Süddeutsche Zeitung

Folgen des harten Sparprogramms:Arbeitslosigkeit in Griechenland steigt rasant

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Innerhalb eines Jahres haben mehr als 300.000 Griechen ihren Job verloren. Gewerkschaften warnen vor einer "sozialen Explosion". Jetzt weigert sich der Verwaltungsminister des Landes, weitere Angestellte im öffentlichen Dienst zu entlassen. Das sieht allerdings das Sparprogramm vor - von dem weitere Hilfen für das Krisenland abhängen.

Die Arbeitslosigkeit in Griechenland steigt rasant. Allein von März bis April 2012 verloren fast 27.500 Menschen ihre Stelle. Innerhalb eines Jahres ist die Arbeitslosenquote um mehr als sechs Prozentpunkte gestiegen und lag im April bei 22,5 Prozent. Zwischen April 2011 und April 2012 verloren nach Angaben des griechischen Statistikdienstes 307.775 der 10,8 Millionen Griechen ihren Arbeitsplatz.

Arbeitslose erhalten in Griechenland nur ein Jahr lang Arbeitslosengeld. Danach ist keine Unterstützung mehr vorgesehen. Der größte griechische Gewerkschaftsverband (GSEE) warnte abermals vor einer "sozialen Explosion".

Dieser will Verwaltungsminister Antonis Manitakis auf seine Weise vorbeugen. Er kündigte an, keinen Angestellten im öffentlichen Dienst mehr zu kündigen. Vorgesehen war, dass in den nächsten drei Jahren mehr als 50.000 Angestellte des öffentlichen Dienstes entlassen werden. Manitakis aber plant stattdessen, lediglich die Stellen derjenigen, die in den Ruhestand gehen, nicht oder kaum nachzubesetzen. Sollten ganze Abteilungen geschlossen werden, würde er die Angestellten in andere Bereiche versetzen lassen, versicherte Manitakis dem Chef der Angestellten-Vereinigung Costas Tsikrikas.

Insgesamt sollen im Staatswesen drei Milliarden Euro gespart werden. Doch die Regierung möchte keine Löhne mehr kürzen, da dies zu einem dramatischen Schrumpfen der Wirtschaft geführt hat. Allein dieses Jahr rechnen Ökonomen mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung von sechs bis sieben Prozent.

Finanzminister Ioannis Stournaras will zudem eine Streckung der neuesten Sparauflagen der internationalen Geldgeber um mindestens zwei Jahre erwirken. Demnach soll Griechenland in den Jahren 2013 und 2014 rund 11,5 Milliarden Euro einsparen. Auf die Forderung nach Streckun, die Sparauflagen zu strecken, hatten sich die Chefs der drei Koalitionsparteien geeinigt. "Das ist die Grundlage unserer Kooperation", sagte der Chef der Sozialisten, Evangelos Venizelos.

Die "Troika" aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) will Ende Juli erneut Athens Bücher unter die Lupe nehmen. Das Land hofft auf Geldspritzen im August und September in Höhe von 12,5 Milliarden Euro. Vom Urteil der "Troika" hängt jeweils die Freigabe neuer Hilfszahlungen ab.

Venizelos sagte, den Griechen sei bewusst, dass sie zunächst damit beginnen müssten, bereits getroffene Zusagen einzulösen. Er widersprach damit indirekt Minister Manitakis. Andernfalls seien die Geldgeber nicht mehr bereit, mit Athen zu verhandeln, so Venizelos. Unter anderem soll Griechenland einige Betriebe privatisieren. Venizelos hielt allerdings das Ziel, damit bis zum Jahresende 3,2 Milliarden Euro zu kassieren für "nicht realistisch".

Unterdessen stößt auch der Chef der größten griechischen Rentenkasse IKA, Rovertos Spyropoulos, beim Sparen an seine Grenzen. Noch immer, so sagte er, erschlichen sich viele Menschen die Renten Verstorbener. "Wir haben trotz intensiver Kontrollen festgestellt, dass mindestens 30.000 Renten noch von Menschen mit einer Vollmacht kassiert werden", sagte er im griechischen Fernsehen.

Dabei seien die meisten dieser Vollmachten vor mehreren Jahren unterzeichnet worden und die Rentner sind mittlerweile über 85 Jahre alt. - Die Lebenserwartung in Griechenland liegt für Frauen bei etwa 83 Jahren, für Männer bei 79 Jahren. Es wird daher vermutet, dass viele der Rentenempfänger schon verstorben sind, ihre Bezüge aber weiterhin von Verwandten mit Vollmacht abgeholt werden. Deshalb müssen nun alle Betroffenen eine neue, in diesem Jahr ausgestellte Vollmacht vorlegen, sagte Spyropoulos.

Außerdem überprüft die Krankenkasse angeblich Blinde, die Invalidenrenten beziehen. Auf einigen Inseln soll es überdurchschnittlich viele Blinde geben. Bereits im März hatten Kontrolleure auf der Ionischen Insel Zakynthos festgestellt, dass statt angeblich 700 Betroffenen tatsächlich nur 60 blind sind. "Wir kontrollieren jetzt die Insel Chios mit 360 Blinden", sagte der Krankenkassenchef. Weitere Kontrollen sollen folgen.

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