Flugstopp wegen Aschewolke:Wirtschaft im Ananas-Dilemma

Wie kommt Ware von A nach B? Wie gelangen Berater nun zum Einsatzort? Die Flugzeuge bleiben am Boden - die Reaktion der Konzerne.

Tobias Dorfer und Nora Gohlke

Am lautesten schreien die Fluggesellschaften. Die Aschewolke aus Island würde die Fluggesellschaften härter treffen als die Terroranschläge vom 11. September 2001, klagte Giovanni Bisignani, der Chef des internationalen Luftfahrtverbandes IATA. Die Flugausfälle würden die Airlines 250 Millionen Dollar pro Tag kosten.

Ananas, Foto: ddp

Manche exotischen Früchte werden mit dem Flugzeug nach Deutschland gebracht - hier könnte es unter Umständen bald einen Lieferengpass geben.

(Foto: Foto: ddp)

Die Flugbranche ist jedoch nur ein Bereich, in dem die Auswirkungen zu spüren sind. Quer durch die Republik sind die Unternehmen betroffen. BMW etwa kann derzeit wichtige Komponenten wie Getriebe nicht in die USA liefern. Im Moment sei das noch kein Problem. Sollte der Flugstopp noch einige Tage weitergehen, könne die Situation kritisch werden, sagte ein Sprecher. "Im schlimmsten Fall droht ein Bandstillstand." Auch die Maschinenbauer jammern. Es stelle sich die Frage, wie künftig die Kunden in Übersee mit wichtigen Ersatzteilen und Serviceleistungen versorgt werden könnten, sagte der Chefvolkswirt des Maschinenbauverbandes VDMA, Ralph Wiechers. Engpässe seien nicht auszuschließen, wenn Servicetechniker nicht reisen könnten wie gewohnt.

Sorgen könnte der Flugstopp auch der Deutschen Telekom bereiten. Denn Geräte wie das iPhone werden von den Herstellern von den Produktionsstandorten per Luft nach Europa gebracht. Sollte sich die Situation an den Flughäfen nicht ändern, könne es durchaus sein, dass Engpässe auftreten, sagte ein Sprecher der Telekom zu sueddeutsche.de.

Bei der Baumaschinenmesse Bauma, die am Morgen in München begonnen hat, waren am Mittag 80 von 3150 Ständen nicht besetzt, weil die Verantwortlichen der Aussteller noch nicht anreisen konnten. Kurzfristig seien Mitarbeiter der Messegesellschaft eingesprungen, um Visitenkarten und Kundenanfragen entgegenzunehmen, sagte Klaus Dittrich, der Geschäftsführer der Münchener Messe. Bei der weltgrößten Industriemesse, die ebenfalls am Morgen in Hannover begonnen hat, sind zehn Prozent der Stände nicht besetzt.

Berater fahren Bahn

"Unangenehm" ist die Situation derzeit auch für das Beratungshaus McKinsey, wie ein Sprecher zu sueddeutsche.de sagt. Etwa 1000 Berater beschäftigt der Konzern in Deutschland - und die müssen jetzt mit Bahn oder Mietwagen zu den Klienten fahren. Die Reisestelle von McKinsey sei auch am Sonntag besetzt gewesen, sagt der Sprecher - und die Mitarbeiter dort hatten jede Menge zu tun. Etliche Mitarbeiter hätten über das Wochenende nicht nach Hause fahren können, und seien daher gleich an ihrem Einsatzort geblieben. McKinsey-Berater dürfen bei der Bahn auch ein Erste-Klasse-Ticket kaufen. Oder sie führen, wie viele andere Unternehmen auch, Videokonferenzen durch. "Das ist ohnehin billiger und umweltfreundlicher", sagte der McKinsey-Sprecher.

Gelassenheit herrscht bei den deutschen Handelsketten. Edeka gibt bereits Entwarnung. "Der Anteil der Flugware ist verschwindend gering", sagt ein Konzernsprecher. Probleme kann es allerdings bei manchen Fischsorten und Meeresfrüchten geben, die normalerweise mit dem Flugzeug verschickt werden. Konkurrent Metro beschafft 90 Prozent seiner Ware in Deutschland, teilte das Unternehmen mit. Lediglich Spezialitäten aus Fernost würden per Flugzeug angeliefert. Hier könne Metro aber in der Regel auf große Lagerbestände zurückgreifen. "Die Aschewolke ist derzeit kein Thema für uns", sagte ein Sprecher.

Ebensowenig ist Dole, der weltgrößte Produzent und Vermarkter von frischem Obst und Gemüse, betroffen. Denn Bananen, Kiwis und andere Südfrüchte aus Mittel- und Südamerika sowie Afrika werden per Schiff nach Rotterdam, Antwerpen oder Hamburg gebracht. Von dort aus werden die Produkte mit dem Lkw weitertransportiert.

Otto-Vorstände hängen fest

Ganz ohne Flugzeug geht es aber doch nicht - und das spürt der Obsthändler Grundhöfer am Frankfurter Großmarkt. Fünf bis zehn Prozent der Ware, etwa Ananas und Mangos, erhält das Unternehmen über die Luft. "Sollte das Flugverbot noch einen Tag länger andauern, kann es passieren, dass diese Früchte nicht mehr im Angebot sind", sagt ein Sprecher. Auch Himbeeren, Erdbeeren oder Kirschen werden außerhalb der Saison mit dem Flugzeug transportiert, sagte der Geschäftsführer des Deutschen Fruchthandelsverbands, Andreas Brügger.

Auch beim Otto-Versand wird ein großer Teil der Ware per Schiff geliefert. Allerdings würden Artikel, die aufgrund großer Nachfrage spontan nachgeordert werden müssten, mitunter per Flugzeug geliefert, sagte ein Sprecher zu sueddeutsche.de. Nicht ganz so einfach sind die Probleme von einzelnen Angestellten zu lösen, die an ihrem Urlaubsort oder bei einer Dienstreise im Ausland gestrandet sind. Auch drei Vorstände hängen derzeit im Ausland fest, sagte der Sprecher. Keine Sorgen müssen sich die Kunden der Handelsgruppe machen - denn Otto liefert innerhalb Europas seine Ware per Lkw und Bahn aus.

Profiteure des Flugstopps sind die Autovermieter. Europcar und Sixt haben ihre Flotten um 2000 Autos erweitert. Dass dies so spontan möglich ist, verdanken die Unternehmen flexiblen Verträgen mit den Autofirmen. So können die Vermieter Autos, die eigentlich aussortiert werden sollten, behalten und darüber hinaus zusätzliche neue Wagen erhalten.

Doch der plötzliche Boom stellt die Unternehmen vor ganz neue Herausforderungen. So ist Flensburg zum Sammelplatz für Mietautos geworden. Der Grund: Viele Skandinavier haben nach den Flugausfällen ihren Leihwagen in der Grenzstadt abgegeben, weil die Gebühren der Vermieter bei Grenzüberfahrten deutlich steigen. "Wir haben viermal so viele Autos wie normal und es kommen immer mehr", sagte Wolfgang Bollrath von der Hertz Autovermietung Flensburg. Die Autos würden nun wohl mit Lastwagen abtransportiert. Die Reisenden fahren entweder mit dem Zug weiter oder nehmen sich hinter der Grenze einen neuen Mietwagen.

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