Süddeutsche Zeitung

Automobilindustrie:Ford entscheidet sich gegen das Saarland

Von 2025 an will Ford E-Autos in Valencia bauen, Saarlouis geht leer aus. Die Zukunft des Werks ist ungewiss, die Beschäftigten sind sauer.

Von Gianna Niewel, Frankfurt

Es war oft von einem Spiel die Rede. Davon, dass Ford zwei Werke gegeneinander antreten lasse, das in Saarlouis gegen das in Valencia, dass es nur darum gehe, wer billiger produziert. Jeder Mensch ein Kostenfaktor.

An diesem Mittwoch nun verkündete Ford seine Entscheidung: Von 2025 an sollen zwei E-Auto-Modelle in Valencia gebaut werden. Was die Entscheidung aber für Saarlouis bedeutet - und damit für 4500 Beschäftige im Werk und noch einmal 1300 im Zuliefererpark -, sagte das Unternehmen nicht. Und so ist vielleicht das Spiel abgepfiffen, aber die Unsicherheit bei den Menschen bleibt.

Die Entscheidung für Valencia beendet zunächst nur einen Bieterwettbewerb. Ford hatte angekündigt, seine E-Autos in einem der Werke bauen zu wollen, Anfang des Jahres hatten daraufhin beide Standorte dem Management in den USA ihr Angebot vorgelegt. In den vergangenen Tagen war eine Summe durchgesickert: 500 Millionen Euro Subventionen. Die aber korrigierte Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) am Mittwoch. "Je nachdem, über was man spricht", liege das Angebot aus dem Saarland bei "annähernd einer Milliarde Euro".

Autos als Antwort auf das Sterben von Kohle und Stahl

Annähernd eine Milliarde, das zeigt, wie wichtig Ford für die Wirtschaft ist - und damit auch, wie hoch der Schaden wäre, wenn das Werk 2025 schließen müsste.

In den 1960er-Jahren wurde das Werk an der Saar gebaut, um den Strukturwandel zu bekämpfen. Kohle und Stahl waren in der Krise, Gruben wurden geschlossen. 15 Prozent Arbeitslosigkeit. Als 1970 der erste Escort vom Band rollte, sollte das Saarland nicht mehr Montanland sein, sondern Autoland, und das funktionierte auch, es funktioniert bis heute. Noch immer arbeiten 44 000 Menschen bei Zulieferern, Ausrüstern, Herstellern, bei Eberspächer, Bosch, Schaeffler. Das Land würde also auch einen Teil seiner Identität verlieren.

Der Chef von Ford in Europa, Stuart Rowley, sagte am Mittwoch, die Entscheidung bedeute nicht das Ende des Werkes im Saarland. Das Unternehmen habe eine Taskforce eingerichtet, um mit der Belegschaft und auch der Landesregierung mögliche Zukunftsoptionen für Saarlouis zu beraten. Wie viele Stellen dabei gestrichen werden könnten, sagte er nicht.

Für Ford wäre es ein weiterer Standort, der von der Europakarte verschwinden würde - und damit von einem Markt, auf dem das Unternehmen zuletzt immer wieder Probleme hatte. Der Gewinn sank, der Aktienkurs litt. 2019 mussten fünf Werke in Europa schließen, darunter eines in Frankreich und eines in Großbritannien. 12 000 Stellen, einfach weg. Aber die Zahlen blieben schlecht.

"Wir wurden belogen, betrogen und verarscht."

Für Markus Thal, den Betriebsratsvorsitzenden in Saarlouis, sind die Probleme des Unternehmens nicht überraschend, unter anderem, weil es sich erst viel zu spät um das E-Auto-Geschäft gekümmert habe. 2023 soll in Köln der erste rein batteriebetriebene Ford vom Band laufen, bis 2026 soll die gesamte Pkw-Flotte auf Elektroautos oder Plug-in-Hybride umgestellt werden. Aber Thal hat kein Mitleid, er ist wütend auf Ford: "Wir wurden belogen, betrogen und verarscht. Drei Jahre hat man uns gegen die Wand laufen lassen."

Schon 2019 hatten sie in Saarlouis angefangen zu sparen. Sie hatten die Produktion des C-Max eingestellt, die dritte Schicht gestrichen, 1600 Stellen. 2020 und 2021 waren sie in Kurzarbeit, weitere 600 Stellen fielen weg. Haben sie das nicht gemacht, damit die Zukunft sicher ist? Damit sie jetzt eben nicht dastehen und nicht wissen, ob das Werk vielleicht verkauft wird? Vielleicht geschlossen?

Während die Belegschaft am Mittwoch auf dem Werksgelände demonstrierte, will sich der saarländische Landtag am Donnerstag zu einer Sondersitzung treffen. Sie wollen beraten, wie es weitergehen könnte, mit Ford, ohne Ford, vor allem aber im Sinne der Beschäftigen.

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