Es braucht bei einem Boxkampf zwei Kontrahenten auf Augenhöhe, damit sich die Menschen auch Jahrzehnte danach noch daran erinnern. Es muss ein legendäres Duell sein, wie Muhammad Ali gegen Joe Frazier. Nun treten im virtuellen Ring der Smartphone-Apps zwei solche Kontrahenten gegeneinander an: Epic Games gegen Google. Es geht um viel Geld und den Einfluss der großen Tech-Unternehmen. Bisher sind die Entwickler von Handyspielen sehr abhängig von Anbietern wie Google und Apple. Das soll sich ändern - die Pläne der Fortnite-Entwickler könnten gravierende Auswirkungen auf die komplette Branche der Smartphone-Apps haben.
In der einen Ecke also: Google, dessen Betriebssystem Android laut der Statistikfirma Statcounter weltweit auf mehr als 77 Prozent aller Mobiltelefone installiert ist. Das Unternehmen kann es sich aufgrund dieser Marktmacht leisten, von den Herstellern eine Beteiligung von 30 Prozent zu fordern, damit eine App im Google Play Store verifiziert, verkauft und vermarktet wird. So wie es Apple (Marktanteil des Betriebssystems iOS weltweit knapp 20 Prozent) auch tut. Viele App-Erfinder haben sich über diese Bedingungen beschwert, aber bislang war noch keiner von ihnen groß oder mutig genug, Google wirklich herauszufordern - viel Geld kann man mit Apps schließich trotzdem verdienen.
In der anderen Ecke: Epic Games, Hersteller eines der erfolgreichsten Videospiele der Geschichte. Die Battle-Royale-Version von Fortnite, bei der 100 übers Internet verbundene Menschen in einer Art Hunger-Games-Wettkampf gegeneinander antreten, kann kostenlos heruntergeladen werden. Das haben innerhalb eines Jahres mehr als 125 Millionen Menschen getan.
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Epic Games hat mit Fortnite bislang mehr als 1,2 Milliarden Dollar eingenommen, weil die Leute die Möglichkeit haben, ausgefallene Klamotten und witzige Tänze für ihre Spielfiguren zu kaufen. Die bringen zwar nichts für den Spielerfolg, sind mittlerweile aber Teil der Popkultur. Wer ein Kind im Teenageralter hat und sich wundert, warum es schon wieder komische Verrenkungen aufführt: Es ist höchstwahrscheinlich ein Tanz aus Fortnite.
Es gibt das Spiel auf Computern, Konsolen und iOS-Geräten, nun soll es auch auf dem Betriebssystem Android erscheinen - Gerüchten zufolge soll es an diesem Freitag so weit sein, wenn das Samsung Galaxy Note 9 auf den Markt kommen wird. Bislang haben Epic Games und Samsung diese Gerüchte allerdings weder bestätigt noch dementiert.
Entwickler brauchen keine Mittelsmänner mehr
Epic-Games-Chef Tim Sweeney hat nun in mehreren Interviews und Twitter-Einträgen angekündigt, dass sich die Leute das Spiel nicht im Google Play Store werden herunterladen können, sondern einen so genannten "Sideload" verwenden müssen. Die Nutzer müssen auf ihren Mobiltelefonen die Funktion "Unknown Sources" erlauben. Das ist eine Art Sicherheitsschleuse: Erst wenn die Funktion aktiviert ist, können die Nutzer Daten von nicht durch Google verifizierten Anbietern installieren. Über den sogenannten Fortnite Installer kann das Spiel dann kostenlos heruntergeladen werden.
"Das Großartige an der digitalen Revolution ist doch, dass es keine Stein-und-Mörtel-Geschäfte und Mittelsmänner mehr braucht. Wir können direkt mit unseren Kunden kommunizieren", sagt Sweeney der Tech-Webseite The Verge. Er akzeptiere die 30-Prozent-Beteiligung von Konsolenfabrikanten wie Microsoft und Nintendo, weil die enorm in Hardware und Marketing investieren müssten. Die hohe Beteiligung für Apple und Google sei angesichts der erbrachten Leistungen ("Abwicklung der Bezahlung, Download-Bandbreite, Kundenservice") nicht gerechtfertigt: "Die Spieleentwickler tragen die Kosten für Entwicklung, Betrieb und Instandhaltung."
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So sehr sich viele Hersteller von Smartphone-Apps nun freuen, dass es jemand auf Augenhöhe mit Google aufnimmt, so sehr dürften sich allerdings auch Bösewichte freuen. Ihnen wird damit womöglich eine Tür zu den Daten von Millionen von Nutzern geöffnet werden. Software aus unbekannten Quellen ist oftmals nicht ein erfolgreiches Videospiel, sondern bisweilen auch ein schädliches Produkt. Im Internet kursieren bereits mehrere Spiele, die wie Fortnite daherkommen, jedoch als datenklauende Virenschleudern identifiziert werden.
Das Spiel wird größtenteils von technikaffinen Jugendlichen und jungen Erwachsenen gespielt, die zwar wissen dürften, wie dieser "Sideload" funktioniert. Doch sie könnten ihr Telefon trotzdem unabsichtlich infizieren, so lange sie die Unknown-Sources-Funktion erlauben.
Epic Games würde es auch mit Apple aufnehmen
Apple gestattet im Gegensatz zu Google keine Sideloads, und es ist beinahe unmöglich, diese Sperre zu umgehen. Epic betont, dass es deshalb kein Kampf gegen Google allein sein soll. In einem Statement heißt es auf Anfrage: "Wenn die Frage lautet: 'Würden wir das auch tun, wenn es auf iOS möglich wäre?', dann wäre die Antwort: 'Ja'."
Google hat sich zu dem möglichen Streit bislang nicht geäußert. Das Unternehmen hat über den Play Store im vergangenen Jahr mehr als 20 Milliarden Dollar eingenommen, das ist eine Steigerung von mehr als 35 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dieses Wachstum könnte sich verlangsamen oder gar rückläufig sein, sollten andere Hersteller dem Beispiel von Epic folgen.
Das Betriebssystem ist ja auch deshalb so erfolgreich, weil es eben nicht so restriktiv daherkommt wie das von Apple. Google wird also eine Entscheidung treffen müssen: Soll es den Angriff des mächtigen Gegners wegstecken? Sich wehren und restriktiver agieren? Mit Epic Games verhandeln und damit die Tür zu Schachereien mit anderen Herstellern öffnen?
"Diese offenen Plattformen sind ein Ausdruck von Freiheit", sagt Sweeney: "Mit dieser Freiheit kommt Verantwortung." Das gelte auch für seine Firma. Er versprach, sein eigenes Produkt so sicher wie möglich zu machen. Allerdings, so Sweeney, trage auch der Nutzer Verantwortung dafür, was er auf seinem Telefon installiere. Der Epic-Chef tut erst gar nicht so, als wäre er der David oder gar Robin Hood bei diesem Duell. Es ist ein Duell zweier Giganten auf Augenhöhe, und genau deshalb muss man Ausgang und Auswirkungen mit Spannung erwarten. Wie bei Ali gegen Frazier.