Flughafen BER:Berlin will das Desaster bis 2020 lösen

Hauptstadtflughafen Berlin Brandenburg BER

Tristesse pur: Als neuer Eröffnungstermin für den BER wird das Jahr 2020 gehandelt. Damit läge die Verspätung bei neun Jahren.

(Foto: dpa)
  • An diesem Freitag will die Betreibergesellschaft des BER über einen neuen Eröffnungstermin für den Flughafen informieren. Er soll im Herbst 2020 liegen.
  • Das zentrale Problem bleibt das Hauptterminal, wo die Flughafengesellschaft die Entrauchungsanlage nicht in den Griff bekommt.
  • Die Kosten des Projekts steigen durch die Verzögerung immer weiter. Allein die Instandhaltung frisst jeden Monat 17 Millionen Euro.

Von Jens Schneider, Berlin

Vor Kurzem lud Engelbert Lütke Daldrup, der Chef der Berliner Flughäfen, zum Gespräch in den Tower am Airport in Schönefeld. Der Tower ist übrigens schon seit einiger Zeit fertig und seit März 2012 in Betrieb, auch das gibt es. Unten war der BER zu sehen, die ewige Baustelle für den Hauptstadtflughafen, äußerlich hübsch anzusehen, als könne es morgen losgehen mit der Fliegerei. Lütke Daldrup sprach im Tower nicht über heute oder morgen, sondern über das Jahr 2040, die "Vision für diesen Flughafen", seinen Masterplan.

"Wenn Sie das Glück haben sollten, in zwanzig oder 25 Jahren mit einem Helikopter über diesen Flughafen zu fliegen, könnten Sie in der Abenddämmerung dieses Bild sehen", schwärmte er. Und präsentierte das Bild eines Großflughafens mit zusätzlichen Terminals, der 55 Millionen Passagiere abwickeln kann. Auf der Landseite solle ein neuer Stadtteil entstehen. Emsig arbeitet die Flughafengesellschaft FBB an diesem Plan, der laut Lütke Daldrup zeigen soll: "Berlin steht bereit." Aber er sagte nicht, ab wann Berlin bereitstehen soll. Das will er diesen Freitag dem Aufsichtsrat erklären. Es wird keine gute Nachricht sein - es sei denn, man hält schon die Botschaft für erfreulich, dass es überhaupt wieder einen Eröffnungstermin gibt.

Der soll im Herbst 2020 liegen. So ist es aus den Kreisen der Gesellschafter des Flughafens zu hören, der im Auftrag des Bundes und der Länder Berlin und Brandenburg gebaut wird. Der Termin wird mit Vorsicht genannt. Man befürchtet weitere Risiken bei der Fertigstellung des BER, der schon lange fertiggebaut ist, aber eben nicht betriebsbereit. Seit einiger Zeit spricht die Bauleitung von einer Sanierung im Bestand, die viel schwieriger sei als ein Neubau. Mit dem Bau möchte Lütke Daldrup im August 2018 fertig sein, an einigen Stellen dürfte es länger dauern. Danach folgen Tests, Abnahmen, der Probebetrieb.

Im Jahr 2020 läge die Verspätung bei neun Jahren. Seit dem Spatenstich 2006 gab es mehrere Eröffnungstermine und ebenso viele Absagen. Als der Termin 2011 verschoben werden musste, reagierte die Öffentlichkeit noch nachsichtig. 2012 war die Absage wegen der Mängel beim Brandschutz eine Blamage. Ende 2014 nannte die FBB den bislang letzten Termin: Die Eröffnung sollte im Spätherbst 2017 sein. Vor elf Monaten kam die Absage.

Das zentrale Problem bleibt der Hauptterminal des Flughafens, wo die FBB trotz zahlreicher Umbauten die Entrauchungsanlage nicht in den Griff bekommt. Der Terminal ist während der ersten Bauphase massiv erweitert worden, ohne den Brandschutz ausreichend zu bedenken.

Bisher sind die Zusatzkosten mit 5,3 Milliarden Euro veranschlagt

Die Seitenflügel Pier Nord und Süd sind weniger kompliziert, sie könnten schnell in Betrieb gehen. Daneben wird ein weiterer Terminal T 1-E gebaut, weniger kühn, aber verlässlich. Seit einiger Zeit kursieren Spekulationen, dass die FBB auf den Hauptterminal verzichten und stattdessen rundherum weitere Module bauen könnte. Sie dementiert resolut. Der Fluggastterminal bleibe das Kernstück des BER und werde fertiggestellt: "Die Inbetriebnahme wird mit allen Gebäuden erfolgen." Allerdings habe man die technischen Probleme "jahrelang unterschätzt".

Da werden auch die vergangenen Jahre gemeint sein, in denen die Bauherren Monat für Monat versprachen, sie hätten "Meilensteine" auf dem Weg zur Eröffnung erreicht - bis neue Probleme auftauchten. Inzwischen wurde dem Technikchef Jörg Marks, der vierte seit Beginn, die Verantwortung für das Fluggastterminal entzogen, der Bereich Lütke Daldrup unterstellt.

Im Sommer 2014 hatte der vorletzte Flughafenchef, Hartmut Mehdorn, Marks geholt und als Glücksgriff gepriesen. Lange sah es aus, als hätte er die Baustelle auf den richtigen Weg gebracht. Aber er konnte zentrale Termine nicht halten. Anfang des Jahres wurde er deshalb von Mehdorns Nachfolger Karsten Mühlenfeld gefeuert. Doch weil der das eigenmächtig entschieden hatte, musste er selbst gehen. Marks kehrte zurück, nun wurde er entmachtet.

Die Kritiker haben die Geduld verloren

Die Regierungen in Potsdam und Berlin stehen ratlos vor dem Desaster. Lütke Daldrup wird intern zugestanden, dass er die Arbeiten systematisch voran treibe. Auf eine weitere, längere Wartezeit hat man sich seit Monaten eingestellt, für Unruhe sorgt die Aussicht auf zusätzliche Kosten. Bisher sind sie mit 5,3 Milliarden Euro veranschlagt. Der enorme Anstieg ist auch der Kapazitätserweiterung auf fast das Doppelte geschuldet, und höheren Kosten für Lärmschutz, aber eben nicht nur.

Die Nachbesserungen kosten, und allein schon die Instandhaltung im Nichtbetrieb frisst jeden Monat 17 Millionen Euro, dabei sollte der BER längst Einnahmen bringen. Die weitere Kostensteigerung soll dem Aufsichtsrat im März offenbart werden. Auch der Masterplan 2040 wird weitergetrieben. Aber erst einmal soll die Baustelle fertig werden. Planänderungen während des Baus hatte man genug.

Die Kritiker aber haben die Geduld verloren. Einen Tag vor Lütke Daldrups Verkündung debattierte der Brandenburger Landtag über den BER. Aufsichtsrats-Chef Rainer Bretschneider versicherte, man werde das Hauptterminal fertig stellen. "Ich glaube Ihnen nichts mehr", antwortete der Christdemokrat Rainer Genilke: "Die Amerikaner sind früher wieder auf dem Mond, als wir auf einem fertigen Flughafen."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: