Süddeutsche Zeitung

Flughafen Berlin Brandenburg:Immerhin taugt der BER zur Belustigung

1300 Seiten hat der Bericht des Untersuchungsausschusses zum Baudesaster. Man sollte sich herantrauen. Er enthält sehr amüsante Passagen.

Kommentar von Franziska Augstein

Ermüdung hat sich breitgemacht: Für den gesamtdeutschen Geschmack wird das Baustellendesaster des BER auf einer Postkarte mit dem Konterfei Walter Ulbrichts und einem abgewandelten Zitat des Mauer-Bauers ausreichend beschrieben: "Niemand hat die Absicht, einen Flughafen zu bauen."

Mitte Juni erschien der etwa 1300 Seiten dicke Bericht des Untersuchungsausschusses, der dreieinhalb Jahre lang getagt hatte. Aber jenseits der Berliner Lokalpresse wurde in den Zeitungen über das Ergebnis nur in Kürze berichtet. Dabei ist der Bericht klar geschrieben, und die Zeugenaussagen machen ihn stellenweise ausgesprochen amüsant.

Sechs Milliarden, aber kein Geld für ein Telefon

Da ist zum Beispiel Christian Sundermann, ehemals Berliner Staatssekretär für Finanzen, der die explodierenden Kosten - anfänglich wurden weniger als drei Milliarden Euro veranschlagt, es werden aber mehr als sechs Milliarden - mit dem Satz kommentierte, "Unfrieden" sei im Aufsichtsrat aufgekommen, wenn der wieder einmal verspätet erfahren habe: "Da ist jetzt auch noch mal eine zusätzliche Schippe nötig." Dass im Aufsichtsrat kein einziger Fachmensch gesessen hat, war dem Projekt übrigens nicht zuträglich.

Lustig ist auch der Stoßseufzer des Zeugen Torsten Müller, eine Weile lang zuständig für die Bauüberwachung bei der Gebäudeautomation des Passagierterminals. Nachdem die mit der Generalplanung betraute Firma PG BBI wegen Unfähigkeit nach der ersten geplatzten Eröffnung 2012 geschasst worden war, gab es keine vernünftige Koordination mehr. Und Müller konnte auch nichts machen: "Ich hatte noch nicht einmal ein Telefon auf dem Tisch stehen." Es geht um ein Milliardenprojekt, wozu braucht man da ein Telefon? Man kann doch zu den Leuten hingehen.

Als Freund des Fußläufigen zeigte sich auch der Hauptgeschäftsführer Hartmut Mehdorn, der 2015 abgelöst wurde: Als das Bauamt im brandenburgischen Lübben die Entrauchungsanlage nicht genehmigte, weil die automatischen Türvorrichtungen nicht funktionierten, schlug Mehdorn vor, man könne 700 Leute postieren, die im Fall der Not Türen öffnen oder schließen würden. Der Großmanager (der zuvor der Deutschen Bahn und Air Berlin wenig hatte weiterhelfen können) belegte seine bescheuerte Idee mit dem Begriff "Mensch-Maschine-Schnittstelle".

Eigentlich will den BER mittlerweile sowieso niemand mehr

2017, 2018 oder später wird der Flughafen eingeweiht werden. In jedem Fall wird er am Tag seiner Eröffnung schon viel zu klein sein. Vollends komisch ist der Umstand, dass so gut wie niemand den BER mehr will: Alle Reisenden mögen Tegel, weil der Anfahrtsweg so kurz ist. Nicht alle, aber die meisten Anrainer haben nichts gegen den Fluglärm.

Interessanterweise haben bei dem Volksentscheid 2008 über den Erhalt des innerstädtischen Flughafens Tempelhof die Anrainer dafür votiert. Allein, Gesamt-Berlin sprach sich dagegen aus. Viele argumentieren, vernünftig wäre gewesen: Erstens, Tempelhof für Sonderflüge offen halten. Dann wäre Angela Merkel heute schneller im Kanzleramt, und das industrieschwache Berlin wäre als hochkarätige internationale Konferenzstadt etabliert. Zweitens, Tegel beibehalten und ausbauen. Dass es dazu nicht kam, liegt vor allem an den Regierenden Bürgermeistern Eberhard Diepgen (CDU, bis 2001) und Klaus Wowereit (SPD, bis 2014). Der erste wollte sich flughafenmäßig ein Denkmal setzen; was der andere wollte, ist nicht ganz klar.

In Berlins Businesswelt hält sich ein Gerücht hartnäckig: Der BER werde nie eröffnet werden; die Vertreter der Geldgeber - der Bund, Berlin und Brandenburg - hätten das Interesse verloren. Vorläufig kann man ihn also neu benennen, international: statt BER "OOO" - "Out of Order".

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SZ vom 01.07.2016/vit
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