Süddeutsche Zeitung

Forum:Die armen Influencer

Lesezeit: 4 min

Auch wenn die Akteure jammern: Wer gegen Entgelt den Absatz Dritter fördert, muss dies klar als Werbung kennzeichnen.

Gastbeitrag von Frauke Henning-Bodewig

Keine Woche ohne News von den Influencern. Klar, die mit einschlägigen Fotos versehenen Berichte über "Prominente", die ihre Blogs und Posts im Internet (auch) zum Geldverdienen nutzen, sind nett zu lesen. Auch ist die Vermischung von Content und Kommerz in den Social Media, einem ursprünglich rein privaten Kommunikationsmedium, in der Tat ein relativ neues Phänomen. Aber ändern sich damit nicht nur die Regeln der Werbung, sondern sogar "grundlegend" die des Wirtschaftslebens? (vgl. SZ vom 9.9.2017, S.23). Und stimmt es, dass es keine klaren Regelungen für Influencer gibt, also Wildwest im Netz herrscht? Oder umgekehrt, dass alles überreglementiert ist und man nun jedes auf Instagram und anderen Plattformen gezeigte oder erwähnte Produkt als Werbung kennzeichnen müsse - so Lena Meyer-Landrut, die "wütend" über unklare Instagram-Richtlinien ist? Wie beruhigend, dass Cathy Hummels, eine andere emsige Influencerin, die vor Kurzem vor dem Landgericht München wegen Schleichwerbung in Anspruch genommen wurde, bereits angekündigt hat, ihr Recht auf freie Meinungsäußerung bis hin zum BGH zu verteidigen.

Bevor es dazu kommt, sollte man vielleicht kurz innehalten. Der Hype um die Influencer mag verständlich sein, der Jurist reibt sich jedoch mitunter verwundert die Augen. Denn aus rechtlicher Sicht ist das sogenannte Influencer-Marketing nichts Neues. Es handelt sich vielmehr um die aus der Presse und dem Fernsehen altbekannte Schleichwerbung im neuen Gewand. Was erlaubt oder verboten ist, bestimmt deshalb nicht etwa Instagram, sondern das Gesetz. So gilt für das Influencer-Marketing, wie für alle Medien, das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG), zudem der Rundfunkstaatsvertrag und schließlich das Telemediengesetz. Alle diese Regelungen fordern, kurz gesagt, die eindeutige Offenlegung jeder nicht ohne Weiteres erkennbaren Absatzförderung.

Wenn Influencer rechtlichen Ärger bekommen, so geschieht dies zumeist auf der Grundlage von § 5a UWG, der jede versteckte kommerzielle Kommunikation verbietet, sofern hierdurch die angesprochene Zielgruppe einer Fehlvorstellung unterliegt. Das UWG mag alt sein, ist jedoch erstaunlich flexibel, wenn es gilt, neue Sachverhalte zu erfassen. So gibt es seit Jahrzehnten eine fein austarierte Rechtsprechung zur redaktionellen Werbung in der Presse. Als vor 30 Jahren erste Fälle der Schleichwerbung im Fernsehen bekannt wurden, war der Aufschrei groß. Ähnlich wie heute glaubte man rechtliches Neuland zu betreten und beklagte die Rechtsunsicherheit. Nichts davon traf zu. Mittels einiger wegweisender Urteile der Zivilgerichte (und ergänzender rundfunkrechtlicher Regelungen) war das Product-Placement bald rechtlich eingehegt.

Genau das geschieht gerade bei den Influencern. Niemanden kann es ernsthaft verwundern, dass ein neues Medium wie das Internet nicht sofort auch für kommerzielle Zwecke genutzt wird. Die Rechtsprechung der Zivilgerichte hat darauf reagiert und die für die Presse und das Fernsehen entwickelten Grundsätze ohne viel Federlesens übertragen. So hat das OLG Celle das Drogerieunternehmen Rossmann wegen Irreführung verurteilt, weil dieses einen Instagram-Influencer für lobende Worte über Sonderangebote bezahlt hatte. Erstaunlich aktiv sind jedoch auch die oft als schwerfällig gescholtenen Landesmedienanstalten geworden. Sie sind bereits mehrfach auf der Grundlage des Rundfunkstaatsvertrags gegen Schleichwerbung vorgegangen und können ihre Beanstandungen mittels Buß- oder Zwangsgeldern auch durchsetzen. Ungute Erfahrungen hat hiermit zum Beispiel "Flying Uwe", ein ehemaliger Mister Hamburg, gemacht, der Nahrungsergänzungsmittel einer Firma, in die er involviert war, in Youtube-Videos anpries.

Es gibt also auch im Internet die klare Ansage, dass derjenige, der gegen Entgelt auftragsgemäß den Absatz Dritter fördert, dies deutlich kennzeichnen muss und zwar mit dem Wort "Werbung". Andernfalls liegt eine Irreführung vor, weil die Zielgruppe - häufig Kinder und Jugendliche - zwar wissen mag, dass Influencer auch Werbung betreiben, im konkreten Fall jedoch in der Regel nicht realisieren wird, was nun privater Begeisterung und was kommerziellen Interessen entspringt. Genau hierauf beruht ja das Geschäftsmodell der Influencer, bei denen - anders als bei der Werbung mit Prominenten ("George Clooney für Nespresso") - der Werbecharakter eben nicht auf den ersten Blick erkennbar sein soll.

Natürlich gibt es, wie allgemein im Bereich der Werbung, auch beim Influencer-Marketing Sachverhalte, die noch nicht rechtlich geklärt sind. Sie betreffen etwa das sogenannte "Vertaggen". Eine entgeltliche Verlinkung mit der Seite des Herstellers eines präsentierten Produktes ist klar eine geschäftliche Handlung. Nach einem Urteil des LG Berlin vom 24.5.2018 soll das aber auch dann zutreffen, wenn im konkreten Fall kein Geld fließt, die Seite jedoch Kaufangebote enthält und der gesamte Blog gewerblich betrieben wird. Die Verlinkung diene dann nicht mehr nur Informationszwecken.

"Absurd" ist das nicht: Wer sein Influencertum zum Geschäftsmodell und zur Einnahmequelle macht ("Influencer als Beruf!"), ist rechtlich selbst Unternehmer und macht durch derartige Verlinkungen sein eigenes Influencer- Unternehmen für potenzielle Kooperationspartner attraktiv. Wie immer kommt es dabei auf die von Juristen so geliebten "Umstände des Einzelfalls" an - aber davon, dass jedes in den Social Media gezeigte Produkt angeblich als Werbung zu kennzeichnen sei, ist man weit entfernt.

Stehen Influencer nun hilflos vor einer für sie undurchschaubaren Rechtslage? Wohl kaum. Die meisten wissen sehr wohl, was Sache ist und sind klug genug, auf Abmahnungen/Verwarnungen geräuschlos einzugehen. Im Übrigen: Die Landesmedienanstalten haben einen Leitfaden für "Hinweise auf Produkte bei Youtube & Co" publiziert, der anhand von einfach dargestellten Sachverhalten ("Du bekommst das Produkt kostenlos zugeschickt") einen ersten Einstieg erlaubt. Im Netz finden sich zudem Blogs, die die Rechtslage recht gut aufbereiten. Und wenn Influencer tatsächlich ein Beruf ist - warum dann nicht einmal statt in einen PR-Berater in das Honorar eines Anwalts investieren? Wer beruflich als Influencer Geld verdient, hat sich auch an die Spielregeln dieses Berufs zu halten. Und das bedeutet: Kommerzielle Interessen müssen klar erkennbar sein. Genau wie in den Printmedien und im Fernsehen.

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Quelle:
SZ vom 15.10.2018
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