Es geht um bis zu 25.000 Betroffene, zumeist Frauen. Sie stehen kurz vor der Entlassung oder sind bereits arbeitslos - und da möchte die Bundesarbeitsministerin Engagement zeigen und eine Perspektive bieten.
Trotz einer engagierten Debatte um die Qualität von Kitas und die Ausbildung von Erzieherinnen rief die CDU-Politikerin heute arbeitslose Mitarbeiterinnen der Drogeriemarktkette Schlecker auf, in strukturschwachen Regionen eine Umschulung zur Erzieherin oder Altenpflegerin in Erwägung zu ziehen. "Das ist ein Angebot", so von der Leyen. "Wir würden uns freuen, wenn viele Arbeitssuchende dieses Angebot auch wahrnehmen und annehmen".
Von der Leyen bedauerte, dass es nicht gelungen sei, die Insolvenz von Schlecker und damit den Verlust von 25.000 Arbeitsplätzen zu vermeiden. Vor allem den vielen Frauen solle nun über die Bundesagentur für Arbeit geholfen werden, sagte die Ministerin nach einem Treffen mit Bsirske und dem Chef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise. "Die Frauen haben Lebenserfahrung, die Qualifikationen, die händeringend gesucht werden", betonte von der Leyen.
Arbeit in einem sensiblen Bereich
Neben den üblichen Vermittlungsbemühungen der Bundesagentur sollen daher auch Programme zur Förderung des Strukturwandels genutzt werden, um Umschulungen auf Mangelberufe etwa im Bereich Kindererziehung und -betreuung oder der Altenpflege zu ermöglichen.
Zwar werde damit der kurzfristige Bedarf in diesen Bereichen sicher nicht gedeckt, weil es sich um mindestens zweijährige Ausbildungen handle, sagte die Ministerin. Auf längere Sicht könnten sich hier aber durchaus Möglichkeiten ergeben. Sie könne die Schlecker-Mitarbeiterinnen daher nur ermutigen, diesen Neuanfang zu wagen.
Bundesfamilienministerin Kristina Schröder begrüßte die Ankündigung von der Leyens. "Es geht hier nicht darum, jemanden in eine Umschulung zu pressen, aber ich kann mir gut vorstellen, dass unter diesen lebenserfahrenen Frauen viele mit Freude und Engagement diese neue berufliche Chance ergreifen wollen", sagte sie der Süddeutschen Zeitung. "Bei der Suche nach qualifizierten Erzieherinnen und Erziehern müssen wir möglichst breit aufgestellt sein", sagte Schröder.
Dabei werde streng auf die Qualität der Aus- und Weiterbildungsinitiativen geachtet, "denn wir arbeiten hier in einem sehr sensiblen Bereich", so die Familienministerin. "Ich könnte mir vorstellen, dass auch andere Fachressorts noch auf bislang unbekannte oder zu wenig beachtete Möglichkeiten stoßen, den Kita-Ausbau voran zu bringen."
Verdi-Chef Frank Bsirske kündigte dagegen an, mit den SPD-geführten Ländern auszuloten, ob auf Länder-Ebene doch noch Transfergesellschaften möglich wären. Mit der Bundesregierung und den Ländern mit FDP-Regierungsbeteiligung sei dieser Weg aber nicht mehr zu gehen. Angesichts der wachsenden Beschäftigung im Handel in den letzten Jahren gebe es durchaus Chancen für viele Betroffene auf Vermittlung, auch wenn das in strukturschwachen Regionen schwieriger sei.
Da bei Erziehern und Altenpflegern eine "ausgesprochene Mangelsituation" herrsche, biete sich für die ehemaligen Schlecker-Mitarbeiter in diesem Bereich eine Qualifizierung an, sagte Bsirske. Dies könne sowohl für die Betroffenen als auch "für die Gesellschaft insgesamt" eine Chance sein, sagte Bsirske und fügte hinzu: "Wir wollen das Beste aus dieser dramatischen Situation machen."
Von den bislang gekündigten 11.190 Schlecker-Beschäftigten im Rahmen der ersten Entlassungswelle haben nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit inzwischen rund 5000 eine neue Stelle gefunden oder sind in Qualifizierungs- und Fördermaßnahmen untergekommen. Dies sei ein positives Signal, sagte Weise. Bsirske verwies allerdings darauf, dass es im Einzelhandel derzeit rund 360.000 Arbeitssuchende bei gerade 25.000 offenen Stellen gebe.
Unklarheiten bei Immobilien-Deal des Firmenpatriarchen
Was die Forderung nach einer Transfergesellschaft zur zeitlich begrenzten Abfederung entlassener Schlecker-Mitarbeiterinnen angeht, ist dieses Modell laut Bsirske an der FDP endgültig gescheitert. Dennoch wolle Verdi mit den SPD-Ländern noch einmal über die Bildung länderspezifischer Transfergesellschaften sprechen. Wenn sich zudem Berichte bewahrheiteten, dass Firmengründer Anton Schlecker vor der Insolvenzanmeldung wertvolle Immobilien an seine Kinder verkauft habe, so müssten auf diese Vermögensgegenstände zurückgegriffen werden, um Teillösungen für Schlecker-Filialen zu ermöglichen.
Unterdessen gibt es neue Spekulationen über das Verhalten des Firmenpatriarchen Anton Schlecker kurz vor dem Insolvenzverfahren. Der Chef der Drogeriemarktkette soll seinen Kindern kurz vor Anmeldung der Insolvenz eine wertvolle Immobilie verkauft haben. Wie die Bild-Zeitung berichtet, soll es sich dabei um das österreichische Zentrallager in Pöchlarn handeln.
Laut Kaufvertrag habe Firmenchef Anton Schlecker das 25.000 Quadratmeter große Logistik-Zentrum am 17. Januar 2012, nur sechs Tage vor der Insolvenz, seinen Kindern Meike und Lars Schlecker für 2,5 Millionen Euro verkauft. Die Immobilie sei deshalb nicht in die Insolvenzmasse gekommen. Pöchlarns Bürgermeister Bergner sagte dem Blatt: "Wenn die Immobilie so verwendet wird wie bisher, hat sie einen wesentlich höheren Wert."
Brisant: Anton Schlecker unterzeichnete den Vertrag dem Bericht zufolge erst am 29. Februar - 37 Tage nach dem Insolvenzantrag. Ein Sprecher des Insolvenzverwalters kündigte der Zeitung an, diese Vorgänge zu prüfen.