Forum:Es ist nicht genug für alle da

Michael Koetter

Michael Koetter ist Leiter der Abteilung Finanzmärkte am Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH). Als Professor für Financial Economics lehrt er an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg.

(Foto: IWH/oh)

Die Malaise der Banken geht jeden an. Gefragt ist eine kluge Politik - und nicht die Schaffung "Nationaler Champions".

Von Michael Koetter

Jedes dritte Kreditinstitut in der Europäischen Währungsunion (EWU) ist ein deutsches. Im Gegensatz zum EWU-Durchschnitt von 13 Banken je einer Million Einwohner sind es hierzulande 19 Institute. Gleichzeitig schrumpfen die Geschäftsvolumina seit einem Jahrzehnt. Die Zinsmarge ist seit zwei Dekaden bei einem Prozentpünktchen festgenagelt. Restrukturierungsbemühungen konnten steigende operative Kosten bestenfalls kompensieren. Zu viele Banken buhlen schlichtweg um zu wenig Ertragspotenzial.

Diese strukturelle Ertragsschwäche sollte nicht nur Bankeigentümer und -beschäftigte kümmern. Es liegt in der DNA eines vornehmlich durch Fremdkapital finanzierten Geschäftsmodells - der momentane Eigenkapitalanteil von 5,9 Prozent ist ein historischer Höchststand -, bei zunehmendem Ertragsdruck immer riskantere Wetten einzugehen. Und es ist aus zwei Gründen ein Unterschied, ob es Schlecker schlecht geht oder der Deutschen Bank. Erstens sind Banken eng miteinander vernetzt: Wenn die eine hustet, kriegt die nächste einen Schnupfen, und wenn es schlecht läuft, wird daraus eine veritable Grippewelle. Zweitens leiten Banken vor allem die Spareinlagen der Haushalte, also des Wahlvolkes, in Form von Krediten an Unternehmen weiter. Die Rettung zahlreicher in Schieflage geratener Landesbanken, aber auch privatwirtschaftlicher Häuser wie der Commerzbank, ist also politisch nachvollziehbar. Ökonomisch betrachtet sind Bankenrettungen jedoch vor allem eines: teuer. Bis Ende 2017 wurden 59 Milliarden Euro aus öffentlichen Haushalten aufgewendet. Darum sollten wir uns alle um strukturell ertragsschwache Banken sorgen.

Überkapazitäten im Bankwesen existieren auch, weil jeder föderale Flecken ein eigenes Finanzinstitut in Form einer Sparkasse sein Eigen nennt. Und eine eigene Bank will kein Politiker abtreten, wenn es denn nicht eben sein muss. Dies ist kein kommunales Phänomen. Auch Bund und Länder sind in seltener Einigkeit zu beobachten, wenn es darum geht, sogenannte National Champions zu hegen und zu pflegen. Die wenig subtilen Bemühungen Berlins, den Zusammenschluss der Deutschen Bank mit der zu 15 Prozent im Staatsbesitz befindlichen Commerzbank zu fördern, sind ein Beispiel für ökonomisch nicht so kluge Konsolidierung. Eine grenzüberschreitende, internationale Fusion hätte mehr Sinn, als zwei schwache deutsche Häuser zu einem "National Champion" erklären zu wollen. Die anstehende Rettung der Nord-LB durch die Bundesländer Niedersachsen und Sachsen-Anhalt ist das Gegenstück einer mangels Mutes gänzlich ausfallenden Konsolidierung auf Landesebene. 2,4 Milliarden der geschätzten Sanierungskosten von insgesamt 3,5 Milliarden Euro tragen die beteiligten Länder. Und wer weiß schon, ob es am Ende nicht noch teurer wird? Aber angesichts ausbleibender Ideen zur Neuausrichtung des Geschäftsmodells bleibt leider wenig zu hoffen. Den Rest der Sanierungskosten schultern regionale Sparkassen und andere Landesbanken, denen somit diese Mittel nicht zur Finanzierung innovativer Projekte in ihren regionalen Märkten zur Verfügung stehen. Das ist mehr als bedauerlich.

Bleibt zu fragen, ob politisch motivierte Konsolidierungsbarrieren die systemriskante Ertragsschwäche verursachen. Hier bieten Gebietsstandreformen ein quasi-experimentelles Labor, in dem sich dieser ursächliche Effekt exakt isolieren lässt. Die Sparkassengesetze der Länder bestimmen, dass jedes Institut nur einen kommunalen Träger haben darf, üblicherweise der Kreis. Seit 1992 gab es zehn Gebietsstandreformen, welche die Anzahl der Träger öffentlicher Banken um 140 auf etwa 400 reduziert haben. In der Folge waren Sparkassen in den betroffenen Regionen gezwungen zu fusionieren.

Am Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) haben wir alle 1627 regionalen Bankfusionen seit 1992 analysiert. Die Untersuchung liefert den eindeutigen Befund, dass die Eliminierung von Konsolidierungsbarrieren, also der Kreisgrenzen, substanzielle Ertragspotenziale freisetzt. Die durchschnittliche Eigenkapitalrentabilität nach erzwungenen Zusammenschlüssen ist vier bis sechs Prozent höher als bei freiwilligen Fusionen. Angesichts einer durchschnittlichen Eigenkapitalrentabilität von acht Prozent ist dies ein beachtliches Potenzial. Was die IWH-Studie auch zeigt: Auch die Realwirtschaft profitiert. Unternehmenskunden zwangsfusionierter Sparkassen zahlen 0,25 Prozent weniger Zinsen für Kredite und investieren bis zu 50 Prozent mehr. Wir sollten uns also um die Ertragsschwäche der Banken auch im Interesse einer offensichtlich effizienter gestaltbaren Kapitalallokation an die Realwirtschaft kümmern.

Warum also nicht den Gedanken weiterverfolgen, den der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands aufgeworfen hat: Ein integrierter Sparkassenkonzern anstatt der Rettung einer Nord-LB könnte die föderale Wirtschaftsförderung stärken. Vermutlich ist es auch nutzstiftender, keine nationale Lösung für die Deutsche Bank und die Commerzbank zu suchen. Es erscheint eher im Interesse der deutschen Wirtschaft, dass die Eigentümer der Bank um starke Partner aus dem Ausland werben dürfen und die Politik das tut, was sie am besten kann: Rahmenbedingungen schaffen. Die Schaffung von Rahmenbedingungen ist elementar, denn offensichtlich birgt eine weitere Konsolidierung auch Risiken. Die Integration großer Banken ist hochkomplex und wirtschaftlich oft nicht erfolgreich. Außerdem entstehen Institute, die im Falle einer Schieflage zu groß sein können, sowohl, um sie zu retten, als auch, um sie abzuwickeln.

Aber wegen der Konsolidierungsrisiken den Kopf in den Sand zu stecken und die nicht minder schwerwiegenden Risiken einer strukturellen Ertragsschwäche zu ignorieren, kann keine Alternative im Interesse der Steuerzahler sein. Vielmehr sollte die Verbesserung der Rahmenbedingungen im Zentrum der politischen Bemühungen stehen, anstatt eine kleinteilige und dirigistische Wirtschaftspolitik zu betreiben. Die Vollendung und Stärkung der Europäischen Bankenunion ist der Weg, um grenzüberschreitende Bankfusionen für Investoren attraktiv zu machen. Insbesondere eine umfänglich mandatierte europäische Einlagensicherung könnte Haftung und Kontrolle glaubhaft in unpolitischere Hände legen, als dies heute der Fall ist. Und zumindest im deutschen Bankwesen scheinen politische Fusionshemmnisse für die Ertragsmalaise mitverantwortlich zu sein. Die Hoffnung ist, dass Deutschland und Europa früh genug den nötigen Mut für kluge Konsolidierung aufbringen. Und die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

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