Flughäfen:Selten blau, immer voll

Athena, The UK's Tallest Bronze Sculpture Is Installed At London City Airport

Die Göttin Athena, die größte britische Bronzestatue, steht neben dem Londoner City-Flughafen an der Auffahrt zur Connaught Bridge.

(Foto: Getty Images)

Der kleine City-Airport soll verkauft werden. Heathrow und Gatwick streiten um den weiteren Ausbau. Und die Regierung hält sich zurück.

Von Björn Finke, London

Es ist ein wenig unheimlich: Wer oben in einem der Hochhäuser in Londons Bankenviertel Canary Wharf gen Osten blickt, sieht oft Jets beunruhigend niedrig auf sich zufliegen. Der Flughafen London-City ist nur vier Kilometer entfernt, und nach dem Start steuern die Piloten zunächst direkt das Büroviertel an. Diese Nähe zu den Glaspalästen der Konzerne macht City zum Flughafen der Wahl für Geschäftsreisende. So hebt zweimal am Tag British Airways von dort nach New York ab, in einem reinen Business-Class-Flieger mit 32 bequemen Sitzplätzen.

Doch dieser Flughafen soll nun teuer verkauft werden - was den Zorn der britischen Fluggesellschaft erregt. Zugleich steht in den kommenden Monaten die Entscheidung an, ob Europas größter Flughafen Heathrow oder Rivale Gatwick eine weitere Landebahn bauen darf. Kein Zweifel: Für die Londoner Flughäfen ist es ein Jahr der Entscheidung.

London-City ist einer der kleinsten unter den sechs Flughäfen, welche die Themse-Stadt im Namen tragen. Im vergangenen Jahr starteten oder landeten dort 4,3 Millionen Passagiere. Er gehört amerikanischen Finanzinvestoren, die für ihn 2006 geschätzte 750 Millionen Pfund zahlten. Jetzt wollen sie ihn losschlagen und zwei Milliarden Pfund erlösen, umgerechnet 2,6 Milliarden Euro. Keine schlechte Wertsteigerung für zehn Jahre. Drei bis fünf Bietergruppen sollen Interesse haben, auch der Münchner Versicherer Allianz gehört zu einem der Konsortien.

Aber British Airways, der mit Abstand wichtigste Nutzer des kleinen Flughafens, befürchtet, dass die neuen Eigner diesen heftigen Preis nur mit kräftigen Gebührenerhöhungen einspielen können. Willie Walsh, meinungsfreudiger Chef der British-Airways-Muttergesellschaft IAG, nennt die zwei Milliarden darum einen "törichten Preis" und droht, bei höheren Gebühren viele Flieger von City abzuziehen.

Dabei plant der Flughafen, das Terminalgebäude und die Rollbahn zu erweitern, damit größere Maschinen landen und mehr Passagiere abgefertigt werden können. In sieben Jahren sollen es demzufolge sechs Millionen Reisende sein. Allerdings lehnte Londons konservativer Bürgermeister Boris Johnson das Ansinnen ab: Zu viel zusätzlicher Fluglärm, befand er. Das Management legte Widerspruch ein; eine Entscheidung soll bis Herbst fallen.

Johnson kämpft auch vehement gegen eine dritte Startbahn in Heathrow, dem Flughafen im Westen der Stadt. Der ist zu 99 Prozent ausgelastet. Selbst kleine Probleme führen oft zu Verspätungen, weil es keine freien Kapazitäten gibt.

Selbst Gatwick und Stansted sind riesig. Sie spielen in einer Liga mit München und Düsseldorf

Flieger steuern neben Heathrow und City noch vier andere Airports im Großraum London an: Gatwick, Luton, Stansted und Southend, die alle 45 bis 65 Kilometer vom Zentrum entfernt liegen. Sie sind trotzdem keine Provinz-Pisten. Gatwick ist mit 40,3 Millionen Passagieren 2015 fast so groß wie Deutschlands Nummer zwei, München; und in Stansted ist mehr los als in Düsseldorf, der deutschen Nummer drei.

Geht es nach dem Management von Gatwick und Heathrow, sollen im selten blauen Himmel über London bald noch mehr Jets zu sehen sein. Beide Anbieter möchten eine neue Startbahn bauen, doch nur einer wird die Erlaubnis erhalten. Vorigen Sommer legte eine Expertenkommission der Regierung nach dreijähriger Beratung ihren Bericht vor. Der sprach sich klar für Heathrow aus, weil dieser Flughafen anders als Gatwick ein internationales Drehkreuz ist und Anschluss an die U-Bahn hat.

Die Regierung wollte den Bericht aufmerksam lesen und bis Weihnachten entscheiden. Im Dezember aber verkündete der konservative Premier David Cameron, dass er diesen Beschluss bis Sommer 2016 aufschiebt. Die Konsequenzen eines Ausbaus von Heathrow für die Luftqualität müssten genauer untersucht werden, lautete die Begründung. Doch viel wichtiger dürfte für Cameron gewesen sein, dass die Londoner im Mai einen neuen Bürgermeister wählen, einen Nachfolger für Boris Johnson. Ein Ja zu Heathrow hätte die Chancen des konservativen Kandidaten Zac Goldsmith geschmälert. Der lehnt wie Johnson einen Ausbau ab, allerdings kann das Stadtoberhaupt in dieser Frage nichts gegen die Regierung ausrichten.

Weil sich Heathrow so nah am Stadtzentrum befindet, müssten für eine dritte Piste 783 Häuser abgerissen und eine Autobahn in einen Tunnel verlegt werden. Unter Fluglärm würden bis zu 180 000 Menschen mehr als heutzutage leiden. Ein Ausbau im weit entfernten Gatwick würde viel weniger Bürgern ihr Haus oder ihre Ruhe rauben. Die Wirtschaftsverbände im Vereinigten Königreich unterstützen aber Heathrows Pläne - und reagierten entsprechend sauer, als Cameron den Beschluss verschob.

Erst am Sonntag veröffentlichten Vorstandschefs der wichtigsten Baukonzerne einen Brief an die Regierung. In dem fordern sie die Startfreigabe für die dritte Piste in Heathrow. Großbritanniens "größtes privat finanziertes Infrastruktur-Projekt" würde viele Jobs in ihrer Branche schaffen, versprechen sie. Die Kosten der Landebahn sollen 17,6 Milliarden Pfund betragen, 23 Milliarden Euro.

British-Airways-Chef Walsh macht vorsorglich schon mal klar, dass die Fluggesellschaften für den teuren Ausbau nicht aufkommen wollen, etwa über höhere Gebühren: Das zu erwägen, sei "unerhört".

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