Formel-1-Affäre:Ecclestone und die Trittbrettfahrer

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Gut eine Milliarde Dollar kommt inzwischen zusammen: Müsste Bernie Ecclestone alle Schadenersatzforderungen gegen ihn tatsächlich zahlen, der wohlhabende Formel-1-Boss wäre nur noch ein armer Mann. Doch die neueste Klage der Investmentgesellschaft Bluewater gegen ihn und seine angeblichen Mitverschwörer wirkt wenig überzeugend.

Klaus Ott

Bernie Ecclestone beim Rennen in Abu Dhabi am Rennwagen von Sebastian Vettel. (Foto: Getty Images)

Armer Bernie. Alle wollen sie Geld von ihm, von Bernie Ecclestone, dem Chef der Formel 1. Die Familie des verstorbenen Medienmagnaten Leo Kirch, der einst Hauptaktionär der Renn-Serie war. Bayerns Landesbank, die dann an Kirchs Stelle trat. Und nun eine Investmentgesellschaft namens Bluewater aus den USA, die ebenfalls in dem Motorsport-Spektakel mitmischen wollte, aber nicht zum Zuge kam.

Eine Schadenersatzforderung nach der anderen. Erst 171 Millionen Dollar. Dann 400 und jetzt gar 650 Millionen Dollar. Die Milliarde ist gut voll. Und müsste Ecclestone das alles eines Tages zahlen, dann wäre der wohlhabende Renn-Boss nur noch ein armer Mann.

Doch Mitleid ist das Letzte, was sich der Brite wünscht. Und ob er wirklich haften muss für die mutmaßliche Schmiergeldaffäre in der Formel 1, die mit seinem Namen verbunden ist, bleibt abzuwarten. Die jüngste Klage wirkt wenig überzeugend.

Vergangene Woche ist die Gesellschaft Bluewater, die in den USA, Europa und Asien viele Milliarden Dollar in die Medien- und Telekommunikationsindustrie investiert, bei Gericht in New York vorstellig geworden. Mit dem Vorwurf, von Ecclestone und anderen auf üble Art und Weise um einen schönen Profit mit der Renn-Serie gebracht worden zu sein. Eine späte Klage, fast zwei Jahre nach Beginn der Formel-1-Affäre. Erst jetzt eingereicht, da Ecclestone vor einer Anklage in München steht, mehr und mehr unter Druck gerät und seine Macht verlieren könnte. Glaubt da jemand, der inzwischen 82-Jährige sei ein angeschlagener Gegner, bei dem sich mit Hilfe der auf Schadenersatz getrimmten US-Justiz leicht etwas holen ließe?

Bluewater hätte an der Formel 1 gerne mitverdient

In den Reihen der Beklagten wird die Attacke von Bluewater als "Trittbrettfahrerei" bezeichnet. Als billiger Versuch, teures Kapital aus der Formel-1-Affäre zu schlagen. Die Beklagten, das sind neben Ecclestone auch die BayernLB, deren Ex-Vorstand Gerhard Gribkowsky und die Investmentgesellschaft CVC Capital Partners.

CVC ist heute Hauptaktionär der Formel 1, die mit der weltweiten Vermarktung von Sebastian Vettel und Red Bull, Fernando Alonso und Ferrari und all der anderen Piloten und Teams mehr und mehr Gewinn macht. TV-Sender und Sponsoren reißen sich um das Spektakel. Und die Staaten, die Rennen veranstalten wollen und sich das ebenfalls viel Geld kosten lassen. Da hätte Bluewater gerne mitverdient.

Die rund 30-seitige Klageschrift der Investmentfirma hat, in Kurzform, folgenden Inhalt: Man habe im Jahr 2005 der BayernLB angeboten, deren Formel-1-Anteile zu kaufen. Die Landesbank in München, deren Vorstand Gribkowsky, Ecclestone in London und CVC hätten sich aber gegen Bluewater verschworen.

Ecclestone habe Gribkowsky mit 44 Millionen Dollar bestochen, damit die BayernLB die Renn-Aktien an CVC verkaufe. Die Bank und CVC hätten entweder vom Schmiergeldgeschäft gewusst oder absichtlich weggeschaut. Nur deshalb habe CVC im November 2005 den Deal mit der BayernLB machen können, obwohl Bluewater der Bank damals schriftlich angeboten habe, zehn Prozent mehr als jeder andere Interessent zu zahlen.

Richtig ist: Gribkowsky hat 44 Millionen Dollar von Ecclestone und einer Stiftung von dessen damaliger Frau kassiert und ist, als das aufflog, wegen Bestechlichkeit und anderer Delikte zu achteinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Gribkowsky habe Ecclestone für das viele Geld geholfen, seine Macht in der Formel 1 zu sichern, steht im Urteil.

Falsch ist nach den bisherigen Erkenntnissen der Behörden, dass die BayernLB und CVC frühzeitig im Bilde gewesen wären über die Dollar-Millionen von Bernie für "Görhard", wie der Brite den Deutschen nannte. Die Münchner Justiz hat in fast zweijährigen, akribischen Ermittlungen und einem langen, sorgfältigen Gerichtsverfahren nicht den geringsten Hinweis auf eine Mitwisserschaft oder gar Mittäterschaft von BayernLB und CVC gefunden. Im Gegenteil: Die weiß-blaue Staatsbank ist selbst geschädigt worden. Jedenfalls von Gribkowsky und vielleicht auch von Ecclestone, der das wie alle anderen Vorwürfe vehement zurückweist.

In den Akten der Münchner Justiz und der BayernLB kommt Bluewater an diversen Stellen vor. Die Investmentfirma hatte im Frühjahr 2005 und später wiederholt ihr Interesse geäußert, die Formel-1-Aktien der Landesbank zu kaufen. 500 Millionen Dollar "in bar" soll Bluewater geboten haben. Angeblich unter der Voraussetzung, dass die BayernLB monatelang mit niemandem anderen verhandeln werde.

Dummerweise ist das entscheidende Dokument nicht beigefügt

Darauf ging man aber in der Münchner Bankzentrale nicht ein, sondern forderte den eigenen Aufzeichnungen zufolge Bluewater auf, ein "verbindliches schriftliches Angebot vorzulegen". Die bisherigen Vertragsentwürfe seien unzureichend gewesen. Als es im Herbst 2005 mit dem Verkauf den Renn-Aktien schließlich ernst wurde, weil CVC 830 Millionen Dollar bot, meldete sich auch Bluewater wieder. Erst mit einer "Interessensbekundung" vom 4. Oktober 2005. Und dann mit einer Offerte vom 8. November 2005.

Das habe alles "deutlich" unter dem CVC-Angebot gelegen, steht in den Justizakten. Deshalb hätten Vorstand und Verwaltungsrat der Landesbank am 15. November 2005 den Verkauf an CVC beschlossen. Just an diesem Tag will Bluewater erneut bei der BayernLB vorstellig geworden sein und schriftlich erklärt haben, zehn Prozent mehr als jeder Konkurrent zu zahlen. So steht es in der in New York eingereichten Klageschrift.

Dummerweise ist dieses angebliche Schriftstück, das entscheidende Dokument, der Klage nicht beigefügt. In der BayernLB ist solch ein Angebot vom 15. November 2005 während der ganzen Ermittlungen nicht gefunden worden. Und wenn es denn tatsächlich eine Mail oder einen Brief dieser Art gegeben hätte, dann würde sich die Frage stellen, warum Bluewater nicht schon damals vor Gericht gegangen ist. Sondern erst jetzt.

Spannend wäre natürlich, wenn jemand solch ein Angebot hätte verschwinden lassen. Aber dazu müsste diese Offerte erst einmal existiert haben.

© SZ vom 22.11.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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