Forum:In das Richtige investieren

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Hannah Trittin-Ulbrich ist Juniorprofessorin für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Wirtschaftsethik, an der Leuphana Universität Lüneburg. (Foto: Bjoern Schoenfeld)

Unternehmen profitieren von der Digitalisierung, aber sie müssen auch lernen, Verantwortung zu tragen.

Von Hannah Trittin-Ulbrich

Die digitale Transformation bietet ohne Zweifel viel Innovationspotenzial für Unternehmen. Neue Formen der Zusammenarbeit werden ermöglicht, die Effizienz von Arbeitsprozessen kann signifikant gesteigert werden und datenbasierte Geschäftsmodelle versprechen sowohl höhere Umsätze als auch die Erschließung neuer Märkte. Digitale Informations- und Kommunikationstechnologien haben spätestens in der Pandemie eine besonders wichtige Bedeutung erlangt, zum Beispiel im Rahmen der Einführung von Home-Office-Lösungen. Investitionen in die Digitalisierung sind somit für viele Unternehmen wirtschaftlich sinnvoll. In manchen Fällen geht dabei wirtschaftliches Potenzial mit Fragen unternehmerischer Verantwortung Hand in Hand. Zum Beispiel wenn die Digitalisierung dabei hilft, Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Oder wenn flexible Arbeitsformen gerade Familien und Frauen helfen, den Pandemie-Alltag zwischen Arbeit und Homeschooling beziehungsweise Kinderbetreuung zu meistern. Home-Office und andere flexible Arbeitsformen können die Inklusion fördern, und können, ganz nebenbei, auch bei der Anwerbung von Fachkräften aus jüngeren Generationen einen wertvollen Wettbewerbsvorteil bringen. Als verantwortungsvolle Arbeitgeber sollten Unternehmen diese Maßnahmen auch künftig ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zur Verfügung stellen.

Die digitale Transformation sorgt zugleich aber auch dafür, dass neue gesellschaftliche Ansprüche in Bezug auf verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln entstehen. Unternehmen müssen lernen, wie sie ihrer digitalen Verantwortung künftig gerecht werden und welche Chancen diese bietet. So wird immer mehr Menschen das hohe Überwachungspotenzial digitaler Technologien klar, wie das Beispiel von Microsofts "Productivity Score" zeigt. Die Microsoft-Software erlaubt es Arbeitgebern, die Tätigkeiten von Arbeitnehmern am Heimarbeitsplatz anhand der Nutzungsdaten zu kontrollieren. Die öffentliche Diskussion über den Einsatz solcher Technologien spiegelt somit ein wachsendes gesellschaftliches Bewusstsein für die "dunklen" Seiten der Digitalisierung wider. Wenn Unternehmen Reputationsschäden vermeiden wollen, sollten sie eine Position in diesen und benachbarten Debatten beziehen. Anstatt in Überwachung zu investieren, sollten Verantwortungsträgerinnen und -träger Führungskompetenzen in Bezug auf das virtuelle Büro weiterentwickeln. Gleichzeitig müssen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter lernen, selbstbestimmter zu arbeiten. Nur so lässt sich das Vertrauen von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen in die Vorteile der digitalen Transformation stärken und langfristig eine produktive Unternehmenskultur sicherstellen.

Mitarbeiter in Marketing und Vertrieb müssen den Umgang mit sozialen Medien professionalisieren

Die digitale Transformation führt auch zu Veränderungen in der Interaktion mit der Unternehmensumwelt, insbesondere mit Konsumenten und Konsumentinnen. Die Digitalisierung ermöglicht Unternehmen ihre Kundinnen und Kunden besser kennenzulernen, mit ihnen in den Dialog zu treten, sie in Entscheidungsprozesse einzubeziehen, aber auch Konsumentenverhalten besser zu verstehen und zu prognostizieren. Der direkte Kundenkontakt, beispielsweise in sozialen Medien, ist aber auch mit einem gewissen Risiko behaftet. Negative Kundenbewertungen haben eine erstaunlich lange Halbwertzeit im Internet, Fake News, Firestorms und andere Empörungsphänomene gehören in den sozialen Medien fast schon zum Alltag. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Marketing und Vertrieb müssen sich auf diese Dynamiken vorbereiten und den Umgang mit sozialen Medien professionalisieren. Dabei hilft es, wenn Unternehmen sich bereits vor der Interaktion im Netz darüber verständigt haben, welche Werte sie vertreten. Das schafft auch Vertrauen bei den Kundinnen und Kunden.

Eine weitere Herausforderung für deutsche Unternehmen in der digitalen Transformation sind quasi-monopolistische Plattform-Unternehmen, die als Gatekeeper zu digitalen Produkten und Märkten fungieren. Sie bestimmen die Spielregeln für Web-Applikationen oder Plattform-basierte Dienste. Das ist besonders für deutsche Traditions-Unternehmen ein Problem, deren Geschäftsmodell oft auf Vertrauen in Produkte "Made in Germany" basiert. Dieses Vertrauen kann in Gefahr geraten, wenn deutsche Unternehmen mit marktbeherrschenden Plattform-Unternehmen kollaborieren. So brach die Firma Birkenstock zum Beispiel die offizielle Zusammenarbeit mit dem Onlineversandhändler Amazon ab, nachdem Amazon sich weigerte, den Verkauf von gefälschten Produkten der Unternehmen auf seiner E-Commerce-Plattform zu unterbinden. Die Europäische Union tut also gut daran, Plattform-Unternehmen stärker regulieren zu wollen. Für Unternehmen muss ein fairer E-Commerce-Wettbewerb möglich sein.

Sozialunternehmen geben gute Beispiele für ethisches Handeln

Vereinzelt besteht die Annahme, dass verantwortungsvolles und ethisches Handeln für Unternehmen als Innovationsbremse fungiere. Stattdessen seien diejenigen im Wettbewerbsvorteil, die besonders disruptiv die Digitalisierung vorantreiben, selbst wenn es auf Kosten der Datenethik geht. Allerdings kann auch großes wirtschaftliches Potenzial in verantwortungsvollen digitalen Innovationen liegen, diese können werteorientiert und trotzdem profitabel sein. Ein gutes Beispiel ist das Sozialunternehmen Tip Me. Es ermöglicht Konsumenten während ihres Einkaufs in einem der Online-Stores einiger Partnerunternehmen, ein direktes Trinkgeld an jene Arbeiterinnen und Arbeiter zu schicken, die ihr Produkt hergestellt haben. Weiteres großes Innovationspotenzial liegt in der Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen, die es Konsumenten erlaubt, ihre Privatsphäre im Internet selbständig zu schützen. Das Start-up Wetell bietet zum Beispiel Mobilfunk basierend auf maximale Datenschutzstandards an. Wetell erhebt so wenig personenbezogene Daten wie möglich von seinen Nutzern und verspricht zudem, seine Dienstleistungen klimaneutral zu gestalten. Je größter das gesellschaftliche Bewusstsein für die Digitalisierung wächst, desto erfolgsversprechender sind solche verantwortungsvollen Innovationen.

Um den verantwortungsvollen Umgang mit der Digitalisierung von Unternehmen zu fördern und Gründerinnen und Gründer zu verantwortungsvollen digitalen Innovationen zu motivieren, müssen deren Kompetenzen gefördert werden, gerade auch hinsichtlich ethischer Fragestellungen. Hier ist die deutsche Bildungslandschaft gefragt. Es braucht mehr Aus- und Weiterbildungsangebote, insbesondere im Bereich der digitalen Ethik. Universitäten können und müssen einen Beitrag zur Ethical Literacy von Unternehmen im digitalen Zeitalter leisten.

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