Süddeutsche Zeitung

Flughafen BER:Führungsstreit beim BER geht in die nächste Runde

Der Aufsichtsrat der Berliner Flughäfen will mal wieder eine neue Geschäftsführung bestimmen. Zu Kompromissen ist aber niemand mehr bereit.

Von Jens Schneider, Berlin

Es sollte ein Zeichen des Durchgreifens sein. Anfang Februar lud Michael Müller, Berlins Regierender Bürgermeister, zur Krisensitzung ins Rote Rathaus. Vertreter der wichtigsten Firmen auf der ewigen Baustelle für den Hauptstadtflughafen sollten erklären, was schon wieder schieflief. Gerade war bekannt geworden, dass der Eröffnungstermin im Herbst dieses Jahres nicht zu halten ist und ein neuer Termin in den Sternen steht. Es gibt Probleme mit der Steuerung von 1100 Türen im Terminal. Die damit betraute Firma Bosch tue ihr Bestes, sie werde zusätzliches Personal einsetzen, hieß es.

So präsentierte sich Müller wieder mal als Macher, der durchgreift, weil es nicht vorangeht. Dabei soll er von Amts wegen nicht machen, sondern aufpassen. Der Sozialdemokrat ist Vorsitzender des Aufsichtsrats für den BER, Flughafen-Chef ein anderer: bis zu diesem Montag der Ingenieur Karsten Mühlenfeld. Aber weil Müller das Vertrauen in ihn verloren hat, griff er ein. Die Inszenierung im Roten Rathaus offenbarte das Kardinalproblem des BER, dessen Aufsichtsrat an diesem Montag zur nächsten Krisensitzung geladen ist, um nach peinlichen Streitereien eine neue Führung für die Flughafengesellschaft FBB zu bestimmen.

Seit 2011 wurde die Eröffnung fünf Mal verschoben. Der Anlass waren haarsträubende technische Mängel und Planungsfehler auf der Baustelle. Aber ein Kernproblem ist die Rolle der Politik, die mal bei der Aufsicht versagt, dann wieder massiv eingreift. Vergangenen Mittwoch gipfelte das in einem Debakel für die drei Gesellschafter des Flughafens. Nach einer stundenlangen Sitzung vertagte sich der Aufsichtsrat, weil er sich nicht auf den von einer Mehrheit geforderten Rauswurf des Geschäftsführers verständigen konnte.

Müller übernahm den Vorsitz erst nach monatelangem Zögern

Drei Eigner hat der Flughafen, die Länder Berlin und Brandenburg halten 37 Prozent der Anteile, der Bund 26. Ihr Verhältnis ist von Misstrauen geprägt. So fühlt sich die Landesregierung in Potsdam von den Berlinern oft missachtet. In den beiden Landesregierungen ist man in der Regel wenig glücklich über die Rolle von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), weil der oft den Eindruck erweckt, dass der Bund mit den Pannen nichts zu tun hat. Berlins Regierender Bürgermeister hat eine herausragende Rolle, die ihm selten Freude bereitet, aus der er aber schwer herauskommt. Sein Dilemma: Der BER wird von der Öffentlichkeit fast nur in seiner Verantwortung gesehen. Schon Müllers Vorgänger Klaus Wowereit klagte, es werde übersehen, dass es weitere Eigner gibt.

Müller wollte nach der Übernahme der Regierungsverantwortung in Berlin ursprünglich nicht in den Aufsichtsrat und die Aufgabe einem Staatssekretär überlassen. Er übernahm den Vorsitz nach Monaten des Zögerns aufgrund einer eigenen Logik: Selbst wenn er sich zurückgezogen hätte, würde man bei Problemen stets ihn verantwortlich machen. Da wäre es dann besser, befand er, die Fäden in der Hand zu halten. Nun greift er umso mehr ein.

Der vorige Flughafen-Geschäftsführer Hartmut Mehdorn nannte den BER eine politische Baustelle - eine treffende Beschreibung: Der Einfluss der Politik ist groß; aber die Politik steht bei Pannen auch immer im Fokus. Auch deshalb spitzte sich alles am Mittwoch zu. Die Vertreter des Bundes und der Hauptstadt drängten auf eine Entlassung Mühlenfelds, weil der gegen ihren Willen seinen Technik-Chef Jörg Marks entlassen hatte. Der bedächtige Ingenieur war noch von Mehdorn geholt worden. Ihm wird angerechnet, dass vieles vorangegangen ist. Aber er gilt als durchsetzungsschwach.

Für Brandenburg darf es keine Übergangslösung geben

Mühlenfeld wirft Marks vor, dass er zuletzt alle Termine gerissen habe, was faktisch stimmt. In Berlin empfand man den Rauswurf als selbstherrlichen Akt. In Potsdam war man auch nicht glücklich, wollte aber mit Mühlenfeld weitermachen, um Kontinuität auf der Baustelle zu sichern. Offenbar spielte auch Loyalität eine Rolle. Brandenburg hatte Mühlenfeld einst vorgeschlagen, der Bund hielt ihn von Beginn an für den falschen Mann.

An diesem Montag soll sich das lärmende, aber ergebnislose Flughafen-Mikado vom Mittwoch auf keinen Fall wiederholen. Also trafen sich am Freitag Müller, Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke (SPD) und Bundesverkehrsminister Dobrindt. Sie sollen sich verständigt haben. Woidke will nicht mehr an Mühlenfeld festhalten. Brandenburg könne aber seiner "Ablösung nur zustimmen, wenn es eine fachlich qualifizierte direkte Nachfolge gibt", erklärt Woidkes Sprecher. Das bedeutet, dass es keine Übergangslösung geben dürfte. Berlin hatte vorgeschlagen, seinen Flughafen-Staatssekretär Engelbert Lütke Daldrup einzusetzen, bis ein neuer Chef gefunden wäre.

Geht es um eine Dauerlösung, gilt der Müller-Vertraute freilich als Kandidat. Als Alternative wurde Thomas Weyer genannt, Finanzchef des Münchner Flughafens. Am Sonntagabend hieß es aus Aufsichtsratskreisen, er stehe nicht zur Verfügung. Es sei inzwischen schwer, Kandidaten für einen Posten zu finden, bei dem die Politik ständig rein redet, heißt es. Gleichzeitig ist Berlin fest entschlossen, den beurlaubten Technik-Chef Marks auf der Baustelle zu halten. Je nach Ausgang der Gespräche wird eventuell der Aufsichtsrat einen neuen Chef bekommen. Müller könnte darüber durchaus erleichtert sein.

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SZ vom 06.03.2017/mahu
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