich müssten eine größere soziale Harmonie und höhere ethische Standards erreicht werden.

Was die beiden ersten Ziele anbelangt, ist der Geschäftsmann aus Taiwan auf einem guten Weg: Foxconn, oder besser gesagt Hon Hai Precision, wie der Konzern aus Taiwan eigentlich heißt, ist heute der größte Auftragsfertiger der Elektronikindustrie weltweit - günstig, verlässlich und schnell. Nur das dritte Ziel, Harmonie und Ethik, dürfte Gou auf seinem Weg ein wenig aus den Augen verloren haben: Sie kommen in den Foxconn-Fabriken deutlich zu kurz. Zumindest in jenen 13 Werken, die der Taiwaner in der Volksrepublik China betreibt.

Mehr als eine Million Chinesen arbeiten für Terry Gou und seine Visionen. Und obwohl die Mitarbeiter so routiniert schrauben und stecken wie nirgendwo sonst, passt irgendetwas nicht zusammen am Fließband. Immer wieder kommt es zu Zwischenfällen. Mitarbeiter nehmen sich das Leben, andere streiken oder randalieren. Ist das die Schuld von Terry Gou?

"Viele chinesische Geschäftsleute werden blass vor Neid"

Eine einfache Antwort auf diese Frage gibt es nicht. An Gous Erfolg verdienen viele mit. Mit seinen Investitionen in der Volksrepublik schiebt er das Wirtschaftswachstum in den betroffenen Regionen an, schafft Arbeitsplätze und beschert den Provinzen willkommene Steuereinnahmen. Lokale Regierungen bemühen sich um ihn. Sie rekrutieren Arbeiter für Foxconn und bauen Terry Gou auch eine eigene U-Bahnstation vor die Werkshalle wie in Shenzhen.

"Angesichts der Beziehungen, die er zu den lokalen Regierungen pflegt, werden viele chinesische Geschäftsleute blass vor Neid", sagt Hu Xindou, Professor am Pekinger Institut für Technologie. Die Behörden helfen Gou sogar, Ärger zu vermeiden. "Die politische Zukunft von chinesischen Beamten basiert auf ihrer Wachstumsbilanz und der Menge an ausländischem Kapital, das sie generieren. Dafür benötigen sie Foxconn. Im Gegenzug helfen sie dem Unternehmen auch mal, Zwischenfälle zu verschleiern", sagt Hu.

Man kann Gou natürlich vorwerfen, dass er sich nicht dagegen wehrt. Und dass er große Teile der Logistik und der Arbeitsorganisation auf den riesigen Fabrikgeländen an private chinesische Firmen ausgelagert hat und diesen weitgehend freie Hand bei der Problemlösung lässt. So kann es zu Randalen kommen wie jetzt in Taiyuan - mit zahlreichen Verletzten und dem Einsatz von 5000 Sicherheitskräften.

Mit einer engeren Führung könnte Gou mehr Einfluss nehmen. Vielleicht wäre er seiner Vision von Harmonie und Ethik dann schon ein deutliches Stück näher. Stattdessen reagiert er, wenn der Druck zu groß wird. Das war zuletzt 2010 der Fall, als Apple die Produktionsbedingungen bei Foxconn unter die Lupe nahm. Das Ergebnis waren höhere Löhne und eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen, was unabhängige Organisationen anschließend auch bestätigten.

Terry Gou, der eigentlich Tai Ming mit Vornamen heißt und dessen Eltern 1949 nach Taiwan flüchteten, begann 1974 mit dem Aufbau seines Imperiums. Mit wenigen tausend Dollar Startkapital versuchte er sich in der Herstellung von Plastikverkleidungen für Fernseher. Im Laufe der Jahrzehnte weitete er seine Produktion aus und expandierte ins Ausland. 1988 nach China.

"Terry Gou ist sehr weitsichtig. Er hat die Chancen in China zum richtigen Zeitpunkt erkannt, als Peking die Öffnungspolitik beschleunigte. Das hat ihm viele Vorteile gegenüber der Konkurrenz beschert, wie Steuererleichterungen und billige Arbeitskräfte. Das war Teil seines Erfolgsrezepts", sagt He Jun von Anbound Consulting in Peking. Ein anderer Teil sind die geringen Materialkosten. Foxconn baut nur zusammen, was andere in Einzelteilen liefern. Alles, was Rang und Namen hat in der Branche, ist Kunde bei Terry Gou: Apple, Dell, Nokia, Samsung, Sony - die Liste lässt sich beliebig verlängern.

Inzwischen hat Foxconn auch Fabriken in Osteuropa, Lateinamerika und Südostasien. Kürzlich gab das Unternehmen bekannt, in Brasilien rund 500 Millionen US-Dollar investieren zu wollen, um Smartphones und Tablet-Computer zu produzieren. Damit würden die Auftraggeber hohe Importzölle umgehen. Ein vielversprechendes Projekt. In Indonesien will Gou bis zu zehn Milliarden US-Dollar investieren. Und er prüft auch Standorte in Afrika, weil dort die Arbeitskräfte so billig sind.

Er fühle sich manchmal wie ein Zoodirektor, so Gou

Bei so vielen Engagements sei es eben nicht immer einfach, seine Arbeitnehmer glücklich zu machen, rechtfertigte sich der Vater von drei Kindern zu Beginn des Jahres. Er hatte ein paar Angestellte mit ihren Familien in den Zoo in Taipeh eingeladen und wollte dort einen wohl amüsant gemeinten Quervergleich zwischen Tieren und Menschen ziehen. Er fühle sich manchmal wie ein Zoodirektor und es bereite ihm Kopfschmerzen, eine Million Tiere führen zu müssen, sagte er. Das kam nicht gut an. Gou hatte seinen schlechten Ruf als Ausbeuter eher bestätigt.

In seiner Heimat Taiwan ist Gou dennoch ein respektierter und einflussreicher Mann. Zwar beschweren sich auch taiwanische Arbeiter über harte Bedingungen. Doch das gilt auch für den Rest der Branche, weswegen Gou nicht persönlich dafür verantwortlich gemacht wird. "In der Elektronikindustrie ist Terry Gou eine Ikone", sagt der Wirtschaftsjournalist Lin Dianwei aus Taipeh. 90 Prozent der heimischen Branche würden zu Hon Hai Precision Geschäftsverbindungen pflegen.

Gou, heute einer der reichsten Männer Taiwans, griff mit einer Kampagne aktiv in den Präsidentschaftswahlkampf ein. Er unterstützte den späteren Wahlsieger Ma Ying Jeou, der für eine Annäherung an die Volksrepublik steht. Schlechte Beziehungen mit Peking könnten Gou schließlich bares Geld kosten. 30 Prozent der Firmenaktien hält er selbst. "Die Aktionäre schauen sehr genau, was in China vor sich geht. Schlechte Nachrichten über Foxconn mögen sie nicht", sagt Journalist Lin. Nach den Unruhen in Taiyuan verlor die Aktie ein Prozent an Wert.

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SZ vom 31.12.2012
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