Forum:Durchbruch oder teurer Fehlschlag?

Die Klimapolitik der Bundesregierung belastet die Bürger stärker als geplant.

Von Friedrich Breyer und Klaus Schmidt

Der Bundestag hat letzten Freitag die ersten Maßnahmen des Klimapakets verabschiedet, auf die sich das Klimakabinett am 20. September geeinigt hatte. Deutschland soll damit zu einem Vorreiter im Kampf gegen den Klimawandel werden, ohne den Industriestandort zu gefährden. Grundlage für die Gesetzgebung ist das sogenannte Eckpunktepapier, das auf 22 Seiten insgesamt 66 Maßnahmen ankündigt, mit denen die deutschen Klimaziele bis 2030 erreicht werden sollen, aber gerade die Vielzahl der Einzelprojekte zeigt, wie wenig die Regierung von der Wirkung ihres Gesamtkonzepts überzeugt ist.

In der Einleitung zum Maßnahmen-Kapitel stellt sie fest: "Ein sektorübergreifender einheitlicher Preis für Treibhausgasemissionen ist volkswirtschaftlich der kosteneffizienteste Weg, Klimaziele zu erreichen." Dieser Satz könnte eins zu eins aus einem der zahlreichen Gutachten stammen, die ökonomische Beratungsgremien wie der Rat der Wirtschaftsweisen oder der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium in den Monaten zuvor vorgelegt hatten. Und genau darauf kommt es in Zukunft an: die Klimaziele für 2030 - anders als die für 2020 - nicht nur sicher zu erreichen, sondern dies mit den geringstmöglichen Opfern für Bürger und Wirtschaft zu tun. Das ist nur mit einem einheitlichen Preis für CO₂-Emissionen möglich. Der bunte Strauß angekündigter Maßnahmen zeigt aber, dass die Autoren des Papiers diesen so wichtigen Grundsatz nicht ernst nehmen, denn sonst würden sie das Ziel einer einheitlichen Bepreisung nicht durch so viele weitere Aktionen verwässern und verteuern.

Prof. Friedrich Breyer, Forum

Friedrich Breyer lehrt Volkswirtschaft an der Universität Konstanz.

(Foto: oh)

Wie man einen einheitlichen Preis für alle CO₂-Emissionen erreicht, darüber waren sich die Koalitionspartner uneinig: Die SPD favorisierte eine Preissteuerung durch eine CO₂-Steuer mit jährlich steigenden Steuersätzen. Hier wird der CO₂-Ausstoß durch die Steuer verteuert, es bleibt aber unsicher, wie stark er tatsächlich verringert wird. Die CDU/CSU tendierte zu einer Mengensteuerung mit einem Zertifikatehandel analog zu dem EU-weiten Zertifikatesystem, das bereits die Stromerzeugung und einige weitere energieintensive Wirtschaftszweige erfasst. Hierbei legt die Regierung die Menge an CO₂-Emissionen fest, die in den betroffenen Bereichen, vor allem Verkehr und Gebäudeheizung, ausgestoßen werden darf, und gibt genau diese Menge an Zertifikaten aus. Wenn die Menge gemäß den Klimazielen Jahr für Jahr sinkt, werden diese Ziele mit Sicherheit erreicht. Allerdings ist es hier schwer vorherzusagen, welcher CO₂-Preis sich auf dem Markt einstellen wird. Natürlich ist auch dieses System für den Verbraucher nicht kostenlos, denn die Zertifikatepflicht verteuert Heizöl, Benzin und andere fossile Brennstoffe. Wenn die bestehenden expliziten und impliziten CO₂-Abgaben (Ökosteuer, EEG-Umlage, etc.) abgeschafft und durch eine einheitliche CO₂-Steuer oder ei-nen Zertifikatemarkt ersetzt würden, dann wäre der Preis für eine Tonne CO₂ überall der gleiche, sodass die CO₂-Einsparungen dort erzielt würden, wo sie zu den geringsten Kosten möglich sind.

Klaus Schmidt, Forum

Klaus Schmidt lehrt Volkswirtschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Beide sind Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundeswirtschaftsministerium und haben maßgeblich an dem Gutachten "Energiepreise und effiziente Klimapolitik" mitgewirkt.

(Foto: oh)

Im Eckpunktepapier ist zwar von CO₂-Zertifikaten die Rede, aber dabei handelt es sich offensichtlich um einen Etikettenschwindel. Bis zum Jahr 2025 sollen diese Zertifikate zu festen Preisen ausgegeben werden, sodass gerade nicht die Menge, sondern der Preis festgelegt wird wie bei einer CO₂-Steuer.

In der öffentlichen Diskussion wird oft übersehen, dass der neue CO₂-Preis die unterschiedlich hohen bereits bestehenden Abgaben auf CO₂-Emissionen nicht ersetzt, sondern einfach aufgeschlagen wird. Das führt dazu, dass der CO₂-Preis für verschiedene Formen der Energieerzeugung unterschiedlich hoch ist. Insbesondere ist die Belastung von Heizöl und Erdgas sehr niedrig, während die Belastung des zunehmend regenerativ erzeugten Stroms durch EEG-Umlage und Stromsteuer fast zehnmal so hoch ist. Das erschwert den Umstieg auf Wärmepumpen und Elektromobilität. Zwar sollen die Stromabgaben bis 2023 um 0,625 Cent pro Kilowattstunde reduziert werden, aber das ist zu wenig, um eine Lenkungswirkung zu entfalten.

Während also der Grundsatz der einheitlichen Bepreisung des CO₂-Ausstoßes nur halbherzig umgesetzt wird, werden viele der zusätzlich geplanten oder schon beschlossenen Maßnahmen die Kosten des Klimaschutzes deutlich erhöhen. Drei Beispiele:

1. Die Kfz-Steuer soll sich nach den CO₂-Emissionen des Fahrzeugs richten. Die Kfz-Steuer ist aber unabhängig davon, wie viele Kilometer das Fahrzeug im Jahr zurücklegt. Dem Klima wäre mehr gedient, wenn sie abgeschafft und gleichzeitig die Mineralölsteuer erhöht würde, weil damit der Anreiz verbunden wäre, weniger Kilometer zu fahren und beim Neuwagenkauf auf den Spritverbrauch zu achten.

2. Für die energetische Sanierung von Gebäuden und den Kauf von Elektroautos soll es hohe Zuschüsse geben. Diese Zuschüsse entlasten Hausbesitzer und Autokäufer, führen aber in einem System mit vorgegebener Menge von CO₂-Zertifikaten, wenn dieses System denn von 2026 an kommt, zu keiner zusätzlichen Verringerung der CO₂-Emissionen. Diese werden allein von der Menge der ausgegebenen Zertifikate bestimmt.

3. Flugtickets werden von April 2020 an mit einer zusätzlichen Abgabe belastet. Soweit es sich dabei um Flüge innerhalb des EU-Gebiets handelt, ist damit jedoch keine Klimawirkung verbunden, weil diese Flüge im EU-weiten Emissionshandelssystem erfasst sind.

Schließlich werden für jeden Sektor (Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft etc.) eigene CO₂-Einsparziele formuliert. Dies widerspricht aber dem fundamentalen Grundsatz, Einsparungen dort vorzunehmen, wo sie am kostengünstigsten erzielbar sind.

Die geplanten Maßnahmen sind nicht nur ineffizient, sie führen auch zu fragwürdigen Verteilungswirkungen. Von den genannten Subventionen profitieren Hausbesitzer mit hohem Grenzsteuersatz und Autofahrer, die sich einen Neuwagen leisten können; die kleinen Leute gehen leer aus. Wenn die Regierung einen höheren CO₂-Preis wagen und die Einnahmen daraus als Pauschalzahlung an alle Bürger zurückgeben würde, wäre das nicht nur effektiver und kostengünstiger, es würde auch die Geringverdiener netto entlasten und damit die Akzeptanz des Klimaschutzes in der Bevölkerung erhöhen.

Zwar befinden sich unter den Einzelmaßnahmen auch einige wenige, die aus ökonomischer Sicht zu begrüßen sind, wie etwa die Förderung von Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet der CO₂-sparenden Techniken. Insgesamt muss man aber konstatieren, dass die Regierung mit diesen Vorschlägen das Ziel, Klimapolitik mit möglichst geringen Kosten für die Bevölkerung zu betreiben, weit verfehlt hat.

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