Formel 1: Dietrich Mateschitz:Im Namen der Dose

Sebastian Vettel verdankt seinen WM-Titel vor allem Dietrich Mateschitz. Der Österreicher ist Multimilliardär und Herr über das Red-Bull-Imperium - und befindet sich in einem interessanten Wettstreit mit Arnold Schwarzenegger.

Johannes Aumüller

Seit 1992 arbeitet Kai Ebel als Formel-1-Boxenreporter für den Fernsehsender RTL, und in diesen 18 Jahren hat Kai Ebel drei Dinge bewiesen.

MATESCHITZ

Eigenwilliger Finanzier: Dieter Mateschitz ist einer der Männer hinter Sebastian Vettels WM-Erfolg.

(Foto: AP)

Dass es einen Journalisten gibt, der sich noch mehr als Waldemar Hartmann heranwanzt. Dass es in der stets auf Schick und Glamour bedachten Formel-1-Welt auch mit merkwürdiger Kleiderwahl klappen kann. Und dass er am Rande eines Rennens jeden, aber wirklich jeden vors Mikro bekommt.

Doch der Tag, an dem sich Sebastian Vettel sensationell den WM-Titel in der Formel 1 sicherte, brachte auch für Kai Ebel ein selten gekanntes Glücksgefühl - ein Interview mit Dietrich Mateschitz.

Normalerweise gibt sich der 66-jährige Besitzer des Vettel-Rennstalls und Multimilliardär (geschätztes Vermögen laut Forbes: vier Milliarden Dollar) an der Strecke ziemlich zurückhaltend. "Sie werden mich sicher nicht mit Funkgerät, Headset und Stoppuhr an der Boxenmauer sehen", hatte er zu seinem Einstieg in die Königsklasse des Motorsports gesagt - und sich in den Folgejahren daran gehalten. Interviews geben bei Red Bull die Fahrer und der Teamchef, aber nicht der Besitzer.

Doch an diesem Sonntag des Triumphs stand der Boxenreporter neben Mateschitz und rang ihm ein paar Sätze zum Sieg seines Fahrers ab. "Es ist wunderschön, damit haben wir nicht mehr gerechnet. Es ist einfach gewaltig. Am Schluss haben wir vielleicht mehr Glück als Verstand gehabt, aber es passt schon", sagte Mateschitz - ehe er den nun bittenden Kollegen Ebels in alter Interviewverweigerungshaltung zuschnauzte: "Jetzt lasst mich ziehen."

Es wirkt ein wenig paradox. Da ist ein Unternehmen wie Red Bull, das so sportlich, hip und wegen seines Preises auch ein wenig elitär daherkommt - und das die erfolgreichste Energydrink-Marke weltweit ist. Und andererseits gibt sich der Chef so zurückhaltend wie der Eigentümer der örtlichen Familientischlerei in Posemuckel.

Doch die Leisetreterei passt zu Mateschitz. Er gibt sich nicht nur an der Rennstrecke, sondern auch privat zugeknöpft. Er ist ein erklärter Ehegegner, hat aus einer früheren Beziehung einen Sohn im Teenie-Alter und eine Leidenschaft für Extremsportarten, für schnelle Autos und Flugzeuge - das war's.

Die Reise nach Thailand

In Klatschblättern will er seinen Namen nicht lesen. Zur Not würde Mateschitz die Hochglanzmagazine wohl eher kaufen. "Vielleicht lässt sich dadurch am besten verhindern, dass ich darin auftauche", sagte er einmal in einem Interview mit dem Spiegel.

Der Journalist Michael Nikbakhsh berichtete vor einigen Jahren in einem österreichischen Magazin (Titel: "Wie Mateschitz unerwünschte Biografien verhindert"), wie er sich vergebens um ein Porträt des Unternehmers bemühte. Eine seiner Anekdoten: Als er den Gemeindesekretär von Mateschitz' steirischem Heimatort gefragt habe, wo der zur Schule gegangen sein, habe er zur Antwort erhalten: "Ich darf in Absprache mit Herrn Mateschitz keine Auskunft erteilen."

Viel mehr Auskunft gibt es hingegen über die Entstehung von Österreichs bekanntester Weltmarke. 1982 arbeitete Mateschitz nach einem Studium an der Hochschule für Welthandel und diversen Marketingjobs gerade beim Zahnpastahersteller Blendax in Mainz. Auf einer Geschäftsreise in Asien unterwegs lernte er den Aufputschgetränkemarkt kennen - unter anderem den thailändischen Unternehmer Chaleo Yoovidhya, der ein Getränk namens Krating Daeng verkaufte, einen billigen Energy-Drink mit viel Koffein und Taurin.

Österreichs Mäzen

Mateschitz gehört zu den Menschen, die in einem schnellen Moment eine ziemlich wegweisende Entscheidung treffen - und sich meist darüber freuen dürfen, dass sich diese Entscheidung als richtig erweist.

1982 in Thailand war gab es so einen Moment: Mateschitz war vom Produkt des thailändischen Unternehmers Chaleo Yoovidhya überzeugt, es fehlte nur noch ein Name. Da übersetzte er einfach den Begriff Krating Daeng ins Englische und modifizierte ihn nur insofern, als dass er für das in Mitteleuropa relativ unbekannte Rind Gaur lieber ein geflügelteres Vieh nahm - Red Bull war geboren.

Sofort ließ Mateschitz Blendax Blendax sein und erwarb die internationalen Lizenzrechte für den Namen Red Bull. 1984 gründete er die Red Bull GmbH, an der er 49 Prozent hält, 1987 kam die erste Dose auf den Markt. Bald darauf erreichte Red Bull Wachstumsraten zwischen 100 und 200 Prozent pro Jahr. Verleiht Flügel.

Zwei große Marketingcoups

Mittlerweile arbeiten weltweit knapp 7000 Mitarbeiter für die Firma, beträgt der Jahresumsatz 3,5 Milliarden Euro, verkaufen sich vier Milliarden Dosen jährlich - und wetteifert Mateschitz mit Arnold Schwarzenegger um den Titel des besten steirischen Aufsteigers.

Mateschitz betreibt sein Geschäft im Namen der Dose längst nicht mehr nur mit dem Verkauf des Getränks, sondern als Mäzen Österreichs: Er baute am Salzburger Flughafen den Hangar 7, ein neues architektonisches Wahrzeichen, und Red Bull zu einer Marke mit Faible für Extremsportarten aus.

Verblüffend ist vor allem, wie es gelingt, ausschließlich das positive Image der Marke zu betonen. Immerhin gab es ja Länder, in denen Red Bull nicht oder nur unter Veränderung der Rezeptur verkauft werden durfte; immerhin gibt es Personen, die nach dem Konsum von einigen Dosen Symptome wie Unwohlsein, Übelkeit oder Kopfschmerzen empfinden; und immerhin starben bei Aufnahmen für Red-Bull-Werbefilme zwei Extremsportler.

Dennoch klingen Mateschitz-Sätze wie "Red Bull steht für Kreativität, Innovation, Einzigartigkeit, Individualität und, wenn Sie wollen, auch für Abenteuerlust und Risikofreude" nach Freiheit, nach Unabhängigkeit, ja nach Sieger-Gen - und nicht nach Gesundheitsproblemen und Unglück.

Das hat etwas mit Marketing zu tun. Zum einen hatte Mateschitz mal wieder so einen Thailand-Moment, als er seine berühmte Comic-Werbung "Nur fliegen ist schöner" erfand. Zwei Jahre lang habe er alle Vorschläge abgewehrt, dann nachts um halb Zwei einen Anruf erhalten.Es meldete sich PR-Agenturchef Johannes Kastner, ein alter Studienkollege: "Ich hab's." - Mateschitz: "Lass hören." - Kastner: "Red Bull verleiht Flügel." - Mateschitz: "Na siehst du. Danach haben wir doch immer gesucht."

Zwei sportliche Großprojekte

Der zweite erfolgreiche Marketing-Trick: Wie nur wenig andere Unternehmer setzt Mateschitz auf die Chancen von Sportsponsoring. Zum einen unterstützt er in allen möglichen Disziplinen Athleten, insgesamt rund 600 Sportler, vor allem im Extremsport. Zum anderen macht er sich an zwei ganz besondere Projekte.

Projekt 1 hat er gerade vollendet - das Formel-1-Engagement. Schon Mitte der neunziger Jahre begann Red Bull im Motorsport diverse Teams zu sponsern. 2005 gründete die Firma den ersten eigenen Rennstall, ein Jahr später folgte ein zweiter, die Scuderia Toro Rosso - italienisch für Team Red Bull. Fast zeitgleich hatte Mateschitz einen dritten Krating-Daeng-Moment: Er erkennt in einem jungen Deutschen namens Sebastian Vettel das "Mega-Talent" und sponsert es, weshalb das Mega-Talent fortan zwei Lieblingsgetränke hatte, Apfelschorle und Red Bull.

Das Team entwickelte sich gut, Vettel noch besser. Im Jahr 2009 fügte Mateschitz die beiden Komponenten zusammen: Fortan saß ein besonders guter, aber auch ein besonders wilder Fahrer im wohl besten Auto. Der Lohn: 2010 gewann Red Bull sowohl den Fahrer- als auch den Konstrukteurstitel.

An Projekt 2 arbeitet Mateschitz noch - in der einzigen Sportart, die weltweit noch mehr Popularität genießt als die Formel 1, im Fußball. Ein weltumspannendes Netz an Vereinen hat er sich aufgebaut. 2005 übernahm er in Österreich den FC Salzburg, 2006 die New York Metrostars, 2007 einen niederklassigen Klub in Brasilien.

Doch mit solchen Klubs lässt sich das Image des Dosenkonzerns nur bedingt verbessern. Trotz jährlicher nationaler Titel und prominenter Trainer wie Giovanni Trapattoni, Lothar Matthäus oder Huub Stevens scheitert der FC Red Bull Salzburg im Europapokal stets früh - zuletzt am israelischen Vertreter Hapoel Tel Aviv.

Der geplante Fußball-Erfolg

Das ist zu wenig für einen Mann wie Mateschitz. Also versucht er sich in Deutschland. Doch in der Welt von DFB und DFL lässt sich nicht leicht ein Spitzenklub übernehmen. Seine Rettung findet er im SSV Markranstädt, einem Verein in der Oberliga Nordost, der fünfthöchsten Spielklasse. Der gliedert seine Fußballabteilung aus, fortan existiert der RB Leipzig, der Rasenballsport Leipzig e. V., wie er offiziell heißt. Der DFB hat einen Klub namens Red Bull Leipzig nicht genehmigt.

Der Name mag Mateschitz genommen worden sein, sein Ziel bleibt gleich - Erfolg. Ein Aufstieg mit RB Leipzig, der so rasant sein soll wie der von Red Bull auf dem Weltmarkt. Der Klub kauft prominente höherklassige Spieler und prominente Trainer, sogar Felix Magath ist im Gespräch. Mittlerweile spielt RB in der Regionalliga, wenn alles wie geplant läuft, gibt es in vier bis sechs Jahren dank der Millionen eines steirischen Unternehmers einen Bundesligisten aus Markranstädt.

Das Hausfernsehen kann die Meisterfeier dann live übertragen - schließlich gehört Mateschitz auch noch ein Sender namens Servus TV.

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