Süddeutsche Zeitung

Folgen der Schuldenkrise:Stresstest lässt Europas Banken verzweifeln

Niederschmetternde Nachricht für die Finanzbranche: Laut Banken-Stresstest brauchen Europas Institute mehr als 100 Milliarden Euro zusätzlich. Alleine sechs deutsche Finanzhäuser benötigen 13 Milliarden Euro - darunter die Deutsche Bank und die Commerzbank. Und sie haben nur wenig Zeit, die Kapitallücke zu schließen.

Harald Freiberger

Die deutschen Banken müssen mitten in der Schuldenkrise erneut Milliardenlöcher stopfen. Die europäische Bankenaufsicht Eba veröffentlichte am Donnerstag die Ergebnisse des Blitz-Stresstests. Demnach haben sechs Geldhäuser in Deutschland einen Kapitalbedarf von 13,1 Milliarden Euro. Das ist noch mehr als die zehn Milliarden, die zuletzt geschätzt wurden. Das Geld müssen die Institute bis Mitte nächsten Jahres beschaffen. Europaweit haben die Banken einen Kapitalbedarf von 115 Milliarden Euro. Im Oktober war die Eba von 106 Milliarden ausgegangen.

In Deutschland ist der Kapitalbedarf bei der Commerzbank am größten. Ihr attestiert die Eba eine Lücke von 5,2 Milliarden Euro. Bankchef Martin Blessing betonte mehrmals, dass er auf keinen Fall noch einmal Staatshilfe in Anspruch nehmen will. Doch Analysten sind skeptisch, ob die Bank das Kapital aus eigener Kraft beschaffen kann. Den zweitgrößten Kapitalbedarf hat die Deutsche Bank mit einer Lücke von 3,2 Milliarden Euro. Da das Institut aber besser dasteht als die Commerzbank, dürfte es ihm leichter fallen, die Lücke aus eigener Kraft zu füllen, etwa indem sie Gewinne der nächsten Quartale direkt dem Eigenkapital zuführt.

Vier weitere deutsche Geldhäuser müssen bis Mitte nächsten Jahres ihre Kapitaldecke stärken: die drei Landesbanken NordLB, Helaba und WestLB sowie die DZ Bank, das Spitzeninstitut der Volks- und Raiffeisenbanken. Die genaue Höhe war bei Redaktionsschluss noch nicht bekannt. Zuvor war geschätzt worden, dass die NordLB 660 Millionen Euro braucht, die DZ Bank 350 Millionen Euro und die LBBW 364 Millionen Euro - letztere benötigt nun aber doch kein neues Kapital.

Besonderheiten ergaben sich bei Helaba und NordLB: Die Eba erkannte Teile ihres Eigenkapitals nicht an, da diese zum Stichtag 30. September noch nicht den strengen Kriterien entsprach. Es soll aber bis Ende des Jahres umgewandelt werden, so dass die beiden Banken das Kapital nicht besorgen müssen. Nach früheren Angaben handelt es sich bei der Helaba um 1,9 Milliarden Euro, bei der NordLB sind es 1,7 Milliarden.

Die größten Schwierigkeiten, an das zusätzliche Kapital zu kommen, dürfte die Commerzbank bekommen. Sie hat bisher angekündigt, 600 Millionen Euro Eigenkapital zu bilden, indem sie eigene Schulden zurückkauft. Eine Milliarde Euro soll aus Gewinnen kommen, die das Institut bis Mitte nächsten Jahres machen will. Und drei Milliarden Euro Kapital sollen frei werden, indem Risiken abgebaut werden, die mit Kapital unterlegt werden müssen. Das bedeutet vor allem, dass Kredite abgebaut und nicht verlängert werden.

Die Rechnung kann für die Bank nur aufgehen, wenn keine neuen Komplikationen eintreten. Ein Konjunktureinbruch könnte zum Beispiel die erwarteten Gewinne zunichte machen, eine Verschärfung der europäischen Schuldenkrise die weitere Abschreibung von Staatsanleihen erfordern. Die Commerzbank könnte das nötige frische Kapital dann kaum mehr aus eigener Kraft beschaffen. Vorsorglich reaktiviert der Bund in den nächsten Wochen den Bankenrettungsfonds Soffin.

Die Eba wollte in dem Blitz-Stresstest herausfinden, wie dick die Kapitaldecke von 70 europäischen Banken ist, wenn die Anleihen europäischer Schuldenstaaten wie Portugal, Italien oder Spanien auf den Marktwert abgeschrieben werden. Gleichzeitig erhöhte die Eba die geforderte Eigenkapitalquote auf neun Prozent. Beim Stresstest im Sommer hatte sie nur fünf Prozent betragen. Die Quote sagt aus, wie viel Geld eine Bank als Puffer zur Verfügung hat, um Risiken abzufedern. Kapitalbedarf haben jene Banken, die nach Abschreibung der Staatsanleihen unter die Quote von neun Prozent rutschen.

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SZ vom 09.12.2011/aum
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