Formel-1-Boss Bernie Ecclestone:Rente mit 86

Vier Jahrzehnte lenkte Bernie Ecclestone die Formel 1 nach seinem Geschmack - und zu seinem Vorteil. Nun ist die Ära des skandalumwitterten Impresarios vorbei.

Porträt von Björn Finke

Mit Titeln kann Bernie Ecclestone offenbar nicht viel anfangen: "Meine neue Position ist jetzt so ein amerikanischer Ausdruck. Eine Art Ehrenpräsident. Ich führe diesen Titel, ohne zu wissen, was er bedeutet", sagt der ewige Chef der Rennserie Formel 1. Vier Jahrzehnte lang hatte der Brite im Rennzirkus das Sagen - doch am Montagabend endete eine Ära. Der neue Eigentümer der Serie, der US-Konzern Liberty Media, ernannte den Manager Chase Carey zum Chef; der 86-jährige Ecclestone wurde aufgrund seiner Verdienste für den Sport zum "Chairman Emeritus" gekürt, also in der Tat zum Ehrenpräsidenten.

In der offiziellen Mitteilung wird Bernard Charles, genannt "Bernie", Ecclestone mit den Worten zitiert, er sei sehr erfreut über den Kauf der Formel 1 durch Liberty. Ob er auch über seine Absetzung erfreut ist, darf bezweifelt werden. Liberty, der Medien- und Kabelkonzern des US-Milliardärs John Malone, verkündete im September, die Rennserie für acht Milliarden Dollar von Finanzinvestoren zu kaufen. Damals hieß es, Ecclestone werde noch bis zu drei Jahre lang Chef bleiben. Nun ist die Übernahme abgeschlossen - und der Brite, der seine Formel-1-Anteile ebenfalls verkauft hat, muss sofort gehen.

Offenbar suchen die Amerikaner einen klaren Neuanfang, ohne den skandalbelasteten und undurchschaubaren Ecclestone. Der Liberty-Konzern, dem in Deutschland der Kabelbetreiber Unitymedia gehört, plant unter anderem, die Rennserie in den USA populärer zu machen, wo sie bisher kaum Fans hat.

Vom Brötchenverkäufer zum Milliardär

Dass die Formel 1 heute überhaupt Milliarden wert ist, ist allerdings unbestreitbar Ecclestones Verdienst. Der ebenso gewiefte wie skrupellose Impresario verwandelte einen Nischensport, den reiche Enthusiasten wenig professionell managten und vermarkteten, in ein Riesengeschäft.

Der Sohn eines Fischers war ein frühberufener Unternehmer. Bereits mit neun Jahren verkaufte er auf dem Schulhof Brötchen, mit 16 startete er eine rasante Karriere als Händler von gebrauchten Autos und Motorrädern. Er galt schon damals als gerissener Verhandler, bald gehörte ihm eines der größten Motorradhäuser des Königreichs. In den Fünfzigerjahren fuhr er Motorrad- und Autorennen, doch sein Aufstieg in der Formel 1 begann erst 1972, als er das Brabham-Team kaufte. 1978 wurde er Chef der Rennstall-Vereinigung. Seitdem hatte er immer das Sagen, bis Montag.

Ecclestone erkannte als Erster, wie viel Geld die Rennserie mit Bandenwerbung und edlen VIP-Logen machen kann - und mit Fernsehübertragungen. Er handelte für die Rennställe lukrative Verträge mit Sendern, Strecken-Betreibern und Sponsoren aus. Dabei stellte er sicher, dass immer genug Geld in die eigene Tasche floss. Heute ist Ecclestone Milliardär.

Dank Ecclestones Geschäftstüchtigkeit liefert die Rennserie hohe Gewinne ab. Doch zugleich hat sie mit enormen Problemen zu kämpfen. So ist die Zahl der Fernsehzuschauer in den vergangenen Jahren weltweit gesunken. Ecclestone versäumte es, stärker in die Vermarktung über das Internet und soziale Medien zu investieren, um junge Fans besser zu erreichen.

Vom Milliardensegen profitieren zudem nicht alle Beteiligten. So fällt es den Rennstrecken in Europa schwer, die hohen Antrittsgelder zu zahlen, die Ecclestone verlangt. In diesem Jahr gibt es darum kein Rennen in Deutschland, wie schon 2015. Dafür drehen die Teams nun in Ländern wie Aserbaidschan, Bahrain und Russland ihre Runden. Keine klassischen Rennsport-Nationen, doch die autokratischen Regierungen sind gerne bereit, Ecclestone die geforderten Millionen zu überweisen, um die prestigeträchtigen Rennen auszurichten.

Und auch viele Rennställe machen Verlust. Sie stellen die Fahrzeuge und Fahrer. Die Kosten, um konkurrenzfähige Autos zu entwickeln, sind aber stark gestiegen, zugleich schüttet Ecclestone den Großteil der Einnahmen an erfolgreiche und traditionsreiche Rennställe wie Mercedes, Ferrari oder Red Bull aus. Kleinere Wettbewerber wie Force India und Sauber legten darum 2015 Beschwerde bei EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager ein. Sie halten die Verteilung der Gelder für ungerecht.

"Wir sind die Mafia"

Unerfreuliche Schlagzeilen brachten auch die vielen privaten Skandale und Gerichtsverfahren von "Mr. E.", wie Ecclestone von seiner Entourage genannt wird. Zuletzt musste er sich sowohl in London als auch in München gegen Vorwürfe verteidigen, er habe einen früheren Vorstand der Bayern-LB bestochen. Als Gegenleistung sollte der Manager sicherstellen, dass die Bank ihre Anteile an der Formel 1 an einen Ecclestone genehmen Bieter verkauft, den Finanzinvestor CVC. So geschah es dann im Jahr 2006. Nun schlug CVC das Paket mit hohem Gewinn an Liberty los.

Das Verfahren gegen Ecclestone in München wurde eingestellt gegen eine Geldauflage von 100 Millionen Dollar. In London urteilte der Richter ebenfalls in seinem Sinne, bezeichnete ihn aber zugleich als "nicht verlässlich oder vertrauenswürdig". Die Prozesse torpedierten CVCs damalige Pläne, die Formel 1 an die Börse zu bringen.

Ecclestone war immer sehr verschwiegen, wenn es um die Details der Deals ging, die er für die Formel 1 aushandelte. Seine Verträge verordnen auch Rennställen und anderen Partnern in der Regel Geheimhaltung. Außerdem baute er für seine Aktivitäten ein undurchsichtiges Geflecht an Firmen auf. Umso offener plauderte der Mann, der nach eigenem Bekunden keine Bücher liest, über seine bizarre Weltsicht und seine Geschäftsphilosophie. Entsetzen löste er mit seinem Lob für Adolf Hitler aus: Der habe viele Menschen zu führen vermocht "und war fähig, Dinge zu erledigen", sagte er 2009. Wurde sein eigener autokratischer Führungsstil in der Formel 1 kritisiert, entgegnete der überzeugte Nichtwähler auch schon mal: "Demokratie ist Zeitverschwendung."

Er pflegte sein Image als knallharter Geschäftsmann, der Gegner reihenweise ausschaltet. "Ich kultiviere diesen Ruf nicht, er ist eine Tatsache", sagte er dazu. Die Zusammenarbeit mit seinem Freund Max Mosley, dem langjährigen Chef des Rennsport-Verbandes Fia, inspirierte ihn zu einem Vergleich, den seine Gegner kaum anders ziehen würden: "Wir sind nicht so etwas wie die Mafia. Wir sind die Mafia."

"Ich habe immer noch viele Freunde in der Formel 1"

Aufsehen erregte Ecclestone aber nicht nur mit zweifelhaften Ansichten und rüdem Geschäftsgebaren, sondern auch mit privaten Eskapaden: der teuren Scheidung von seiner zweiten Frau Slavica 2009 und der Hochzeit mit seiner dritten Frau Fabiana Flosi 2012. Die ist nicht einmal halb so alt wie er, aber einige Zentimeter größer als der nur 1,59 Meter lange Ecclestone. Fabiana und er wurden 2010 vor der Formel-1-Zentrale in der Londoner Princes Gate überfallen, einer der exklusivsten Straßen der Stadt. Das schilderte Ecclestone ebenso bereitwillig in Interviews wie seine Abneigung gegen die Reality-TV-Show, in der seine 32 Jahre alte Tochter Tamara ihr Milliardärs-Nachwuchs-Leben zelebrierte.

Auch nach seiner Absetzung wird Ecclestone Formel-1-Rennen besuchen. "Ich habe immer noch viele Freunde in der Formel 1", sagte er dem Magazin Auto Motor und Sport am Montag. "Und ich habe noch genug Geld, um mir den Besuch bei einem Rennen leisten zu können." Wie schön.

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