Süddeutsche Zeitung

Forum:Die Quote allein reicht nicht

Jeder sollte das Gefühl ent­wickeln können, dass er oder sie es im Unternehmen zu einer Führungsposition bringen kann. Ein Gastbeitrag.

Von Barbara Lutz

Kaum ein Thema hat mehr Konjunktur als die Diskussion über Frauenkarrieren. Dabei scheint in der öffentlichen Debatte die Erkenntnis zu reifen, dass an der Entwicklung von Frauenkarrieren intensiv und nachhaltig gearbeitet werden sollte. Moderne Führung heißt gemischte Führung.

Aber was müssen Entscheider tun, um Frauen zum Aufstieg zu verhelfen und ihnen damit eine faire Teilhabe im Unternehmen zu etablieren? Die Quote allein wird es nicht richten. Denn diese nackte Zahl sagt nichts darüber aus, welche Ziele mit der Förderung von Frauen eigentlich konkret verfolgt werden und wie das umgesetzt wird. Geht es beispielsweise darum, mehr Aufsichtsrätinnen oder Vorständinnen zu gewinnen, oder darum, die Karrierepfade für Frauen im gesamten Unternehmen zu verbessern? Letzteres hat einen deutlich stärkeren Einfluss auf die Wirksamkeit von Frauen in Führungspositionen. Zumal es hier darauf ankommt, weibliche Talente aus dem Unternehmen heraus zu entwickeln, und nicht etwa Stellen extern zu besetzen. Spätestens wenn die Quote nicht erreicht wurde, muss es ans Eingemachte gehen.

Nur wenn Mitarbeiter und Führung verstehen, aus welchem strategischen Grund das Unternehmen mehr Frauen in Führung anstrebt, kann aus einer Quote ein Unternehmensziel werden. Aber auch die Frauen sind in der Pflicht. Sie sollten stets ihre Chancen prüfen und für sich gewichten anstatt darauf zu hoffen, dass es die Quote schon richten wird. Denn trotz neuer Frauenbewegungen: Es gibt keine Karrieregarantien. Top-Managerinnen haben oft Berührungsängste, sich aktiv der Förderung von Frauenkarrieren anzunehmen. Dennoch gibt es Hoffnung.

In einer Umfragte für den Frauen-Karriere-Index gaben 57 Prozent der Personal-Entscheider aus 114 Unternehmen an, dass Frauen in Führungspositionen die laufenden Veränderungsprozesse im Unternehmen nachhaltig voranbringen können. Mehr Frauen in Führung zu bringen ist vielleicht die erfolgversprechendste und vergleichsweise simpelste Methode, um im internationalen und digitalen Wettbewerb zu bestehen. Man muss sich nur trauen, seinen Blickwinkel auf das Thema zu verändern und Stereotypen hinter sich zu lassen. Denn wer Frauenkarrieren als Management-Instrumentarium versteht und etabliert, profitiert auch in puncto moderner Unternehmenskultur. Aber der Weg dorthin ist lang und eher ein Marathon als ein Sprint. Firmenlenker müssen begreifen, dass der Erfolg oder Misserfolg von Frauenkarrieren sich in erster Linie an der Durchlässigkeit und Transparenz ihrer Unternehmensstrukturen bemisst.

Werden beispielsweise Besetzungsprozesse fair und transparent von unten nach oben durchdekliniert, haben Frauen gute Chancen. Das gilt übrigens auch für Männer, die etwas andere Vorstellungen von Karriere haben. In der Praxis sieht es leider häufig so aus, dass zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter bereits im Vorfeld besprochen wird, wer nun die Position erhalten soll. Dabei handelt es sich meist um eine Art "Inner Circle" in dem vorab festgelegt wird, wer die Position erhalten soll. Transparenz für alle - Fehlanzeige. In gewisser Weise ist dieses Verhalten zwar nachvollziehbar, allerdings vergibt das Unternehmen damit wertvolle Chancen, weitere Talente zu entwickeln.

Aus diesem Grund sind auch Mentoring-Programme sehr hilfreich, da sie die Möglichkeit schaffen, eine Vielzahl geeigneter Kandidaten im Unternehmen kennenzulernen und sich so ein Bild über deren Fähigkeiten zu machen. Aber Vorsicht, nur systematisch durchgeführte Maßnahmen führen zum Erfolg. Strukturverbesserungen lautet also das Gebot der Stunde, wenn es um Frauenkarrieren geht. Und zwar Veränderungen in Form von Fördermaßnahmen, die bei jedem Mitarbeiter und durch alle Ebenen hindurch spürbar sind. Jeder sollte das Gefühl entwickeln können, dass er oder sie es in dieser Unternehmenskultur zu einer Führungsposition bringen kann, ungeachtet von Arbeitsbedürfnissen, Geschlecht oder Gehalt. Damit könnten auch die leidigen Diskussionen über die Präsenzkultur oder Überstundenregelungen endlich ad acta gelegt werden.

Wichtig ist, dass das Management die Gleichwertigkeit von Frauenkarrieren vorlebt. Dazu gehört es auch, dass wichtige Meetings nicht immer erst am Abend, sondern beispielsweise am frühen Nachmittag einberufen werden. Es geht um Ergebnisse, nicht um Anwesenheit. Dieses Versprechen sollte das Management langfristig abgeben.

Wie können nun aber feste Standards, an denen sich handfeste Erfolgsfaktoren ablesen lassen, aussehen? Immerhin geht es um viele unterschiedliche Einflussfaktoren im Unternehmen, deren Entwicklung im Blick behalten werden sollte. Für regelmäßige Mess-Systematiken gibt es je nach Fokus unterschiedliche Herangehensweisen. Der WoB-Index (Women on Board) von Fidar (Initiative für mehr Frauen in den Aufsichtsrat) führt beispielsweise regelmäßig Erhebungen auf Basis öffentlicher Daten durch, die Aufschluss darüber geben, wie es um die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in Führungspositionen in börsennotierten Unternehmen bestellt ist. Etwas ausgeklügelter wird es, wenn man in die USA schaut. Mit der Edge-Methodik (Economic Dividence for Gender Equality), können Firmen sich zertifizieren lassen, wenn sie dauerhaft unterschiedlichste Diskrepanzen zwischen Männer- und Frauenkarrieren reduzieren wollen. Hier werden beispielsweise ungleiche Vergütungsmodelle, durchgängige Karrierepfade aber auch kulturelle Voraussetzungen durchleuchtet.

Der Frauen-Karriere-Index geht ebenfalls in diese Richtung. Er fungiert für alle indexierten Unternehmen als Seismograf und Maß, wenn es um Frauenkarrieren geht. Führungskräfte nutzen die Ergebnisse des Index, um konkrete Zusammenhänge zwischen der Entwicklung von weiblichen Talenten, ihrer Arbeitsumgebung sowie der Unternehmenskultur herstellen zu können. Er hilft auch, Veränderungen im zeitlichen Verlauf zu erkennen. Denn je nach Situation, in der sich das Unternehmen befindet, müssen einmal initiierte Maßnahmen wie ein Training gegen unbewusste Vorurteile oder die Bildung eines Frauen-Netzwerks nicht über Jahre hinweg dieselben Ergebnisse bringen. Schließlich verändern sich im Sog der Digitalisierung Tätigkeiten, Vorgesetzte und der organisatorische Rahmen. Das alles fließt in die Betrachtung ein. Insgesamt betrachtet kann daher die Quote bestenfalls Hilfsmittel sein. Wichtiger ist das definierte Unternehmensziel. Ein Faktum, das 200 indexierte Unternehmen bestätigen können.

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Quelle:
SZ vom 26.11.2018
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