Süddeutsche Zeitung

Sponsoring:Der Mann, der den DFB attackiert

Die Kündigung der Verträge mit dem DFB durch den Fußballsponsor Thorsten Fischer ist wohl eher inszeniert. Was treibt den umstrittenen Unternehmer an?

Von Uwe Ritzer

Was er sich spontan gedacht hat, als er von alledem erfuhr? "Eine kindische Reaktion", antwortet Bernd Bauer. Die abfällige Bemerkung des Gewerkschafters zielt auf Thorsten Fischer. Der Gründer und Chef der Großdruckerei Flyeralarm hat am Sonntag auf beispiellose Weise das langjährige Sponsoring seines Unternehmens beim DFB und der Fußball-Nationalmannschaft beendet. Weil die Schiedsrichter seinen Heimatverein, das Zweitliga-Schlusslicht Kickers Würzburg, in dieser Saison schon elfmal spielentscheidend verpfiffen hätten, kündige er "vorab in mündlicher Form, mit aller Gelassenheit und ohne Emotionen, sämtliche Verträge mit dem DFB", verbreitete Fischer unmittelbar nach dem Abpfiff des Spiels gegen den 1. FC Nürnberg.

Nun ist Bernd Bauer an sich völlig egal, ob der Schriftzug von Flyeralarm bei Spielen der Nationalmannschaft weiterhin auf den Werbebanden rings um das Spielfeld aufleuchtet oder nicht. Er findet aber, dass Fischers Reaktion "ins Bild passt", das dieser "im Umgang mit Mitarbeitern an den Tag legt." Das klingt nicht schmeichelhaft, weshalb man wissen muss, dass Bauer, Sekretär bei der Gewerkschaft Verdi, seit Jahren mit Flyeralarm und dessen Eigentümer Thorsten Fischer im Clinch liegt. Denn egal, wie sehr sich die Firma sich im Image von Star-Fußballern auch sonne - "das Geschäftsmodell von Flyeralarm beruht auf Niedriglöhnen und der Ausbeutung der Mitarbeiter", sagt Bauer.

Dabei gehört auch der Gewerkschafter zu denen, die es in den ersten Jahren "ohne Frage für eine gute Idee" hielten, wie Thorsten Fischer das alte Handwerk der Drucker mit den neuen Möglichkeiten der Digitalisierung verband. 2002 gründete Fischer im elterlichen Keller die Firma und machte aus Flyeralarm eine der führenden Online-Druckereien Europas, mit 2000 Beschäftigten und einem Umsatz im Jahr 2019 von gut 385 Millionen Euro. Ursprünglich gab Fischer nach Abitur und abgebrochener kaufmännischer Lehre zunächst den Würzburger Tester heraus, ein monatliches Stadtmagazin, bei dem er sich um alles kümmerte. Dabei allerdings fiel ihm auf, dass die inserierende Kundschaft statt Annoncen in seinem Heft zu schalten lieber Handzettel bei ihm bestellen wollte.

Also entwickelte der Jungunternehmer ein neues Konzept: Der Kunde bestellt Flyer, Briefpapier, Visitenkarten oder was auch immer er benötigt, online und präzise was Größe, Form und Farben angeht. Der Auftrag wird bis ins kleinste drucktechnische Detail automatisiert abgewickelt, was Aufwand und damit Kosten spart. Und zwar im Sammeldruckverfahren, wobei unterschiedliche Druckaufträge auf großen Papierbögen geometrisch so geschickt angeordnet werden, dass möglichst wenig Papier als Ausschuss übrigbleibt. Geliefert wird im Idealfall über Nacht und - der Automatisierung wegen - zu deutlich günstigeren Preisen als bei klassischen Druckereien. Längst bedruckt Flyeralarm nicht nur Papier sondern alles, was sich maschinell bedrucken lässt.

Die Online-Druckerei wuchs vor Corona rasant und das DFB-Engagement machte sie bekannt. In Würzburg gab es neben Bewunderung für den Selfmade-Unternehmer Fischer aber auch immer wieder Gerüchte. Etwa über die frühere Sektenverbindung einer zwischenzeitlich ausgeschiedenen Managerin. Oder die Frage, warum ein unter großem PR-Getöse abgeworbener Vorstand des Medienriesen Bertelsmann Flyeralarm bereits nach gut einem Jahr als Chief Executive Officer (CEO) wieder verließ. Viel lauter sind jedoch die anhaltenden Klagen über schlechte Arbeitsbedingungen.

Die Löhne bei Flyeralarm, kritisiert Gewerkschafter Bauer, seien bis zu 50 Prozent niedriger als in anderen Druckereien. Was einerseits am großen Arbeitskräfteangebot liegt. Würzburg war lange ein starker Druckerei-Standort, doch allein in den vergangenen fünf Jahren gingen nach Verdi-Angaben 500 Jobs verloren. Fischer habe seine Beschäftigten nie am Erfolg teilhaben lassen, den er ihnen aber mit verdanke. Vielmehr würden die Beschäftigten kleingehalten und Betriebsratsarbeit verhindert. "Engagement für Arbeitnehmerrechte oder die Gewerkschaft wird sofort im Ansatz rigoros unterdrückt. Leute, die das versuchen, fliegen sofort raus", sagt Bauer. Die Leute hätten Angst.

Ein Sprecher von Flyeralarm widerspricht den Vorwürfen. Nie habe man Betriebsratswahlen behindert. "Einer unserer Unternehmensgrundsätze ist der verantwortungsbewusste, fürsorgliche und faire Umgang mit unserer Belegschaft." Und bei der Bezahlung der Produktionsmitarbeiter "orientieren wir uns am Tarifvertrag und zahlen in den jeweiligen Lohngruppen teilweise übertariflich."

Kickers Würzburg wäre ohne Fischers Geld kein Profiverein

Wobei sich die Frage nach dem Tarifvertrag an sich stellt. In jenem der Druckereiindustrie sind die Löhne höher; Flyeralarm bevorzugt jenen mit niedrigeren Sätzen Begründung: Man sei ein Medienunternehmen. Gewerkschafter Bauer beklagt das Fehlen jedweder Tarifbindung, während Unternehmer Fischer in einem Gespräch mit dem Wirtschaftsmagazin Brand eins sinngemäß entgegenhielt, schließlich lege er vor Weihnachten bei bedürftigen Arbeitnehmern schon mal den ein oder anderen Tausender drauf, oder spendiere Freibier bei Betriebstreffen. "Gutsherrenart", kommentiert das Bernd Bauer.

Fischers großes Hobby ist der Fußball. Kickers Würzburg wäre ohne sein Geld kein Profiverein; der Unternehmer zieht hinter den Kulissen die Strippen. Als sein Adlatus fungiert der vor langer Zeit als Bundesligatrainer erfolgreiche Felix Magath. Flyeralarm Global Soccer, heißt Fischers Fußballfirma, die auch bei Admira Mödling in Österreich mitmischt. Fischers jüngste Schiedsrichterattacke war aber wohl weniger spontan als inszeniert. Nur wenige Augenblicke nach dem Schlusspfiff des Spiels gegen den 1. FC Nürnberg verbreitete Fischer seine offensichtlich durchdachte und wohlformulierte Ankündigung, das DFB-Sponsoring zu beenden.

Der mit angeblich bis zu 4,5 Millionen Euro jährlich dotierte Flyeralarm-Vertrag läuft allerdings noch bis Ende 2023. Ein Sprecher der Fischer'schen Fußballfirma Flyeralarm Global Soccer versicherte auf Anfrage, selbstverständlich werde der Unternehmer seine vertraglichen Pflichten gegenüber dem DFB voll erfüllen. Und die Frauen-Bundesliga, die Flyeralarm im Namen trägt samt dem im Fischer-Firmenkonglomerat angesiedelten Elfen Frauenfußball-Magazin wird es wohl auch weiter geben.

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