Fonds:Alles andere als grün

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Eine wachsende Zahl von Anbietern wirbt mit ethisch, sozial und ökologisch einwandfreien Fonds. Hinter dem schönen Schein der Hochglanzprospekte verbirgt sich oft nicht viel Konkretes.

Von Alexandra Jegers, München

Alfred Platow hat früh erkannt, was einmal wichtig werden wird in der Finanzbranche: 1996 brachte der Gründer der Fondsgesellschaft Ökoworld einen der ersten "grünen" Fonds Deutschlands auf den Markt. Anleger sollten mit ihrem Geld nicht mehr nur Rendite erzielen, sondern dabei auch ein gutes Gewissen haben. Viele hielten die Idee damals für abwegig. Ein Investmentfonds, der nur in ökologisch und ethisch korrekt handelnde Unternehmen investiert? Wie soll man damit Geld verdienen? "Anfänglich wurden wir als Exoten, Spinner und blauäugige Weltverbesserer gesehen, die niemals nennenswerte Summen einsammeln werden", erinnert sich Platow heute. Die Kritik aber sollte sich als haltlos erweisen: Bereits im ersten Jahr investierten Anleger rund 20 Millionen D-Mark in das Produkt, mittlerweile verwaltet das Management mehr als 900 Millionen Euro.

Heute gilt der Ökoworld-Gründer als Pionier im Bereich der nachhaltigen Geldanlage. Zwar machen sogenannte Nachhaltigkeitsfonds weiter nur einen niedrigen einstelligen Prozentbereich am Gesamtmarkt aus. Eine repräsentative Umfrage der Direktbank Ebase kam jedoch jüngst zum Ergebnis, dass jeder zweite Deutsche sein Geld künftig nachhaltig anlegen möchte. Knapp 15 Prozent würden die Entscheidung für oder gegen ein Investment sogar vollständig davon abhängig machen, wie verantwortungsvoll der Fondsanbieter ihr Kapital anlegt. Frei nach dem Motto: Wenn es schon kaum noch Zinsen aufs Tagesgeld gibt und man gezwungen ist, ins Risiko zu gehen, dann soll das Ersparte bitte wenigstens etwas Gutes in der Welt bewirken.

Die Investmentgesellschaften haben längst auf die veränderten Bedürfnisse ihrer Kunden reagiert und ihre Produktpaletten entsprechend angepasst. Kaum ein Monat vergeht, ohne dass ein neues Produkt auf den Markt kommt, das vorgibt, ökologische, soziale oder ethische Kriterien bei der Auswahl der Investments zu berücksichtigen. Mehr als 500 solcher Fonds waren im Jahr 2018 im deutschsprachigen Raum zum Verkauf zugelassen, zeigt eine aktuelle Auswertung des Sustainable Business Instituts. Ende vergangenen Jahres investierten Anleger rund 126 Milliarden Euro in Fonds mit dem Label "nachhaltig", mehr als dreimal so viel wie noch 2007.

"Grün" ist schwer in Mode - und genau das macht die Auswahl für Anleger kompliziert, die ihr Geld ethisch korrekt investieren wollen. Denn nachhaltig ist nicht gleichbedeutend mit Nachhaltigkeit. "Es gibt keine einheitlichen Standards, welche Kriterien erfüllt sein müssen, damit sich ein Fonds als nachhaltig bezeichnen darf", sagt Niels Nauhauser, Finanzexperte bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Die Anbieter dürfen selbst entscheiden, wie sie Nachhaltigkeit definieren und wie streng die Kriterien sein sollen. "Dabei geht es oft nicht darum, die Welt zu retten, sondern Rendite zu erwirtschaften und die Anleger zufriedenzustellen", sagt Nauhauser. Viele Anbieter verpassten ihren Produkten deshalb lediglich einen grünen Anstrich, in der Hoffnung, dadurch den Verkauf anzukurbeln. "Blickt man hinter die Fassade, verstecken sich teilweise fragwürdige Methoden hinter der Titelauswahl."

Im Auftrag der EU erarbeitet eine Expertengruppe derzeit Standards für nachhaltige Finanzprodukte

Ein Beispiel für solche eine Augenwischerei ist für den Experten der sogenannte Best-in-Class-Ansatz, auf den derzeit die meisten Anbieter von Nachhaltigkeitsfonds setzen. Dabei investiert das Fondsmanagement in Unternehmen, die in ihrer jeweiligen Branche Klassenbeste beim Thema Nachhaltigkeit sind.

Folgt man dem neuesten Jahresbericht der auf nachhaltige Anlagen spezialisierten Ratingagentur Oekom Research, bedeutet das: Peugeot ist der nachhaltigste Automobilhersteller, Henkel ist bei den Haushaltsartikeln vorne und die Deutsche Bahn beim Transport. Nach dieser Definition von Nachhaltigkeit kann das Fondsportfolio also auch Titel von Ölproduzenten oder Atomkraftwerkbetreibern enthalten, solange diese nur sauberer wirtschaften als die Konkurrenz.

Neben "Best in Class" gibt es noch "Best of Class", einen Ansatz, der zwar ähnlich klingt, bei der Auswahl der Titel aber eine gänzlich andere Strategie verfolgt: Nach dem Best-of-Class-Ansatz investiert das Fondsmanagement nur in ökologisch und ethisch unbedenkliche Branchen, allerdings werden die einzelnen Unternehmen nicht unbedingt akribisch unter die Lupe genommen. Ähnliches gilt für Fonds, die nur auf spezielle Themenbereiche wie etwa erneuerbare Energien setzen. "Nur weil ein Unternehmen in sauberen Branchen unterwegs ist, heißt das nicht, dass es automatisch auch nachhaltig wirtschaftet", sagt Simone Schieg, Analystin bei der Ratingagentur Scope. So kann ein Windpark-Betreiber zwar im Bereich Umwelt punkten, bei sozialen Fragen aber unterdurchschnittlich abschneiden.

Kann eine Ölbohrinsel nachhaltig sein? Ja, behauptet der Best-in-Class-Ansatz – wenn der Konzern dahinter sauberer arbeitet als die Konkurrenz. (Foto: Darrin Zammit Lupi/REUTERS)

Welches Produkt den Ansprüchen des Anlegers genügt, hängt von dessen persönlicher Vorstellung von Nachhaltigkeit ab. Wer für sich entscheidet, dass sein Kapital keine Atomkraftwerkbetreiber unterstützen soll, sollte einen Fonds wählen, der diesen Bereich von vornherein ausschließt, rät Scope-Analystin Schieg. Viele Anbieter führen solche Negativlisten, die Investitionen in kritische Bereiche grundsätzlich vermeiden. Dazu gehören zum Beispiel Unternehmen, die Menschenrechte verletzen, ebenso wie Konzerne, die ihr Geld mit Waffen, Tabak oder Glücksspiel verdienen. Allerdings liegt es auch hier im Ermessen des Anbieters, welche Bereiche er ausschließt und wie strikt er die Grenzen setzt. "Einige Investmentgesellschaften schließen Unternehmen erst aus, wenn sie einen bestimmten Prozentsatz ihres Umsatzes in kritischen Bereichen erwirtschaften", erklärt Schieg. Andere wenden sich zwar gegen die Ausbeutung von Mensch und Umwelt, haben aber nichts gegen Atomenergie.

Anlegern bleibt daher nichts anderes übrig, als jeden Fondsprospekt genau zu studieren und sich darüber hinaus selbst über einzelne Unternehmen zu informieren. Diese Recherche gestaltet sich jedoch mitunter schwierig. Zwar müssen Unternehmen mit Sitz in der EU ab einer gewissen Größe inzwischen einmal im Jahr einen ausführlichen Nachhaltigkeitsbericht vorlegen. Verbraucherschützer kritisieren jedoch immer wieder, dass viele Unternehmen kritische Bereiche an Tochtergesellschaften auslagern, um ihre Außenwirkung zu schönen. Auch fehle es an einer unabhängigen Instanz, um die Berichte zu prüfen. Zwar gibt es private Gütesiegel auf dem Markt, die nachhaltige Produkte garantieren sollen. Doch auch deren Kriterien sind nicht einheitlich definiert: Manche Siegel sind strenger, andere definieren lediglich einen Mindeststandard.

"Wir brauchen endlich klar definierte gesetzliche Regelungen für nachhaltige Geldanlagen", fordert deshalb Verbraucherschützer Nauhauser. Das hat offenbar auch die Politik erkannt: Im vergangenen Juni hat die EU-Kommission eine Expertengruppe beauftragt, einen europäischen Standard für nachhaltige Finanzprodukte zu erarbeiten. Bis zum kommenden Sommer wollen die Wissenschaftler nun ihre Ergebnisse vorstellen.

© SZ vom 11.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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