Süddeutsche Zeitung

Flughafen-Debakel Berlin-Brandenburg:"Der Schaden der Air Berlin ist die Freude der Lufthansa"

Nachdem die Eröffnung des neuen Berliner Flughafens verschoben werden muss, kämpfen Deutschlands größte Airlines gegen das Organisationschaos. Sie müssen hunderttausende Passagiere umbuchen. Das ist vor allem für die ohnehin angeschlagene Air Berlin ein Desaster.

Silke Bigalke und Jannis Brühl

Hartmut Mehdorn war stolz auf den Stern und die Wellen: "Sternförmig" sollten in sechs Schüben am Tag Flugzeuge seiner Air Berlin am neuen Flughafen Berlin-Brandenburg starten und landen. Passagiere sollten schnell und einfach umsteigen können. In der Stadt, die sie im Namen trägt, will die Airline ihr Drehkreuz haben wie die Lufthansa in Frankfurt und München. Doch die Eröffnung des Flughafens am 3. Juni ist vorerst abgesagt, und die Pläne der Air Berlin damit für mehrere Wochen verschoben.

Die Fluglinie hat nach eigenen Angaben "alle Infrastrukturmaßnahmen und alle Flugpläne auf den 3. Juni dieses Jahres am neuen Flughafen Berlin Brandenburg ausgerichtet". Das System mit den sechs Wellen sei "exakt auf die Bedingungen am BER (Flughafen Berlin-Brandenburg) zugeschnitten und ist in Tegel nicht ohne Weiteres durchführbar."

"Sehr traurig"

Das stellt das Unternehmen vor massive Probleme: Mehdorn hat mittlerweile eine "Task Force Tegel" eingerichtet, sie organisiert die Umbuchungen auf den alten Flughafen. Er sagt: "Die Situation ist außerordentlich knifflig, da wir mindestens eine Million Fluggäste einzeln über ihren Abflug- bzw. Ankunftsflughafen informieren müssen. Außerdem muss das größere, ehrgeizigere Airberlin Flugprogramm des BER jetzt ausgerechnet in der Sommersaison mit alter Infrastruktur am Flughafen Tegel bewältigt werden."

"Sehr traurig" sei das für Air Berlin, sagt Christoph Brützel, Professor für Luftverkehrsmanagement an der Fachhochschule Bad Honnef. Das Mehdorn-Unternehmen hatte geplant, am BER Passagiere aus Zubringerflügen für ihre Langstreckenflüge zu sammeln. Nun müsse man über Unmengen an neuen Slots - also über Zeitfenster - und Start- sowie Landerechte verhandeln, sagt Brützel. Wohl nicht nur in Tegel, sondern auch in vielen Städten, aus denen Flüge kommen oder in die sie fliegen, schätzt der Luftfahrtexperte. Schließlich müssten bei jedem Flug Zeitfenster und Haltepositionen von Start und Landung abgestimmt werden: "Das ist richtiger Stress. Jetzt gehen denen die ganzen Slots kaputt."

Die Unsicherheit hat auch wirtschaftliche Folgen, weshalb Air-Berlin-Chef Mehdorn bereits einen neuen, verlässlichen Eröffnungstermin gefordert hat. Den will die Flughafengesellschaft am kommenden Montag verkünden. Das Fest zur Einweihung fällt nach Informationen des Tagesspiegel komplett aus.

Vom geplatzten Eröffnungstermin ist auch die Lufthansa betroffen - und damit 500.000 bis eine Million weitere Passagiere. Diese würden jetzt auf den Flughafen Tegel umgebucht und per Telefon, E-Mail oder SMS informiert, sagt Lufthansa-Manager Oliver Wagner. Die geplanten Abflugzeiten würden bis auf Änderungen im Viertelstundenbereich gehalten.

Lufthansa ist in Tegel zufrieden

Indirekt könnte die Lufthansa sogar kurzfristig profitieren. Sie dürfte nun zwischenzeitlich bei ihrem Plan vorankommen, Air Berlin als Nummer eins im Berlin-Verkehr abzulösen. Denn sie hat nicht ihre komplette Flugplaninfrastruktur auf den neuen Airport umgestellt.

Statt wie bisher elf Verbindungen in Tegel wird sie am BER zwar 39 anbieten. Allerdings ist darunter keine einzige Langstreckenverbindung. Ein Lufthansa-Sprecher ist zuversichtlich, dass alle Passagiere, die Flüge vom 3. Juni an gebucht haben, über Tegel umgeleitet werden können - trotz der dortigen "ziemlich beengten Verhältnisse".

Während bei Air Berlin der Schock aus praktisch jeder Zeile der Pressemitteilung herauszulesen ist, klingen Statements der Lufthansa optimistischer. Den ausgeweiteten Flugplan vom Sommer an will die Linie erfüllen. Die Lufthansa muss allerdings für die zusätzlichen Wochen, in denen der neue Flughafen unerwartet noch geschlossen ist, Stellplätze für 15 neue Airbus-Maschinen und andere Infrastruktur finden.

Luftfahrtexperte Brützel sagt: "Die Lufthansa ist in Tegel sehr zufrieden. Sie hat sich den neuen Flughafen gar nicht gewünscht." Er geht sogar noch weiter: "Der Schaden der Air Berlin ist die Freude der Lufthansa." Allerdings nur vorläufig - denn Tegel wird nach der Inbetriebnahme des Schönefelder Flughafens geschlossen.

Auf den ersten Passagierflug des Superjumbos A 380, der am 3. Juni vom neuen Flughafen aus geplant war, muss die Lufthansa verzichten. Der Start des Berlin getauften Jets wäre aber sowieso eher symbolischer Natur, sagt Brützel: "In Berlin kriegt sie den eh nicht voll."

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