Süddeutsche Zeitung

Forum:Gefährliche Größe

Die Sparkassen müssten sich reformieren, heißt es - und durch Fusionen wachsen. Das aber wäre falsch und vor allem sehr riskant.

Von Stefan Gärtner

Alle zehn Jahre wieder wird über die Sparkassen debattiert, die sich nicht an die neuen Zeiten anpassen wollen. Zu Beginn der 2000er-Jahre wurde nicht nur vonseiten der EU-Kommission ein Kontrollverfahren gegen die öffentlich-rechtlichen Sparkassen und deren Haftungsregime geführt; Deutschlands Bankensystem mit seinem hohen Anteil öffentlicher und kleiner dezentraler Banken wurde insgesamt als unmodern kritisiert. Dann kam die Krise - und überall wurde das Loblied auf die deutschen Sparkassen und Kreditgenossenschaften gesungen, weil sie dazu beitrugen, dass eine Kreditklemme verhindert wurde. Denn von der Krise waren sie - im Gegensatz zu den Landes- und Großbanken - kaum betroffen. Sie hielten an ihrem etwas langweiligen Geschäftsmodell, vor Ort Spareinlagen einzusammeln und wieder als Kredite zu vergeben, fest.

Zum Verständnis: Die 410 Sparkassen und 1020 Kreditgenossenschaften sind unabhängige Unternehmen. Sie werden entweder von ihren Gebietskörperschaften, also Städten und Landkreisen, oder von den Mitgliedern getragen. Und es stimmt tatsächlich: Sie haben ihre Kreditvolumen an Unternehmen seit der Krise ausgedehnt und den Rückzug der Großbanken damit kompensiert. Trotzdem sind es nun gerade Sparkassen und Kreditgenossenschaften, die jetzt besonders unter den Krisen-Gegenmaßnahmen der EZB leiden.

Denn die Nierigzinspolitik, die die Kreditvergabe ankurbeln soll, entwertet zugleich die Spareinlagen. Wenn das Geld umsonst von der EZB kommt, was sollen dann die Spareinlagen noch wert sein? Und auch, wenn sich das noch nicht in den Bilanzen zeigt, weil die lokalen Banken noch an höher verzinsten, langfristigen Krediten verdienen - der Effekt wird sich in den nächsten Jahren im Ertrag widerspiegeln. Sparkassen und ihre Verbände beklagen das bereits landauf, landab und fordern, dass sich Sparen wieder lohnen müsse. Aber nicht nur sie, auch die Medien - und natürlich die einschlägigen Unternehmensberatungen - greifen das Thema auf und führen schon wieder eine Modernisierungsdebatte: Die Sparkassen müssten sich demnach dringend reformieren und sollten beispielsweise größere Einheiten schaffen, um die negativen Effekte der EZB-Politik zu kompensieren.

Bei den vorgeschlagenen Maßnahmen aber wird vergessen, dass genau diese die Banken in anderen Ländern erst in die Krise geführt haben. In Spanien zum Beispiel wurde Ende der Achtzigerjahre im Zuge einer Modernisierungs- und Liberalisierungswelle die regionale Marktbegrenzung der dortigen Sparkassen abgeschafft und der Weg für Fusionen frei gemacht, um größere und damit vermeintlich wirtschaftlichere Einheiten zu ermöglichen. Viele dieser Sparkassen expandierten daraufhin in die wirtschaftlich prosperierenden Zentren des Landes. Da ihnen dort aber das nötige lokale Wissen fehlte, vergaben sie Kredite an Kunden, die bei anderen lokal eingebundenen Banken keine mehr erhielten. Hinzu kamen freilich weitere Fehler, wie politischer Druck, große kommunale Infrastrukturprojekte zu finanzieren, sowie die Fokussierung auf die Immobilienfinanzierung und eine fehlende Refinanzierung aus der Region.

Es lässt sich aber konstatieren, dass die Auflösung der geografischen Marktbegrenzung und das Schaffen großer Einheiten dazu beigetragen haben, dass heute nur noch zwei echte Sparkassen in Spanien existieren. Diese beiden haben - zu ihrem eigenen Glück - die Modernisierung verpasst. Und inzwischen hat Spanien insofern dazugelernt, dass 2013 das Regionalprinzip für diese zwei verbliebenen Sparkassen wieder eingeführt wurde.

Sicherlich zeigen auch die deutschen Sparkassen Schwächen: Manche Vorstandsbezüge und die damit einhergehenden Rentenverpflichtungen sind nicht angebracht, auch mancher Kredit wird aus politischen Gründen vergeben, die Verwaltungsräte als Kontrollgremien der Sparkassen sind nicht immer mit qualifizierten Mandatsträgern besetzt, und ganz sicher ließen sich Kosten senken.

Im Kern sollten die Sparkassen aber trotzdem in ihrer Struktur erhalten bleiben. Sie sind in ihrer regionalen Verankerung, in ihren Kompetenzen, in ihrem Eigenkapital und auch in ihren Erträgen stark und stabil. Auch wenn die niedrigen Zinsen in den nächsten Jahren auf die Erträge drücken werden, auch wenn die Digitalisierung dezentrale Banken mit dichtem Zweigstellennetz herausfordert, auch wenn der Wettbewerbsdruck steigt und auch wenn die Sparkassen - einfach, weil sie klein sind und daher für sie die Kosten höher sind - besonders von den zukünftigen Regulierungsanforderungen betroffen sind - es besteht kein Grund zur Panik.

Die Vorstände und Verbände der Institute sollten deshalb diese Stärke betonen und an dem originären Geschäftsmodell einer Universalbank in der Fläche festhalten. Und die Lokalpolitiker müssen sich der eigentlichen Stärke ihrer Sparkassen bewusst sein. Diese liegt nicht in der maximalen Gewinnausschüttung, sondern in ihrem Beitrag zur regionalen wirtschaftlichen Entwicklung. Vor allem ist es nicht von vornherein ausgemacht, dass fusionierte größere Einheiten automatisch auch ertragsreicher sind als die Summe ihrer kleineren Vorgänger.

Etwas mehr Bescheidenheit vonseiten der Sparkassen, beispielsweise im Bereich der Vorstandsvergütungen und der zurzeit viel diskutierten Rentenansprüche, würde es den lokalen Politikern einfacher machen, sich zu den lokalen Sparkassen zu bekennen. Natürlich darf ein Sparkassenvorstand gutes Geld verdienen, aber es hat Übertreibungen gegeben. Dies wird, wenn es gleichzeitig zu Ausfällen großer Kredite gekommen ist, gerne von den Medien aufgegriffen. Und daher auch der Appell an die Medien: Ja, das gibt es, und es ist wichtig, darüber zu berichten, aber dies sind noch immer Einzelfälle, und das begründet nicht, dass sich Sparkassen von Grund auf reformieren müssten. Und dann sind da noch die Unternehmensberatungen, die auch noch Geld verdienen müssen - da ist ein vermeintlicher Reformstau ein arbeitsreiches Geschäftsfeld. Natürlich gibt es viele Bereiche, in denen Sparkassen sich verbessern können, und vielleicht spricht auch nichts dagegen, die ein oder andere Zweigstelle zu schließen. Aber es sollte bei graduellen Änderungen bleiben.

Es ist einfach zu sagen, dass die einzelnen Sparkassen zu klein sind und sich daher die Anzahl in den nächsten Jahren verringern muss - zu einfach. Das Gegenteil ist aber richtig: Die Entwicklung in Spanien hat gezeigt, wie gefährlich es ist, sich zu weit von seinen Kunden zu entfernen, weil man dann zumindest im Unternehmenskreditgeschäft entweder schlechter entscheidet und es daher zu mehr Ausfällen kommt oder gar nicht mehr entscheidet und kleinere, unbekannte Unternehmen nicht mehr an die dringend benötigten Kredite kommen.

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Quelle:
SZ vom 29.08.2016
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