Halbleiter, jaja, die werden auch in Deutschland produziert. In Dresden zum Beispiel. Aber Hochleistungschips, wie sie in Laptops stecken oder in den schier endlosen Computer-Regalen von KI-Rechenzentren, die kommen aus den USA, Israel und vor allem aus Asien. Und doch: Wenn es darum geht, die kleinen Wunderwerke herzustellen, läuft nichts ohne die Beiträge deutscher Unternehmen. Führende Mitarbeiter von zweien davon, Zeiss und Trumpf, werden in diesem Jahr für ihre Verdienste um die Chipfertigung mit dem Werner-von-Siemens-Ring ausgezeichnet, einem der höchsten deutschen Preise für Forschung und Entwicklung in den Naturwissenschaften. Sowohl Peter Kürz von Zeiss als auch Michael Kösters von Trumpf erhalten den mit 10 000 Euro dotierten Preis stellvertretend für ihre Teams.
Um zu verstehen, was die beiden und ihre Mitarbeiter eigentlich machen, muss man ein wenig eintauchen in die Herstellung der kleinen Siliziumplättchen. Vereinfacht gesagt, werden nach den Vorgaben der Computerchip-Designer sogenannte Masken hergestellt. Ein Mikrochip besteht aus Ebenen von elektrischen Leitungen, und jede dieser Ebenen wird mit einer spezifischen Maske hergestellt. Diese kann man mit einem Negativ wie bei der analogen Fotografie vergleichen. Über die Masken lässt man Licht auf etwa schallplattengroße Siliziumscheiben, sogenannte Wafer, scheinen. Diese sind mit lichtempfindlichem Material beschichtet, das an den belichteten Stellen mithilfe von Chemikalien weggeätzt wird. Die weggeätzten Strukturen müssen mit Metall befüllt und dann wieder glatt poliert werden, bevor der nächste Fotolack aufgetragen wird. Um einen Chip herzustellen, wird dieser Prozess bis zu hundertmal wiederholt.
Als wäre das nicht schon kompliziert genug, kommt noch hinzu, dass sich das Ganze in Dimensionen abspielt, die kaum noch vorstellbar sind. Die einzelnen Chips sind nur etwa so groß wie ein Fingernagel, darauf müssen Milliarden kleiner Schalter entstehen, die, von winzigen elektrischen Spannungen angeregt, zwischen zwei Zuständen hin- und herschalten können: Transistoren.
Die Wellenlänge des Lichts, mit dem in den Maschinen die Masken beleuchtet werden, spielt dabei eine entscheidende Rolle. Es gilt: Je kleiner die Wellenlänge, desto winziger sind die Strukturen, die man abbilden kann. Da es um Strukturen im Bereich weniger Millionstel Millimeter geht, muss die Wellenlänge enorm kurz sein. Das bietet extremes UV-Licht mit einer Wellenlänge von 13,5 Nanometern, daher die Abkürzung EUV.
Wie aber erzeugt man extrem ultraviolettes, also kurzwelliges Licht? Auch das klingt so unglaublich, dass man sich wundern muss, wie so etwas überhaupt funktionieren kann. „Dazu wird mit kurzen Laserpulsen, zwei direkt hintereinander, auf ein Metalltröpfchen geschossen“, erklärt Michael Kösters. „Mit dem ersten wird das Tröpfchen sozusagen vorbereitet, mit dem zweiten erzeugt man ein extrem heißes Plasma, und dieses Plasma emittiert Licht bei der Wellenlänge 13,5 Nanometer.“ Das Ganze passiert 50 000-mal pro Sekunde.
Die verwendeten Laser haben eine durchschnittliche Leistung von etwa 30 Kilowatt, etwa zwei- bis dreimal so viel wie Schneidlaser in der Industrie, sagt Kösters. Letztere laufen aber dauernd, die Pulse der Laser für Chips dagegen sind sehr kurz, die einzelnen Pulse sind daher noch um ein Vielfaches stärker. Das Plasma wird dadurch 40-mal heißer als die Sonnenoberfläche. Der Laserstrahl muss dafür über unzählige optische Elemente geleitet, dabei verstärkt und schließlich mit besonders leistungsfähigen Optiken auf die Tröpfchen gerichtet werden.
Das richtige Licht ist nun also da – nun muss es nur noch dahin, wo es gebraucht wird. Hier kommt Zeiss ins Spiel, wie Peter Kürz erläutert. Weil EUV-Strahlung von Luft und auch Gas absorbiert wird, hat Zeiss ein optisches System entwickelt, welches im Vakuum arbeitet und nur Spiegel einsetzt. Ein großer Spiegel sammelt das Licht, ein Beleuchtungssystem belichtet die Maske. Dann werden mit weiteren Spiegeln winzige Strukturen auf den mit Lack beschichteten Wafer projiziert. Wäre einer dieser Spiegel so groß wie die Fläche Deutschlands, würde die größte Erhebung oder Senke darauf nur einen Zehntelmillimeter messen, erklärt Kürz: „Das sind die präzisesten Spiegel der Welt.“ Inzwischen, sagt Kürz, könne man mit den modernsten Maschinen Strukturen von bloß noch acht Nanometer Breite erzeugen – Weltrekord.
Der Experte hat noch ein weiteres Beispiel parat: Würde man einen Laserstrahl mit einem der Spiegel zum Mond umlenken, könnte man darauf einen Golfball treffen. Denn, sagt Kürz, es geht nicht bloß um die Spiegel selbst, auch die gesamte Mechatronik und die nötige Mess- und Fertigungstechnik hat das Unternehmen entwickelt. Das ging nicht von heute auf morgen, an der Technologie arbeitete man bei Zeiss schon seit Mitte der 1990er-Jahre. Schließlich aber kamen alle Puzzleteile zusammen – in den gewaltigen Maschinen des niederländischen Herstellers ASML, des einzigen weltweit, der solche Belichtungsmaschinen für die modernsten Chips etwa von Apple herstellen kann. Laut Kürz sind dies die kompliziertesten Fertigungsmaschinen der Welt.
Dass solche bedeutenden Entwicklungen aus Deutschland und Europa kommen, macht die beiden Forscher stolz. Sie wünschen sich, dass Technologien wie diese auch weiter gefördert werden. Bisher sei das durchaus der Fall gewesen, lobt etwa Peter Kürz. Und es gebe auch weiter Förderung mit dem Ziel, dass Europa in diesem Bereich seine führende Rolle behält. Kürz würde es auch begrüßen, wenn in Europa wieder mehr Fabriken für Mikrochips entstünden, was nach Intels Entscheidung, den Bau der in Magdeburg geplanten Fabrik um zunächst zwei Jahre zu verschieben, erst einmal infrage zu stehen scheint.
Verliehen wird der Preis am 13. Dezember – dem Geburtstag des Namensgebers Werner von Siemens.