Süddeutsche Zeitung

Forschung:Mann weg, Geld weg?

Alleinerziehende sind häufig arm - das liegt nicht nur daran, dass sie allein sind, fand das Kölner IW heraus.

Von Bernd Kramer

Ein Leben mit Kind und ohne Partner, das ist in Deutschland eine Herausforderung. Und ein gewaltiges Risiko: 27 Prozent der Alleinerziehenden waren laut Statistischem Bundesamt 2017 ohne Job. Geht die Waschmaschine oder das Auto kaputt, sind viele Alleinerziehende aufgeschmissen. Unerwartete Ausgaben von etwa 1000 Euro können zwei Drittel von ihnen nicht bewältigen. Unter allen Menschen in Deutschland haben laut Statistik nur 30 Prozent damit Probleme.

Die Erklärung scheint hier nahezuliegen: Fällt der Partner weg, fehlt auch sein Einkommen. Es fehlt der Mensch, mit dem man sich Haushalt und Erziehung teilen kann. Für einen Job bleibt kaum Zeit, alleinerziehende Mütter rutschen in die Armut. Ganz falsch ist das nicht. Eine neue Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) korrigiert dieses Bild allerdings nun ein wenig: Die Schwierigkeiten, mit denen viele Alleinerziehende auf dem Arbeitsmarkt zu kämpfen haben, fangen oft vor der Trennung an. Die Studie liegt der Süddeutschen Zeitung vorab vor.

"Die Debatte um die Situation von Alleinerziehenden konzentriert sich sehr stark auf die Partnerlosigkeit. Aber diese ist gar nicht allein schuld an den Problemen vieler Alleinerziehender", sagt der Studienautor Wido Geis-Thöne. "Um Alleinerziehende optimal zu unterstützen, müssen wir auch die anderen Gründe ihrer oftmals prekären Lage besser verstehen." Kurz gesagt: Hilft man Alleinerziehenden nach der Trennung vor allem mit besserer Kinderbetreuung - oder braucht es mehr?

Der IW-Forscher hat dazu die Daten des "Sozioökonomischen Panels" ausgewertet, eine regelmäßige Befragung Tausender Haushalte in Deutschland. Dabei zeigte sich: Je höher das Einkommen ist, desto seltener zerbricht eine Partnerschaft mit Kindern. Frauen in ärmeren Haushalten laufen häufiger Gefahr, alleinerziehend zu werden als solche in reicheren Familien. Besonders stark steigt das Trennungsrisiko dabei, wenn das Paar Hartz IV bezieht - um 3,2 Prozentpunkte. Andere Faktoren, die ebenfalls Einfluss auf eine Trennung haben könnten - etwa der Bildungsabschluss, das Alter oder die Zahl der Kinder - hat Geis-Thöne dabei schon herausgerechnet.

Warum brechen ärmere Familien eher auseinander? Eine - sehr streng ökonomische - Vermutung wäre: Für Hartz-IV-Empfänger ist es mitunter günstiger, nicht als Paar zusammenzuleben. Allein stehe beiden Partnern mehr Geld zu als in einer sogenannten Bedarfsgemeinschaft - was ein Anreiz für eine Trennung sein könnte, vielleicht auch nur für eine scheinbare. Die genauen Gründe sind aus den Daten nicht herauszulesen. Geis-Thöne geht allerdings nicht davon aus, dass solche Kalküle hinter dem Studienergebnis stehen. "Es liegt wohl eher daran, dass fehlende Rückzugsmöglichkeiten in der Wohnung, die angespannte finanzielle Lage und die ungünstigen Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt zu Konflikten in der Beziehung führen."

Der IW-Forscher empfiehlt daher, dass Familien in schwierigen Lagen früh Beratungsangebote bekommen, um mit Beziehungskonflikten besser umzugehen. "Noch wichtiger ist aber, dass Alleinerziehende mehr Möglichkeiten zur Qualifizierung bekommen, gegebenenfalls auch in Teilzeit", sagt Geis-Thöne. "Bessere Betreuungsangebote für die Kinder sind nötig, reichen aber alleine nicht aus."

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Quelle:
SZ vom 12.08.2019
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