Forum:Investieren in den Klimaschutz

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Der Finanzsektor könnte helfen, die Erderwärmung zu begrenzen.

Von Hans Joachim Schellnhuber, Christian Thimann, Axel Weber

Allianzen im Finanzsektor können einen entscheidenden Beitrag zur Stabilisierung unseres Klimas leisten, indem Investitionen hin zu grüner Innovation umgelenkt werden. Auch Regierungen stehen in der Pflicht: Deutschland hat mit der G-20-Präsidentschaft beste Chancen, diese Strategie voranzubringen.

Im Pariser Klimaabkommen wurde vereinbart, die Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad Celsius zu begrenzen. Rasches und entschlossenes Handeln ist gefragt, um die Weltwirtschaft auf den richtigen Kurs zu bringen. Über die nächsten 15 Jahre werden schätzungsweise 93 Billionen US-Dollar für Investitionen in eine kohlenstoffarme Infrastruktur benötigt. Staatliche Mittel alleine können den Bedarf nicht decken.

Der Finanzsektor bemüht sich, diese Lücke zu schließen: Mit der Umlenkung von Kapital zu denjenigen Akteuren, die proaktiv in den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft investieren, schützen Finanzinstitute Kundenvermögen vor globalen Klima- und damit zusammenhängenden Wirtschaftsrisiken. Sie nehmen gleichzeitig ihre gesellschaftliche Verantwortung für das Wohlergehen künftiger Generationen wahr.

Es wird nicht einfach werden, das Ruder herumzureißen. Zwar nehmen schon heute Wetterextreme zu, aber viele der größten Klimaschäden, wie der Anstieg des Meeresspiegels, werden erst akut, wenn es zum Handeln bereits zu spät ist. Die Zeithorizonte des Klimasystems passen nicht zu politischen oder ökonomischen Zyklen. Es braucht deshalb die Entschlossenheit verschiedenster Akteure, um gemeinsam aktiv zu werden. Einen wichtigen Beitrag leisten in diesem Zusammenhang Axa und UBS zusammen mit dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), dem Carbon Disclosure Project (CDP) sowie weiteren Partnern im Rahmen einer internationalen Konferenz zum Thema Divestment und grüne Investitionen am 21. Juli in Berlin.

Eine Reihe großer Finanzinstitute haben sich jüngst einer globalen Kampagne zur Devestition aus fossilen Brennstoffen (Fossil Fuel Divestment) angeschlossen. Gemäß Schätzungen des Weltklimarats darf weltweit von 2010 bis zum Ende des Jahrhunderts noch rund eine Billion Tonnen CO₂ ausgestoßen werden, um die Erderwärmung auf unter 2 Grad zu begrenzen. Dies bedeutet, dass der Großteil der vorhandenen Reserven an Kohle, Öl und Gas nicht verbrannt werden darf. Die Kampagne geht deshalb davon aus, dass Investitionen in fossile Energieträger ihren Wert verlieren und über die Zeit "stranden" werden. Devestitionen aus diesen Beteiligungen allein reichen aber nicht aus - die frei werdenden Mittel müssen auch in zukunftsweisende Geschäftsfelder umgeleitet werden.

Der Ausgangspunkt, um die Herausforderungen des Klimawandels zu meistern, besteht im besseren Verständnis der Risiken selbst - und zwar auf dem festen Boden der Klimawissenschaft. Der Finanzstabilitätsrat (FSB) hat diese in physische Risiken, Transitionsrisiken und Haftungsrisiken eingeteilt. Um informierte und konsistente Anlageentscheidungen treffen zu können, müssen alle relevanten Akteure Risiken, aber auch sich eröffnende Chancen besser verstehen und quantifizieren können. Solche Einschätzungen bedürfen robuster und wissenschaftlich fundierter Datengrundlagen sowie harmonisierter Standards, die auf die gesamte Branche angewendet werden können. Eine Taskforce des FSB, die aus Vertretern von Banken, Versicherungen, institutionellen Investoren, Ratingfirmen sowie Beratungs- und Revisionsgesellschaften besteht, arbeitet derzeit an der Entwicklung eines freiwilligen Branchenstandards, damit Firmen klimarelevante Finanzrisiken auf eine stimmige und vergleichbare Weise gegenüber Anspruchsgruppen wie Investoren oder Kreditgebern offenlegen können.

Diese Aufgabe ist nicht leicht. Beispielsweise ist der CO₂-Fußabdruck allein wenig geeignet, um Investitionen vorausschauend in die richtige Richtung zu lotsen. Statt zukünftige Champions klimafreundlicher Lösungen zu identifizieren, enthüllt jene Zahl lediglich, wer heute die größten Emittenten von Treibhausgasen sind.

Ein sinnvoller Offenlegungsstandard wird darüber hinaus sektorspezifische Informationen sowie die Umsetzung von Klimawandelstrategien einzelner Firmen berücksichtigen müssen.

Zentrale Elemente für den Wandel hin zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise sind die Nutzung von Marktmechanismen - darunter die Bepreisung von CO₂ -, internationale Initiativen, gesetzliche Rahmenbedingungen einzelner Länder sowie Kooperationen im Privatsektor. Wir können davon ausgehen, dass viele Firmen ihre Geschäftsmodelle anpassen werden, um die Überlegungen zum Klimawandel von der Peripherie des Produkte- und Dienstleistungsangebots in deren Kern zu verschieben. Auf der Finanzierungsseite kann man derzeit beobachten, wie sich das Angebot an "grünen" Anleihen, Krediten, oder Indizes bis hin zu Infrastrukturinvestitionen vervielfacht.

Doch wie die Europäische Kommission feststellt, werden derzeit weniger als ein Prozent der globalen Anleihen als grün bezeichnet, und weniger als ein Prozent der Mittel von institutionellen Anlegern weltweit sind in umweltfreundliche Infrastrukturanlagen investiert. Die Entwicklung von innovativen Finanzierungsmechanismen muss daher deutlich beschleunigt werden.

Die Dynamik, die sich seit Paris ausgebildet hat, sollte deshalb genutzt werden, um die gesetzlichen Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass sie die Bemühungen der Privatwirtschaft unterstützen und nicht hemmen. In einigen Ländern haben Regierungen bereits Maßnahmen ergriffen, um die Entwicklung grüner Produkte über Steuern oder Marktanreize zu fördern. Im Bereich von weltweiten Infrastrukturinvestitionen müsste auch über Anlegerschutz und Streitbeilegungsmechanismen nachgedacht werden, um die Investitionstätigkeit zu erhöhen.

Deutschland hat im nächsten Jahr mit der G-20-Präsidentschaft die Chance, seine Partner davon zu überzeugen, vorteilhafte Rahmenbedingungen für die Klimaschutzfinanzierung voranzubringen. Und der Finanzsektor kann zeigen, dass er ein Pionier sein will bei der Transformation zur Nachhaltigkeit. Der Zeitpunkt zum Handeln ist jetzt.

© SZ vom 18.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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