Forum:Bitte kein Monopol!

Die Telekom bietet an, in die digitale Infrastruktur zu investieren. Und will dafür eine Alleinstellung. Aber das ist der falsche Weg.

Von Roland Koch

In diesen Tagen beschäftigen uns viele fundamentale Herausforderungen zur gleichen Zeit. Terrorismus, der Umgang mit einer großen Zahl von Flüchtlingen und die zunehmende Zerbrechlichkeit Europas. Man hat fast Hemmungen, die Liste zu erweitern. Aber in diesen Tagen werden auch die Weichen für die Zukunft unserer digitalen Infrastruktur gestellt. Diese sollten uns nicht gleichgültig sein.

Ich erinnere mich gut, wie der damalige Vorstandsvorsitzende der Deutschen Telekom, René Obermann, mich in der Hessischen Staatskanzlei besuchte. Er machte mir als Ministerpräsidenten einen verlockenden Vorschlag: Sein Unternehmen werde Milliarden in den Breitbandausbau der ländlichen Räume investieren, wenn die Politik der Telekom im Gegenzug ein Monopol für die vom Steuerzahler über Jahrzehnte finanzierte Kupfer-Infrastruktur gewährt. Dieses Angebot hat er übrigens auch einigen meiner Kollegen in anderen Bundesländern unterbreitet. Viele von uns haben damals einen solchen Rückfall in die Zeiten des Monopols abgelehnt. Unser Vertrauen in die Wirkungskräfte eines funktionierenden Wettbewerbs war stärker.

Der Zugang von Telekom-Konkurrenten zur Infrastruktur des ehemaligen Staatskonzerns ist essenziell für einen funktionierenden Wettbewerb auf dem Telekommunikationsmarkt. Die Deutschen haben davon profitiert, weil nach der Öffnung des Telekommunikationsmarktes Wettbewerber frischen Wind in den Markt gebracht haben: Die Preise sind massiv gefallen, technologische Innovationen und neue Produkte wurden zügig eingeführt.

Jetzt besteht mit einem Antrag der Deutschen Telekom bei der Bundesnetzagentur allerdings die reale Gefahr, dass ein Angriff auf den Wettbewerb Erfolg haben könnte - und damit die digitalen Zukunftschancen Deutschlands leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden. Die Telekom will mit dem sogenannten Vectoring die alten Telefon-Kupferdrähte ertüchtigen und sie zu Minimal-Breitband-Kupferdrähten machen, anstatt in moderne Glasfaserkabel zu investieren. Dazu will sie den Wettbewerb auf der letzten Meile, also bei den Hausanschlüssen, einschränken. Hierzu liegt ein Vorschlag der Bundesnetzagentur vor, der den Wettbewerb um die beste digitale Versorgung von Unternehmen und Bürgern für viele Jahre blockieren würde. Dabei ist gerade jetzt eine Haltung notwendig, die den Wettbewerb erleichtert und nicht erschwert. Zu gewaltig sind die Herausforderungen der Digitalisierung, als dass es sich Deutschland leisten könnte, auf die positiven Kräfte des Wettbewerbs zu verzichten. Stattdessen wird die über lange Jahre gepflegte ordnungspolitische Klarheit einem Interventionismus geopfert.

Weil die öffentlichen Mittel für die Schaffung der unerlässlichen Infrastruktur nicht zur Verfügung stehen, soll die Telekom einspringen und zumindest den alten Kupferdraht modernisieren. In einem Deal wird ihr im Gegenzug ein Monopol genehmigt. Die öffentliche Förderung des Breitbandausbaus sollte stets ein Mittel der zweiten Wahl sein. Die Vergangenheit hat eindrucksvoll gezeigt, dass zunächst ein funktionierender Wettbewerb auf dem Telekommunikationsmarkt die Internetversorgung mit leistungsfähiger Glasfaser vorantreibt. Der vorliegende Vorschlag der Bundesnetzagentur tut so, als ob es diese Erfolge nicht gab.

Müsste es nicht der Anspruch einer führenden Industrienation wie Deutschland sein, jetzt konsequent auf Zukunft zu setzen und die Kraft des Wettbewerbs zu nutzen, um das Glasfasernetz für die Gigabit-Gesellschaft zu schaffen? Die aktuellen Pläne sind ziemlich genau das Gegenteil. Stattdessen sehen wir eine Remonopolisierung. Und niemand scheint dies zu beunruhigen.

Das Vectoring hätte zur Folge, dass andere Betreiber die Netze nur noch sehr schwer nutzen können. Zudem wären sie auf einen Zugang angewiesen, dessen Qualität von jenem Unternehmen bestimmt wird, das sie zuvor aus dem Netz verdrängt hat: der Deutschen Telekom. Für eine solche kurzatmige Renaissance des guten alten Kupferkabels wird der Wettbewerb auf dem Telekommunikationsmarkt schwerst verletzt. Selbst die Monopolkommission hat ihre Sorge um einen funktionierenden Wettbewerb bereits zum Ausdruck gebracht. Die Stimmen, die sich für mehr ordnungspolitische Klarheit und die Rückkehr zu den wettbewerblichen Elementen einer Freiheitsordnung einsetzen, dringen allerdings nur sehr verhalten in den politischen Raum.

Nun meinen manche, die Bundesregierung sei zur Erreichung des richtigen Ziels - möglichst bald jeden Haushalt in Deutschland an ein Breitbandnetz anzuschließen - gezwungen, die ihr nachgeordnete Bundesnetzagentur zu dieser elementaren Kehrtwende in der Wettbewerbspolitik zu drängen. Es ist daher wichtig, festzuhalten, dass diese Einschätzung falsch ist. Eine gemeinsame Anstrengung aller Wettbewerber würde das Ziel ebenso erreichbar machen. Und sie würde sogar sehr viel schneller sehr viel mehr zukunftsfeste Kabeltechnologien überall ermöglichen.

Wenn die Politik nun wirklich glaubt, sie brauche die etwas altertümliche Brücke des Vectorings und damit eine technische Privilegierung der Deutschen Telekom, dann wäre es politisch und rechtlich wenigstens geboten, den Wettbewerbern durch harte und klare Auflagen zur Offenheit und Qualität der Telekom-Technik die Chance zu lassen, weiterhin am Wettbewerb teilzunehmen. Das sieht die Bundesnetzagentur überraschenderweise in ihren Vorschlägen nicht vor. So wird ein einziger Anbieter nach fast 30 Jahren erfolgreicher Marktwirtschaft wieder die Angebote diktieren.

Die Offerte von Obermann war für Politiker auch vor fast einem Jahrzehnt schon attraktiv. Dem Bürger höhere Preise für Telekommunikation und deren Infrastruktur abzunehmen, weil in den Haushalten von Bund und Ländern das Geld nicht bereitgestellt werden kann, ist immer verlockend. Allerdings genießen wir heute ein Breitbandangebot, das in seiner technischen Vielfalt und seiner Leistungsfähigkeit nie möglich gewesen wäre, wenn der Markt in der Hand eines Monopolisten geblieben wäre. Heute haben wir diesen Wettbewerb der besten und schnellsten Technik zu niedrigsten Preisen.

Man kann nicht alles haben, die Politik muss Prioritäten setzen. Die Wiedererrichtung eines technischen und wirtschaftlichen Monopols schließt vermeintlich einige ländliche Räume schneller an ein älteres Breitbandnetz an. Aber der Preis ist die Abkopplung Deutschlands vom Wettbewerb um weltweit beste und schnellste Technik zu vernünftigen Preisen durch Wettbewerb.

Dieser Preis ist auch heute unvertretbar hoch. Bei allen Herausforderungen dieser Tage wäre es gut, wenn der Aufschrei von Ordnungspolitik und Industrie eine solche folgenschwere und kaum revidierbare Fehlentscheidung noch verhindern könnte.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: