Fossile Energieträger:Rockefellers verabschieden sich vom Öl

John D. Rockefeller sen. und sein Sohn John D. Rockefeller jun., 1925

John D. Rockefeller sen. mit seinem Sohn John D. jun., der der erste Präsident der von seinem Vater gegründeten Rockefeller-Stiftung war.

(Foto: Süddeutsche Zeitung Photo)

Niemand in den USA hat so sehr vom Öl profitiert wie der Clan der Rockefellers. Jetzt zieht die Stiftung der Familie ihr Geld aus der Förderung fossiler Energieträger ab. Andere könnten folgen.

Von Kathrin Werner, New York

Kein Name der Welt ist so eng mit dem Öl verknüpft wie dieser: Rockefeller. John Davison Rockefeller, Jahrgang 1839, brachte es mit dem Pipeline- und Raffinerie-Monopolisten Standard Oil Ende des 19. Jahrhunderts zu sagenhaftem Reichtum. Ein Hochhauskomplex mitten in Manhattan ist nach den Rockefellers benannt, der Familie gehörten Banken, Universitäten, Konzertsäle, Museen und weitläufige Anwesen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts verfügte Patriarch John D. Rockefeller über ein Vierundzwanzigstel des amerikanischen Sozialprodukts. Ölmultis wie Exxon, Amoco und Chevron gehen auf Standard Oil zurück. Öl machte Amerika zur Weltmacht und John D. Rockefeller zu ihrem mächtigsten und reichsten Spieler.

Jetzt, 144 Jahre nach der Gründung von Standard Oil, macht der Rockefeller-Clan Schluss mit dem Öl. Einen Tag vor Beginn der Klimakonferenz der Vereinten Nationen in New York und einen Tag nachdem im Stadtteil Manhattan mehr als 400 000 Menschen für mehr Tatendrang im Kampf gegen den Klimawandel demonstriert haben, will die Stiftung der Familie, der 860 Millionen Dollar schwere Rockefeller Brothers Fund, das Ende von allen Investitionen in fossile Energieträger verkünden. Das hat die Familie der New York Times vorab erzählt. "Es gibt eine moralische Vorgabe, den Planeten gesund zu halten", sagte Valerie Rockefeller Wayne, eine Ur-Ur-Enkelin von John D. Rockefeller und Bevollmächtigte der Stiftung.

Schmutzigen Projekten soll das Geld entzogen werden

Damit schließt sich die Familie dem so genannten Divestment-Bewegung an, die den Klimawandel aufhalten will, indem sie schmutzigen Projekten das Geld entzieht. Vor drei Jahren ist die Bewegung offiziell ins Leben gerufen worden, seither haben laut der auf wohltätige Zwecke spezialisierten Beratungsfirma Arabella Advisors 654 Privatinvestoren und 180 Institutionen wie Unternehmen, Stiftungen, Pensionsfonds, Kirchen und lokale Regierungen offiziell ihre Investitionen aus fossilen Energieträgern abgezogen, das entspreche mehr als 50 Milliarden Dollar. Allein seit Anfang dieses Jahres habe sich die Zahl der Teilnehmer verdoppelt.

Die Summen sind zwar noch viel zu gering, um ein spürbares Problem für die alten Energiekonzerne zu werden. Zur Einordnung: Allein der Ölkonzern Exxon-Mobil ist an der Börse derzeit 414 Milliarden Dollar wert. Den Divestment-Verfechtern geht es aber vor allem darum, ein Zeichen zu setzen. Stiftungen oder Kirchen fürchten schon, dass es ihnen schlecht ausgelegt würde, wenn sie von Umweltschutz sprechen und gleichzeitig ihr Geld in schmutzige Projekte investieren oder Aktien von Ölkonzernen kaufen.

Die Bewegung hat in Universitäten begonnen. Studenten werben dafür, dass die Hochschulen ihre Fondsmilliarden nicht mehr in schmutzigen Unternehmen anlegen. Im Mai hatte die Stanford University aus Kalifornien versprochen, ihre 18,7 Milliarden Dollar nicht mehr in Unternehmen für Kohle-Bergbau zu investieren. Andere Universitäten weigern sich noch, darunter Harvard und jüngst die University of California, was zu Protesten auf dem Campus geführt hat.

Eine moralische Komponente - und eine wirtschaftliche

Der südafrikanische Erzbischof Desmond Tutu, ein Held der Anti-Apartheid-Bewegung, ist einer der prominentesten Fürsprecher der Divestments. "Wir haben die Apartheid bekämpft. Jetzt ist der Klimawandel unser weltweiter Feind", sagte er. "Wir können nicht immer weiter unserer Sucht nach fossilen Brennstoffen nachgeben als ob es kein Morgen gäbe. Dann wird es kein Morgen geben." Viele Teilnehmer der Divestment-Bewegung hoffen, dass ihre Geldanlage-Entscheidungen dazu beitragen, dass die Politik die Gesetzgebung zum Klimaschutz überdenkt. Sie werben für verschiedene Instrumente, die Unternehmen zwingen, die Kosten des Klimawandels mitzutragen, etwa durch eine Steuer auf den Kohlendioxid-Ausstoß.

Langfristig erwarte er, dass Unternehmen Probleme bekommen, die ihr Geld zu stark mit klimaschädlichen Produkten und Investitionen verdienen, sagte Steven Rockefeller, ebenfalls ein Bevollmächtigter der Familienstiftung. "Für uns hat das Ganze eine moralische und eine wirtschaftliche Komponente." Dass sich die Erdöl-Erben der Divestment-Bewegung anschließen, ist ein großer und öffentlichkeitswirksamer Schritt.

Die Erben glauben, der alte Rockefeller hätte seine Freude daran

Von Investitionen in Kohle und Ölsande hat sich der Rockefeller Brothers Fund bereits abgewendet. Ölsande sind umstritten. Vor allem in der Provinz Alberta in Kanada sind sie zwar ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, sie gelten aber als wesentlich klimaschädlicher als die herkömmliche Ölförderung, und es bleiben verwüstete Landschaften zurück, wenn im Tagebau das Öl mit viel Wasser und Chemikalien aus der Erde und dem Sand gelöst wird. Nach dem schnellen Ausstieg aus Kohle und Ölsanden werde es länger dauern, das Geld komplett von allen anderen fossilen Energieträgern abzuziehen, hieß es bei dem Fonds. "Wir bewegen uns nüchtern, aber mit echtem Engagement", sagte Rockefeller-Erbe Stephen Heintz, der oberste Verwalter des Fonds. Die Investitionen der Rockefellers in Erdöl-Alternativen seien bereits gestiegen.

Beim Ölmulti Exxon sind die Nachfahren Rockefellers immer noch Minderheitsaktionäre. Sie forderten 2008 das Management auf, mehr für den Klimaschutz zu tun. Ihr Kampf für erneuerbare Energie und gegen das Öl hätte auch John D. Rockefeller gefallen, glauben die Erben.

Der Familienpatriarch war ein großer Spender, vom ersten Tag an, an dem er selbst Geld verdiente, gab der gläubige Christ unter anderem ein Zehntel seiner baptistischen Kirche. Auch finanziellen Gesichtspunkte hätten das Familienoberhaupt dazu gebracht, das Divestment gutzuheißen, glaubt Heintz. "Wir sind sicher, dass er als scharfsinniger Geschäftsmann mit Blick in die Zukunft, wenn er heute noch leben würde, sich von fossilen Energieträgern verabschieden und in saubere, erneuerbare Energie investieren würde."

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