Forum:Das griechische Kartenhaus

Dr. Matthias Kullas,

Dr. Matthias Kullas, 40, leitet den Fachbereich Wirtschafts- und Fiskalpolitik am Centrum für Europäische Politik (cep). Er studierte Volkswirtschaftslehre an der Universität Würzburg und der Renmin Universität in Peking.

(Foto: oh)

Acht Jahre war das Land auf Finanzhilfen angewiesen. In Zukunft soll es wieder auf eigenen Beinen stehen. Doch ob das gelingt, ist fraglich.

Von Matthias Kullas

Am Mittwoch stimmt der Haushaltsausschuss des Bundestages über die Auszahlung der letzten Tranche des dritten Hilfsprogramms für Griechenland ab. Zweieinhalb Wochen später, am 20. August, endet das dritte Hilfsprogramm endgültig. Acht Jahre war Griechenland dann auf Finanzhilfen angewiesen. In dieser Zeit erhielt das Land Hilfskredite in Höhe von 274 Milliarden Euro, dies ist anderthalb mal so viel wie die restlichen Euro-Krisenstaaten zusammen bekamen. Aufgrund der niedrigen Zinsen und langen Laufzeiten der Finanzhilfen spart Griechenland pro Einwohner mehr als 30 000 Euro. Die Einsparungen, die mit den jüngsten Schuldenerleichterungen einhergehen, welche die Euro-Finanzminister vergangenen Monat beschlossen haben, sind dabei noch nicht einmal berücksichtigt.

Trotz dieser beispiellosen Unterstützung ist unklar, ob Griechenland dauerhaft ohne Hilfe in der Euro-Zone überleben kann. Nicht nur der hohe Schuldenstand von zuletzt 180,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) lässt daran Zweifel aufkommen, auch der Verfall der griechischen Kreditfähigkeit. Immerhin konnte dieser etwas verlangsamt werden. Anders ausgedrückt: Es wird schlimmer, aber nicht mehr ganz so schnell.

Für den Verfall der griechischen Kreditfähigkeit gibt es drei Gründe: Erstens schrumpft der Kapitalstock des Landes nun bereits seit sieben Jahren. Allerdings auch hier nicht mehr ganz so schnell wie bisher, was insbesondere auf eine Zunahme der Ausrüstungsinvestitionen zurückzuführen ist.

Zweitens ist das Land nach wie vor nicht wettbewerbsfähig. Dass das griechische BIP im vergangenen Jahr um 1,4 Prozent gewachsen ist, täuscht. Zerlegt man dieses Wachstum in seine Bestandteile, werden die Wettbewerbsprobleme offensichtlich. Denn das Wachstum ist allein darauf zurückzuführen, dass der Konsum zugenommen hat und der Kapitalstock nicht mehr ganz so schnell geschrumpft ist wie im Vorjahr. Die Exportentwicklung - ein Indikator für die Wettbewerbsfähigkeit - hat hingegen einen negativen Wachstumsbeitrag geleistet, da die Importe stärker zulegten als die Exporte.

Immerhin gibt es auch hier einen Hoffnungsschimmer: Die EU-Kommission erwartet für 2018 und 2019, dass die Exportentwicklung das Wirtschaftswachstum nicht mehr bremsen wird.

Die Regierung muss die Schwarzarbeit effektiver bekämpfen

Auf Probleme deutet drittens die weiter zu hohe Konsumquote Griechenlands hin. Das Land konsumiert 107 Prozent des verfügbaren Einkommens. Griechenland lebt damit im 13. Jahr in Folge über seine Verhältnisse. Zum Vergleich: Die deutsche Konsumquote betrug vergangenes Jahr 88 Prozent, die der EU 93 Prozent. Andererseits hat die griechische Bevölkerung den Gürtel schon merklich enger geschnallt. 2011 konsumierte das Land noch 117 Prozent des verfügbaren Einkommens. So zeigt sich alles in allem, dass acht Jahre Hilfsprogramme die wirtschaftliche Verfassung Griechenlands verbessert haben, der Weg zur Wiederherstellung der Kreditfähigkeit aber noch weit und steinig ist.

Die Herausforderungen auf diesem Weg sind enorm. So muss die Regierung den Haushalt konsequent konsolidieren, damit der Schuldenstand bis 2060 auf die in der Schuldentragfähigkeitsanalyse prognostizierten 127 Prozent des BIP sinkt. Dafür muss das Land über Jahrzehnte einen Primärüberschuss von durchschnittlich 2,4 Prozent des BIP aufweisen. Der Primärüberschuss gibt den Überschuss des öffentlichen Haushalts an, ohne Ausgaben für den Schuldendienst zu berücksichtigen. Außerdem muss das Wirtschaftswachstum bis 2020 auf 2,3 Prozent zulegen und sich dann langfristig bei einem Prozent einpendeln. Damit dies geschieht, muss Griechenland seine Rahmenbedingungen für Investitionen und seine Wettbewerbsfähigkeit verbessern. Dazu gehören die Reform der Sozialversicherungssysteme und die Modernisierung der öffentlichen Verwaltung. Die Regierung muss den Kurs der Privatisierungen fortsetzen sowie Schwarzarbeit effektiver bekämpfen.

Wie schnell das griechische Kartenhaus in sich zusammenfallen kann, zeigt eine Analyse der EU-Kommission. Demnach würden ein um 0,7 Prozentpunkte geringerer Haushaltsüberschuss, ein um 0,2 Punkte geringeres Wirtschaftswachstum und leicht höhere Refinanzierungskosten den griechischen Schuldenstand nicht senken, sondern auf mehr als 230 Prozent des BIP steigen lassen. Dass der Internationale Währungsfonds eine dermaßen auf Kante genähte Kalkulation nicht mittragen will und sich deshalb am dritten Hilfspaket finanziell nicht beteiligt hat, ist mehr als verständlich.

Auch die Euro-Finanzminister scheinen nur geringes Vertrauen in die Reform- und Sparbereitschaft der griechischen Regierung zu haben. Dies zeigt sich daran, dass sie die Gewinne, welche die Europäische Zentralbank (EZB) mit dem Kauf griechischer Staatsanleihen macht, nur dann an Griechenland auszahlen wollen, wenn sich das Land an die vereinbarten Spar- und Reformvorgaben hält. Ob dies Griechenland zu Reformen animiert, ist fraglich. In der Vergangenheit ließ sich die griechische Regierung solche Zusatzeinnahmen auch mal entgehen, statt unbeliebte Reformen durchzuführen.

Trotz der Gefahr, dass nach Ende des dritten Hilfsprogramms die Spar- und Reformbemühungen in Griechenland nachlassen, wird Griechenland an die Kapitalmärkte zurückkehren. Denn die kurzfristigen Risiken für private Kapitalgeber sind überschaubar. Erstens verfügt Griechenland über einen Kapitalpuffer von 15 Milliarden Euro. Zweitens könnten weitere Zinsstundungen und Laufzeitverlängerungen der bisherigen Hilfskredite beschlossen werden. Die Finanzminister haben in weiser Voraussicht beschlossen, solche Maßnahmen 2032 erneut zu prüfen.

Drittens gibt es noch die Notenbank. Die EZB könnte griechische Anleihen ankaufen, sobald diese nicht mehr als Ramsch eingestuft werden. Und viertens diskutieren die Finanzminister gegenwärtig zahlreiche weitere Möglichkeiten, kriselnden Euro-Staaten unter die Arme zu greifen: ESM-Darlehen ohne Auflagen, zins- und auflagenfreie Darlehen im Fall eines wirtschaftlichen Schocks oder eine europäische Arbeitslosenversicherung sind nur einige der aktuell diskutierten Maßnahmen. In einigen Jahren, wenn Griechenland wieder Hilfe benötigen wird, werden sie verfügbar sein.

Summa summarum wird deutlich, dass die vergangenen acht Jahre nicht nur Griechenland verändert haben, auch die Währungsunion hat sich merklich verändert.

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