Süddeutsche Zeitung

Formel-1-Chef Bernie Ecclestone:Durchtriebener Theaterdirektor - jetzt mit Arbeitsvertrag

Jahrzehntelang hat Bernie Ecclestone mit List und Tücke die Rennteams gegeneinander ausgespielt und so die Formel 1 beherrscht. Doch jetzt hat er einen regulären Arbeitsvertrag, der eine Kündigung möglich macht. Das Vetorecht gegen einen Rauswurf ist gestrichen.

René Hofmann und Klaus Ott

In der Formel 1 gibt es einen Klassiker, der gerne erzählt wird, wenn die Rede darauf kommt, wie Bernie Ecclestone mit den beteiligten Rennställen umspringt. Die Anekdote spielt Ende der neunziger Jahre in Monaco.

Jackie Stewart, der dreimalige Weltmeister, hatte damals selbst ein Team und fühlte sich nicht wohl mit dem Platz, den Ecclestone ihm bei einem Rennen an einem Hafenbecken zugewiesen hatte. Zu eng, zu unrepräsentativ, klagte Stewart. Woraufhin Ecclestone konterte, er könne Abhilfe schaffen, und der Equipe allen Platz der Welt versprach. Den Rest des Wochenendes mussten Stewarts Rennfahrer, Mechaniker und Gäste in einem nahe gelegenen Parkhaus verbringen. Dort hatten sie Platz, aber kaum Licht.

Geschichten wie diese gibt es viele über den einstigen Gebrauchtwagenhändler Ecclestone, der in den siebziger Jahren mit einem einfachen Mittel begonnen hatte, sich die Macht über die Formel 1 zu sichern: indem er die Rennställe davon überzeugte, dass es lukrativer wäre, wenn er für alle gemeinsam mit den Streckenbetreibern und den TV-Stationen die Gagen aushandele. Das war es auch.

Damit der Anteil, der ihm selbst blieb, möglichst groß war, musste Ecclestone aber stets daran gelegen sein, dass die Teams sich nicht gegen ihn vereinten. Wie ein durchtriebener Theaterdirektor dividierte er die Protagonisten deshalb immer wieder auseinander. Wie raffiniert er dabei agierte, zeigen nun Aussagen und Dokumente, die sich im Verlauf des Korruptionsprozesses um Ex-Banker Gerhard Gribkowsky ansammelten. Und wie trickreich Ecclestone dabei immer noch agiert, legt ein Investorenprospekt nahe, mit dem eine asiatische Großbank einen möglichen Börsengang der Formel-1-Gruppe in Singapur vorbereitet.

Die Geschäftsgrundlagen der Formel 1 sind im sogenannten Concorde Agreement festgehalten. Der Vertrag regelt, wie viel des Gewinns an die Teams ausgeschüttet wird - und nach welchem Schlüssel dies geschieht. Das aktuelle Concorde Agreement läuft Ende des Jahres aus. Als Laufzeit für den Anschlussvertrag - so steht es im Investorenprospekt - sind die Jahre 2013 bis 2020 geplant. Acht Teams haben bereits zugestimmt: Ferrari, McLaren, Red Bull, Force India, Lotus, Sauber, Toro Rosso und Williams. Caterham, HRT und Marussia fehlen noch. Außerdem ist ein Schwergewicht bisher außen vor: Mercedes.

Der Daimler-Konzern kann einem neuen Deal kaum zustimmen, wenn die Bedingungen stimmen, die in dem Investorenprospekt skizziert sind. Dort ist beschrieben, dass vom Gewinn künftig rund vier Prozent mehr an die Teams ausgeschüttet werden sollen: 63 statt 59 Prozent. Die Verteilung ist nach dem Abschneiden in der laufenden WM gestaffelt. Allerdings gibt es zwei Boni: Die drei Teams, die 2008, 2009, 2010 und 2011 am besten abschnitten, sollen mit mindestens 100 Millionen Dollar extra bedacht werden. Und es gibt einen "Longest Standing Team bonus" von mindestens 62,2 Millionen Dollar.

In einem Sport, in dem der Erfolg so extrem von Geld abhängt wie in der Formel 1, ist das ein gewaltiger Vorteil. Als dürfte eine Fußballmannschaft jedes Spiel mit einem 2:0-Vorsprung beginnen. Das Team, das am längsten an der Formel 1 teilnimmt, kommt aus Italien. Es heißt: Ferrari.

Zu einer möglichen Sonderzuwendung äußern sich weder Formel-1-Hauptaktionär CVC noch Ferrari. Ein anderes Detail bestätigt Luca Colajanni, der Kommunikations-Chef der Ferrari-Sportabteilung: Im März dieses Jahres wurde Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo zu einem der Direktoren der Formel-1-Gruppe ernannt. Als solcher solle er Teil der Mannschaft sein, welche die Formel-1-Geschäfte in Zukunft führe, lässt Ferrari wissen. Laut Investorenprospekt kommt keinem anderen Teamvertreter ein ähnliches Privileg zu.

Teile und herrsche - mit diesem Grundsatz hat Ecclestone seine Position immer wieder gesichert. Lange hatte er dabei leichtes Spiel. Die meisten Teams wurden lange von Garagisten geleitet, Rennsport-Fanatikern, die wenig Interesse am Geschäft hatten. Mit dem Einstieg der großen Konzerne änderte sich das. 1994 kehrte Mercedes in die Formel 1 zurück, im Jahr 2000 BMW. Auch Honda, Toyota, Renault und - über Jaguar - Ford waren in jener Zeit in der Serie vertreten.

Die Autohersteller bemühten sich nach Kräften, eine Allianz zu schmieden, die Ecclestone in Bedrängnis bringen konnte. Sie erreichten auch einiges. Beispielsweise, dass die Teams nicht nur an den Erlösen aus dem Verkauf der TV-Rechte beteiligt wurden, sondern an allen Einnahmequellen. Der große Wurf aber, Ecclestones Entmachtung - der blieb aus. Inzwischen ist klar, warum das so kam.

Verträge und Briefwechsel belegen, dass vier kleine Teams im Mai 2001 Verabredungen trafen, die sich wie Freifahrtsscheine für Ecclestone lesen. Für sieben Millionen Pfund oder zehn Millionen Dollar sicherten Benetton-Teamchef Flavio Briatore, Arrows-Chef Tom Walkinshaw, Prost-Gründer Alain Prost und Jordan-Vorsteher Eddie Jordan Ecclestone quasi zu, sich nicht gegen ihn zu stellen. Kein Wunder, dass die Konzerne da gegen Windmühlen kämpften. Und es gab noch eine Schwierigkeit: die Unübersichtlichkeit des von Ecclestone geknüpften Firmengeflechts.

BMW-Motorsport-Jurist Jürgen Reul berichtete als Zeuge im Gribkowsky-Prozess, seine Firma habe vergeblich versucht, für Transparenz zu sorgen. Zwischen der Formel-1-Dachgesellschaft und der Formel-1-Holding hätten damals Dutzende sogenannter Offshore-Firmen aus Ländern wie Panama und den Jungfraueninseln gestanden. Die große Sorge von BMW sei gewesen, dass über diese Firmen ein großer Teil des Gewinns abgeschöpft werde.

Auch der frühere Daimler-Vorstand Jürgen Hubbert zeichnete als Zeuge ein eher düsteres Bild. Ecclestone habe den Teams wiederholt Zusagen gemacht, man habe sich die Hand gegeben, doch dann seien diese Zusagen nicht eingehalten worden. 2005 schied Hubbert aus. Sein Plan, eine eigene Rennserie zu gründen und gegen Ecclestone zu positionieren, war da gescheitert - vor allem, weil Ferrari die Hersteller-Allianz verlassen hatte und sich überraschend doch wieder auf Ecclestones Seite geschlagen hatte.

Ecclestone, Ferrari, Machtkämpfe, undurchsichtige Geldflüsse - das sind die Konstanten der Formel 1. Doch es gibt auch immer wieder neue Einflussgrößen. 2005 stieg CVC ein. Die Investmentgesellschaft, die 45 Milliarden Dollar verwaltet, erwarb die Mehrheit an dem Unternehmen, das die Formel 1 vermarktet. Den Deal fädelte für CVC der Schotte Donald Mackenzie ein. Er erkannte, wie wichtig Ecclestone für das Geschäft ist. Ohne ihn sei die Formel 1 mehr oder weniger wertlos, schilderte Mackenzie der Münchner Staatsanwaltschaft. Weil er so mächtig und so schwer zu kontrollieren sei, stelle Ecclestone aber auch ein Risiko dar.

Aus diesem Grund habe CVC einiges grundlegend geändert. Inzwischen gebe es für den Geschäftsführer Ecclestone sogar einen echten Arbeitsvertrag, mit Rechten und Pflichten. Und mit einer Klausel, die eine Kündigung ermögliche. Zuvor habe ein Vetorecht der Bambino-Holding dies stets verhindert. Hinter Bambino stehen Ecclestones Ex-Ehefrau Slavica und die beiden gemeinsamen Töchter.

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SZ vom 21.07.2012/fran
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