Süddeutsche Zeitung

Flugreisen:Schneller durchs Terminal

Künftig dürfen die Flughäfen selbst ihre Sicherheitskontrollen organisieren, die Bundespolizei überwacht dann nur noch. Das soll lange Warteschlangen verhindern.

Von Kassian Stroh, Berlin

Schnellere Kontrollen, kürzere Schlangen, Passagiere, die nicht schon viele Stunden vor Abflug da sein müssen, um dann doch den Flieger zu verpassen: In Deutschland dürfen künftig die Flughäfen selbst die Sicherheitskontrollen organisieren. Ihre Hoffnung: Dann werden diese effizienter - gerade bei großem Andrang in den Ferien.

Das Bundesinnenministerium bestätigte am Montag, dass es künftig den Flughäfen, die das wünschen, erlaubt, die Zuständigkeit für die Passagierkontrollen zu übernehmen. Die Einigung hatte zuvor am Wochenende Nordrhein-Westfalens Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) verkündet. Er ist derzeit Vorsitzender der Verkehrsministerkonferenz, die sich am Mittwoch und Donnerstag in Aachen trifft und dort auch über dieses Thema sprechen will.

Mit Ausnahme der bayerischen Airports, wo sie der Freistaat übernommen hat, ist für die Kontrollen bisher der Bund zuständig und damit die Bundespolizei. Sie beschafft die Geräte, bildet die Kontrolleure aus, die in der Regel für private Sicherheitsfirmen arbeiten, und setzt sie ein. Für Stoßzeiten sei dieses System zu unflexibel, klagen Kenner seit Langem. "Die Sicherheitskontrollen funktionieren, aber es ist natürlich einfacher, wenn alles aus einer Hand kommt", sagt Julia Fohmann-Gerber, Sprecherin des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL). Die Flughäfen wüssten schließlich am besten, wann sie wo wieviel Personal bräuchten.

Der Auslöser für die Reform war der Sommer 2018: Damals litten Reisende, Flughäfen und Airlines unter ausgefallenen Flügen, Verspätungen und langen Warteschlangen an den Sicherheitskontrollen. Und wegen gravierender Pannen sperrte die Bundespolizei auch noch Teile der Flughäfen Bremen, Frankfurt und München. Alles binnen weniger Tage. Allein in München strandeten so allein am ersten Tag der bayerischen Sommerferien knapp 35 000 Menschen, mehr als 300 Flüge wurden abgesagt.

"Wir haben nach wie vor den Hut auf bei der Sicherheit."

Vorbild für die Neuregelung nun ist Frankfurt, der größte deutsche Flughafen. Dort hat die Betreiberfirma Fraport seit Jahresbeginn im Rahmen eines unbefristeten Modellprojekts die Zuständigkeit übernommen. Jetzt ist sie es, die die Körperscanner ordert, das Personal steuert und die Firmen beauftragt. Die Bundespolizei ist aber weiter mit im Boot: Ihre Beamten überwachen nicht nur die Arbeit an den Schleusen, sie beaufsichtigen auch die Ausbildung der Luftsicherheitsassistenten, wie die Kontrolleure offiziell heißen, und prüfen sie am Ende. Sollte einmal ein Passagier unkontrolliert durch eine Schleuse spazieren, dann ist es ebenfalls die Bundespolizei, die über eine mögliche Sperrung des Terminals entscheidet.

"Wir haben nach wie vor den Hut auf bei der Sicherheit", sagt ein Polizeisprecher in Frankfurt. Die Übergabe an den Flughafen habe "reibungslos" funktioniert - "inwiefern sich das bewährt, muss man auf längere Sicht schauen". Nach drei Monaten lässt sich da noch nicht viel sagen, zum entscheidenden Test werden die Ferien.

Denn es waren die teils chaotischen Zustände besonders zu Ostern und im Sommer vergangenes Jahr, die das Reformvorhaben nun beschleunigt haben. In der Corona-Pandemie hatten Flughäfen, Airlines und Bodenverkehrsdienste viel Personal abgebaut, plötzlich aber sahen sie sich weit mehr Reisenden gegenüber als kalkuliert. Ungezählte Flüge wurden in Deutschland prophylaktisch gestrichen - und doch blieben noch mehr Koffer liegen und Passagiere sitzen.

So wuchs der Druck auch in Sachen Sicherheitskontrollen, die im vergangenen Jahr oft unbesetzt blieben. In den meisten anderen europäischen Ländern werden sie von den Flughäfen selbst organisiert, das ist laut Experten oft schneller, aber nicht weniger sicher. Interesse an einer Umstellung hätten unter anderem die Flughäfen Düsseldorf, Köln/Bonn, Hannover und Stuttgart bekundet, sagt NRW-Minister Krischer.

Ob freilich das Grundproblem Personalmangel gelöst ist, wird sich erst weisen, wenn viele Urlaubsreisende an die Check-in-Schalter strömen. "Es sieht im Moment ganz gut aus", sagt BDL-Sprecherin Fohmann-Gerber. Allerorten habe man eingestellt, Prozesse verbessert, Check-in-Automaten angeschafft. An manchen Flughäfen könnten Passagiere nun auch fixe Uhrzeiten für ihre Sicherheitskontrolle buchen. Angesichts eines weitgehend leeren Arbeitsmarkts bleibe es aber "herausfordernd, genug Personal zu finden".

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