Forum:Wem gehören die Roboter von morgen?

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Klaus F. Zimmermann ist Professor für Wirtschaftliche Staatswissenschaften in Bonn und Direktor des unabhängigen Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA). (Foto: privat)

Neue Techniken und neue Prozesse machen Unternehmen produktiver und führen zu steigender Rendite. Deshalb brauchen wir neue, den Umständen angepasste Entlohnungskonzepte.

Die Digitalisierung wird unsere Arbeitswelt grundlegend verändern. Immer mehr Berufsfelder werden morgen in einem digitalisierten Umfeld angesiedelt sein. Das wird viele Chancen zur Neuorganisation der Arbeit und zur Vereinbarung von privater Zeit und Arbeitszeit bieten, bringt aber auch Anpassungsnotwendigkeiten und Risiken mit sich. Allem voran muss die Qualifikation mit dem Wandel Schritt halten. Das geht nur über lebenslanges Lernen und die größere Bereitschaft von Unternehmen und Beschäftigten, hierfür Freiräume zu schaffen.

In vielen Bereichen des Arbeitsmarktes wird eine neue berufliche Wirklichkeit entstehen, indem sich zunehmend flexible Beschäftigungsformen herausbilden, die nicht mehr in das Schema des klassischen "Normalarbeitsverhältnisses" passen. Projektgebundene, virtualisierte Arbeit, die an nahezu jedem beliebigem Ort ausgeführt werden kann, wird betriebliche Organisationsformen revolutionieren und aus vielen Beschäftigten Arbeitnehmer-Selbständige machen. Immer mehr Betriebe werden kostenintensive und einem ständigen technologischen Wandel unterliegende Bereiche an externe Experten delegieren, die virtuell mit der eigenen Belegschaft kooperieren.

Die Dynamik der "digitalen Revolution" wird zudem dafür sorgen, dass auch die Innovationszyklen zunehmend kürzer werden. Der Kapitalbedarf der innovationsstarken Unternehmen wird wachsen, um auf dem Markt wettbewerbsfähig zu bleiben. Es lohnt sich, über Strategien nachzudenken, wie beide Trends in einem gemeinsamen Lösungsansatz miteinander verbunden werden können.

Wenn wir verhindern wollen, dass in der neuen Arbeitswelt, deren Umrisse wir momentan eher ahnen als kennen, die "digitale Dividende" nur von den wenigen abgeschöpft wird, die über die neuen Techniken und Geschäftsmodelle verfügen, brauchen wir auch neue Entlohnungskonzepte.

Die Lösung liegt ganz sicher nicht in einem bedingungslosen Grundeinkommen, das den Menschen eine "Befreiung" von der Arbeit suggeriert, aber weder in der dann notwendigen Höhe finanzierbar noch gesellschaftspolitisch sinnvoll wäre.

Wem die Roboter von morgen gehören, wer über die digitalen Plattformen der Zukunft verfügt, der regiert die neue Welt. So hat es zuletzt Harvard-Ökonom Richard Freeman in einem Beitrag für das virtuelle Kompendium "IZA World of Labor" treffend formuliert. Muss eine Konsequenz daraus nicht lauten, dass aus den Firmenbelegschaften konsequenterweise Anteilseigner an immer intelligenteren Maschinen werden sollten? Liegt darin nicht vielleicht sogar eine zukunftsträchtige Mitbestimmung der Zukunft begründet?

Mitarbeiter als Mitunternehmer: Bisher haben die Gewerkschaften diesen Weg eher gebremst

Die neuen Techniken und Prozesse machen Unternehmen produktiver und führen so zu steigender Rendite. Sind aber Mitarbeiter - gerade auch die externen Freelancer ohne tariflich abgesicherten Dauervertrag - an diesen "digital companies" unmittelbar beteiligt, erhalten auch sie an diesem Mehrertrag der digitalen Entwicklung einen fairen Anteil. Die in der Arbeitswelt 4.0 engagierten Firmen suchen daher bereits heute nach neuen Formen der Finanzierung ihres Kapitalbedarfs. Die Mobilisierung von Wagniskapital vor allem für Start-ups, Online-Kreditportale oder Crowdfunding-Plattformen, bei denen sich Kleinanleger direkt an konkreten Unternehmen beteiligen, sind einige der Beispiele hierfür. Intelligente Formen der Mitarbeiterbeteiligung wären der nächste folgerichtige Schritt. Zu diesem Zweck könnten sich zum Beispiel auch "Arbeitnehmer-Selbständige" nach dem Partner-Modell von Rechtsanwaltssozietäten zusammenschließen, um gemeinsam derartige Beteiligungsfonds zu organisieren.

Weltweit verläuft die klassische Lohnentwicklung eher moderat, und die großen Vermögenszuwächse werden vor allem durch Renditen aus Kapitaleinkünften erzielt. Wer verhindern will, dass in Zukunft diese "soziale Schere" noch größer wird, braucht aus ökonomischen wie gesellschaftspolitischen Gründen innovative Strategien, Mitarbeiter verstärkt zu Mit-Unternehmern zu machen. Dies ist der vermutlich effizienteste Weg für eine gerechtere Einkommenssymmetrie.

In Deutschland ist die Kultur der Mitarbeiterkapitalbeteiligung trotz vieler Versuche bisher noch recht unterentwickelt: Derzeit gibt es für nur zwei Prozent aller Beschäftigten solche Angebote. Dieser Wert liegt deutlich unter dem europäischen Durchschnitt und erst recht weit jenseits dessen, was in den USA längst üblich ist.

Schon Anfang letzten Jahres hat die EU-Kommission für einen massiven Ausbau der Mitarbeiterkapitalbeteiligung plädiert. Wenn die Europäische Union jetzt nach einer durchschlagenden "Digitalisierungsstrategie" sucht, sollte sie an diese Überlegungen anknüpfen. Für eine solche neue Lohnstrategie spricht noch ein weiteres Argument:

Einerseits sehen sich viele Firmen unter dem internationalen Wettbewerbsdruck gezwungen, ihre Arbeitskosten möglichst niedrig zu halten; andererseits stehen sie in Zeiten demografiebedingt knapper werdender personeller Ressourcen vor der Aufgabe, Mitarbeiter durch gute finanzielle Angebote und eine vorausschauende Vergütungspolitik langfristig zu binden. Hier öffnet ihnen das Konzept der "Kapitalpartnerschaft" interessante Lösungswege. Gerade für ein Personalmarketing, das gezielt um begehrte "High potentials" wirbt, ist eine solche Strategie lohnend, Mitarbeiter an den Gewinnen immer komplexerer Wertschöpfungsketten zu beteiligen.

Es ist kein Zufall, dass Firmen, die solche Beteiligungsmodelle schon praktizieren, häufig erfolgreicher und innovativer sind, weil ihre Mitarbeiter eine sehr viel höhere persönliche Motivation besitzen.

Mitarbeiter als Mitunternehmer: Bisher haben die Gewerkschaften diesen Weg aus Sorge vor den Risiken eher gebremst; Mitbestimmung war ihnen traditionell lieber als Mitbeteiligung. Doch auch die Gewerkschaften haben längst erkannt: In der digitalen Wirtschaft von morgen sind in vielerlei Hinsicht neue Lösungswege gefragt. Dies gilt nicht zuletzt auch für neue Formen der Lohnpolitik. Es wäre für die Gewerkschaften zum Beispiel ein lohnendes Feld, Arbeitnehmer-Stiftungen für die Kapitalbeteiligung an der digitalen Wirtschaft zu organisieren.

Die Digitalisierung bietet große Chancen, die die Risiken bei weitem überwiegen werden. Die digitale Dividende könnte unser aller Wohlfahrt steigern. Das von manchen befürchtete "digitale Prekariat" ist kein tatsächlich realistisches Szenario - erst recht dann nicht, wenn die Produktivitätsgewinne der "Arbeitswelt 4.0" breiter gestreut werden.

© SZ vom 07.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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