Folgen :Zins hoch, Euro runter

Leitzins

SZ-Grafik; Quelle: Bloomberg

Die US-Notenbank erhöht den Leitzins und Europa spürt's: Die Währung fällt, die Europäische Zentralbank gerät unter Druck.

Von Meike Schreiber und Markus Zydra, Frankfurt

Wenn die amerikanische Notenbank ihren Leitzins erhöht, hat das sofort spürbare Folgen in Europa. Welche, das konnte man am Donnerstag ganz anschaulich an den Devisenmärkten ablesen. Dort ist der Euro am Donnerstag auf 1,04 Dollar und damit auf den tiefsten Stand seit Januar 2003 gefallen. Die Investoren schichten ihr Kapital aus dem Euro-Raum in den Dollar-Raum um, weil es dort nun höhere Zinsen gibt.

Europa und die USA gehen geldpolitisch getrennte Wege. Während die Federal Reserve (Fed) ihr Anleihekaufprogramm schon lange beendet hat, steckt die Europäische Zentralbank (EZB) noch mitten drin. Auch eine Leitzinserhöhung ist für EZB-Präsident Mario Draghi noch lange kein Thema. Doch trotzdem könnte der Plan von Fed-Chefin Janet Yellen, den US-Leitzins im kommenden Jahr womöglich drei Mal zu erhöhen, positive Auswirkungen für Europa haben.

"Der schwächere Euro belebt die Exportwirtschaft und damit das Wachstum in Europa", sagt Stefan Bielmeier, Chefvolkswirt der DZ Bank. Durch die höheren Importpreise könne auch die Inflation im Euro-Raum stärker ansteigen als bislang erwartet.

Die Leitzinserhöhung der US-Notenbank ist damit im Großen und Ganzen eine gute Nachricht für Europas Wirtschaft, auch wenn durch die Schwäche des Euro die in US-Dollar gehandelten Energiekosten steigen könnten und er europäischen Touristen in den USA sowie Firmen, die Produkte amerikanischer Firmen ordern, den Einkauf verteuert. Andererseits erlaubt es US-Firmen im Ausland billiger einzukaufen, sofern die Geschäfte nicht in Dollar abgewickelt werden. Das gilt auch für Bestellungen bei deutschen Firmen.

Die Entscheidung der Fed signalisiert zudem, dass die US-Wirtschaft stark genug ist, um auf die geldpolitische Krücke der Nullzinsen zu verzichten. Eine starke US-Wirtschaft stärkt das globale Wachstum, wovon Europa profitieren dürfte.

"Die Europäische Zentralbank kann mit der Zinserhöhung in den USA sehr gut leben", sagt Bielmeier. Die EZB kämpft seit Jahren darum, das Wirtschaftswachstum und die Inflation in der Euro-Zone zu steigern. Die Notenbank will dafür bis Dezember 2017 noch mindestens 2,3 Billionen Euro in die Finanzmärkte pumpen. Die EZB kauft mit dem Geld vor allem Staatsanleihen der Euro-Länder. Der Leitzins im Währungsraum liegt bei null Prozent.

Über eine Erhöhung des Leitzinses wird die EZB erst entscheiden, wenn das Kaufprogramm abgeschlossen ist. Daran aber ist noch lange nicht zu denken, wie EZB-Chefvolkswirt Peter Praet in einem Interview mit der Zeit signalisierte: "Wir sind noch nicht so weit." Anders als in den USA sind die Voraussetzungen - nämlich ein stabiler Arbeitsmarkt und eine anziehende Inflation - aus Sicht der EZB noch nicht überall in der Euro-Zone gegeben.

Die lockere Geldpolitik der EZB hat daher weiterhin höhere Preise an Immobilien- und Aktienmärkten zur Folge. Am Donnerstag stieg der deutsche Leitindex Dax auf 11 300 Punkte und damit auf ein neues Jahreshoch. Für Sparer gibt es wegen des Nullzinses vorerst kaum noch Renditen, zumindest solange sie ihr Geld nicht in Aktien oder Immobilien angelegt haben. Dasselbe gilt für Pensionskassen und Lebensversicherer. Die Altersvorsorgepläne vieler Deutschen gehen nicht mehr auf.

Auch die Banken können gerade kaum noch Geld verdienen. Das betrifft vor allem jene, die stark vom klassischen Einlagen- und Kreditgeschäft abhängen.

Die Aktien europäischer Banken legten am Donnerstag aber trotzdem zu, weil die Anleger hoffen, dass die EZB bald der Fed in ihrer Entscheidung folgt. Erneut waren Deutsche Bank und Commerzbank die größten Gewinner im Dax. Höhere Leitzinsen verbessern in der Regel die Gewinnmarge der Geldinstitute. Seit der US-Wahl Anfang November sind Bankaktien weltweit stark gestiegen.

Die EZB gerät unter Handlungsdruck: Je schneller die Inflationsraten in Europa ansteigen, desto eher kann Draghi die lockere Geldpolitik beenden. Die Entscheidung der Fed könnte diesen Prozess beschleunigen. Andernfalls würde der Zinsabstand zwischen der Euro-Zone und dem Dollar-Raum womöglich zu groß, was den Euro stark unter Druck setzte. "Die Renditen für Staats- und Firmenanleihen werden 2017 ansteigen. Im Jahr 2018 müsste die EZB dann auch über eine Leitzinsanhebung diskutieren", sagt Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz.

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