ForumWo bleibt die Gerechtigkeit?

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Der Erbschaftsteuer-Gesetzentwurf von Schäuble hat noch große Fehler: Er bewertet die Familienunternehmen falsch. Ein Beitrag von Martin Schoeller.

Der von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) geplanten Reform der Erbschaftsteuer liegen unrealistische Annahmen zugrunde. Nach dem Gesetzentwurf werden die Familienunternehmen mit dem 18-Fachen ihres Gewinns bewertet - als ob der Gewinn so stabil und vorhersehbar wäre wie die Mieteinnahmen einer Wohnimmobilie. Darauf wird dann bis zu knapp 20 Prozent Steuer erhoben, was bei dieser Berechnungsart das gesamte Eigenkapital einer Firma ausmachen kann. Sollte die Firma dies nicht bezahlen können, wird das Privatvermögen der Betroffenen sozusagen konfisziert, auch wenn die übergebene Firma keine Dividenden ausschüttet und auch kurz nach dem Zeitpunkt des Erbes wieder sehr viel weniger wert ist.

Das Finanzministerium scheint die Volatilität, das Risiko und die Liquidität von Familienunternehmen unrealistisch einzuschätzen und völlig unbesorgt mit der Frage der Bonität und damit der Arbeitsplatzsicherheit umzugehen.

Der aktuelle Stand des Erbschaftsteuer-Gesetzentwurfs beinhaltet also immer noch zwei große Fehler: Erstens wird der Staat zur Gefahr für Familienunternehmen und ihre Mitarbeiter, und zweitens wird der Unternehmer selbst zur Gefahr für seine Familie.

Der Wunsch, etwas nachhaltig aufzubauen und den Charakter eines Familienunternehmens (mit der entsprechenden Selbstverpflichtung einer Familie) zu erhalten, ist eine zentrale Motivation, lebenslang großen Arbeitseinsatz zu geben und vorzusorgen. Den Unternehmern, die ihre ganze Kraft einsetzen, wird jetzt in absurder Weise angedroht, dass sie im Erbfall ihre Familie finanziell ruinieren.

Aber es gäbe eine Lösung dieser Problematik. Das Bundesverfassungsgericht hat die gesellschaftliche Bedeutung der Arbeitsplätze in Familienunternehmen und der Schutzwürdigkeit dieser bewährten Form unserer Wirtschaft anerkannt und beabsichtigte mit seiner Aufforderung an die Politik lediglich, die Lage bei Großunternehmen zu prüfen. Das neue Gesetz soll feststellen, ob eine Verschonung von größeren Unternehmen wirklich im Interesse der Gesellschaft ist. Hierzu muss definiert werden, was gemeint ist mit Großunternehmen und Bedürfnisprüfung.

Martin Schoeller stammt aus einer alten Unternehmerfamilie. Er führt die Schoeller Holding GmbH in Pullach bei München. Außerdem ist er Vorsitzender des Landesverbandes Bayern der Familienunternehmer - ASU e.V.
Martin Schoeller stammt aus einer alten Unternehmerfamilie. Er führt die Schoeller Holding GmbH in Pullach bei München. Außerdem ist er Vorsitzender des Landesverbandes Bayern der Familienunternehmer - ASU e.V. (Foto: oh)

Diese Bedürfnisprüfung ist im vorliegenden Entwurf aber nicht umgesetzt beziehungsweise vergessen worden. Die Forderung des Verfassungsgerichts einer Bedürfnisprüfung ist sinnvoll; eine Bedürfnisprüfung lässt sich auch objektiv durchführen anhand der betriebswirtschaftlichen Kennzahlen, die darüber Auskunft geben, ob das Unternehmen überschüssige und unnötige Reserven hat, oder ob es gerade so ausgestattet ist, wie es für die Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist.

Sollten in Unternehmen Reichtümer versteckt werden, die für den Betrieb und die Sicherheit der Arbeitsplätze nicht notwendig sind, könnte hier eine Besteuerung ohne akuten Schaden für Gesellschaft und Mitarbeiter erfolgen. Es ist nicht schwierig, sich mit Experten aus dem Bankwesen darüber zu verständigen, was die Bonität und damit die Stabilität eines Unternehmens definiert.

Der Eingriff durch die Erbschaft- beziehungsweise Schenkungsteuer darf nicht so weit gehen, dass die damit verursachte Verschlechterung des Ratings die Stabilität und Handlungsfähigkeit des Unternehmens einschränkt. Wenn zum Beispiel ein Unternehmen durch die Erbschaftsteuer von einem A-Rating zu einem Triple-B-Rating abstürzt, dann sollte dies für den sicheren Fortbestand des Unternehmens zwar unschön, aber noch zumutbar sein. Wenn man aber von Triple-B auf Double-B abstürzen würde, würde hier bereits ein erheblicher und damit auch schädlicher Wettbewerbsnachteil für das betroffene Unternehmen entstehen. Die großen Familienunternehmen konkurrieren mit anonymen Konzernen, deren Zugang zum Kapitalmarkt häufig einfacher ist. Die Politik käme auch nicht auf die Idee, unseren großen Dax-Konzernen plötzlich Steine in den Weg zu legen.

Wir empfehlen also dringend, ein Stresstest-Verfahren in das Gesetz mitaufzunehmen anhand von Kennzahlen wie Eigenkapitalquote und Verschuldungsgrad und damit die Auswirkung auf das Rating zu ermitteln. Alle Wirtschaftsexperten sind sich einig, dass Größe nicht gleich Risikofreiheit bedeutet, sondern dass es auf das Verhältnis von Substanz, Cashflow, Verschuldungsgrad und Volatilität ankommt.

Außerdem zu kritisieren ist der vorgesehene Zugriff auf das Privatvermögen, welches schon mehrfach versteuert wurde (im Unternehmen, bei der Ausschüttung und bei der Schenkung). Diese Regelung birgt Ungerechtigkeit, Unangemessenheit und wird auch beim Verfassungsgericht nicht Bestand haben. Bei zwei Geschwistern würde beispielsweise derjenige benachteiligt, der sich vor dem Erbfall ein eigenes Vermögen erarbeitet hat.

Familienunternehmen, die nichts oder wenig ausschütten, würden die Existenz einer Familie bedrohen, die sich aus anderen Quellen eine Absicherung erarbeitet oder erhalten haben. Es wäre auch nicht nachvollziehbar, für ein Geschenk zahlen zu müssen, wenn dieses Geschenk selbst keine Liquidität liefert. Wenn der Staat von einem übergebenen Vermögenswert etwas bekommen will, dann muss es logischerweise auch von diesem Vermögenswert kommen. Es wird auch nicht umgekehrt die Firma belastet für die Besteuerung des beschenkten Privatvermögens.

90 Prozent der Familienunternehmer in Bayern setzen Privatvermögen in Krisenzeiten oder bei besonderen Situationen für ihr Unternehmen ein. Eine Besteuerung des Privatvermögens ist also im Resultat eine Schwächung des Reservetanks der Familienunternehmen. Eigentlich sollten Unternehmerfamilien, die die Hälfte ihres Vermögens in der Firma haben, auch mit der anderen Hälfte im Erbfall nicht besteuert werden. Für diese sinnvolle Forderung scheint uns aber die CDU schon zu weit nach links abgedriftet zu sein und somit bemüht sich dieser Artikel darum, einen Kompromiss vorzuschlagen, der in der aktuellen Lage politisch ausgewogen und machbar sein könnte.

Um das zweite Problem zu lösen, sollte Erbschaftsteuer, wenn sie wegen eines bestandenen Stresstests zahlbar wird, über einen Teil der ausgeschütteten Dividenden zu zahlen sein und nicht zu einer Haftung oder Teilenteignung von bereits versteuertem Vermögen führen. Letzteres sollte außerhalb der Haftung stehen dürfen. Dieser Punkt ist besonders wichtig, um eine Welle von Verfassungsklagen und Abwanderung zu verhindern, was ansonsten das Thema Erbschaftsteuer zu einem Dauerbrenner machen wird.

© SZ vom 22.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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